So unterscheiden sich Erbe und Vermächtnis

Patientenverfügung.digital

erstellt am:

2021-07-19

letzte Änderung:

2023-01-09

Viele Menschen nutzen die Begriffe „Erbe“ und „Vermächtnis“ synonym. Was sie häufig nicht wissen: Im Erbrecht gibt es zwischen Erbe und Vermächtnis fundamentale Unterschiede. Warum das so ist und weshalb sie diese Unterschiede in Ihrem Testament unbedingt beachten sollten, erfahren Sie in diesem Artikel.

Vermächtnis

Wann ist ein Vermächtnis sinnvoll?

Ein Vermächtnis bietet sich vor allem in drei Szenarien an:

  1. Sie möchten jemandem außerhalb Ihrer Familie einen Gegenstand oder einen Geldbetrag übertragen.
  2. Sie möchten einem Ihrer Erben mehr zukommen lassen als den anderen Erben.
  3. Sie möchten einem Erblasser die Pflichten des Nachlasses ersparen.

In solchen Fällen müssen Sie ein Testament (oder einen Erbvertrag) und ein Vermächtnis verfassen. Was das Vermächtnis vom Erbe unterscheidet, erklären wir Ihnen im nächsten Abschnitt.

Wie unterscheiden sich Erbe und Vermächtnis?

Mit einem Testament oder einem Erbvertrag können Sie festlegen, was mit Ihrem Nachlass geschehen soll. Um Missverständnisse bei der Nachlassverteilung zu vermeiden, sollten Sie dabei unbedingt die Unterschiede zwischen den Wörtern „vererben“ und „vermachten“ kennen:

  • Erben haben aus rechtlicher Sicht eine viel stärkere Position als Vermächtnisnehmer. Wer etwas erbt, wird automatisch zum Rechtsnachfolger des Erblasers und hat mindestens einen Teilanspruch auf die Erbschaft. Wichtig dabei: Nicht nur das Vermögen wird geerbt, sondern auch mögliche Schulden des Verstorbenen.

  • Vermächtnisnehmer haben keinen Anspruch auf die Erbschaft. Stattdessen überträgt der Erblasser lediglich einen einzelnen Nachlassgegenstand (zum Beispiel eine Immobilie) oder Geldbeträge, ohne den Vermächtnisnehmer als Erben einzusetzen (§ 1939 BGB). Das bedeutet: Der Vermächtnisnehmer wird zum Gläubiger und die Erben zum Schuldner. Sobald der Vermächtnisnehmer das Vermachte beim Erben einfordert, muss der Erbe oder die Erbengemeinschaft das Vermachte aushändigen.

Wie sieht ein konkretes Anwendungsbeispiel aus?

Ein Anwendungsbeispiel für ein Vermächtnis ist folgendes Szenario:

Ein Verstorbener war Eigentümer von zwei Häusern. In seinem Testament setzt er Sohn X als Alleinerben ein und vermachtet Sohn Y ein Haus. Sohn X wird nach dem Tod des Erblassers nun zunächst Eigentümer von beiden Häusern. Sohn Y hat aber Anspruch auf das ihm vermachtete Haus und kann diesen Anspruch bei Sohn X geltend machen. Erst wenn Sohn X zum Notar geht und das Haus überträgt, wird Sohn Y zum Eigentümer des Hauses.

Wichtig: Der Erblasser kann bestimmen, wann die Herausgabe des Vermachten erfolgen soll. Ist kein Zeitpunkt festgelegt, kann der Erbe über den Zeitpunkt der Übertragung entscheiden.

Welche Arten von Vermächtnissen gibt es?

Beim Vermächtnis unterscheidet man vor allem folgende 3 Varianten:

  • Vorausvermächtnis
    Mit einem Vorausvermächtnis können Sie einem Erben mehr hinterlassen als anderen Erben. So können Sie beispielsweise festlegen, dass der Erbnachlass in gleichen Teilen zwischen den Erben aufgeteilt werden soll, aber ein bestimmter Gegenstand oder eine Immobilie als Vorausvermächtnis an einen bestimmten Erben gehen soll. Das Vermachte wird dann nicht mit der Erbquote verrechnet.

Wichtig: Das Vorausvermächtnis sollte im Testament klar von der sogenannten Teilungsanordnung zu unterscheiden sein. Im Gegensatz zum Vorausvermächtnis erfolgt bei der Teilungsanordnung nämlich die Anrechnung auf den Erbteil.

  • Ersatzvermächtnis
    Was passiert, wenn Ihr Vermächtnisnehmer vor Ihnen stirbt? Für einen solchen Fall eignet sich ein Ersatzvermächtnis, weil der Anspruch auf das Vermächtnis nicht automatisch auf die anderen Erben übertragen wird. Ohne Ersatzvermächtnis wird das Vermächtnis also unwirksam!

  • Nießbrauchsvermächtnis
    Mit einem Nießbrauchsvermächtnis können Sie dem Vermächtnisnehmer weitere Rechte einräumen. So können Sie den Vermächtnisnehmer zum Beispiel dazu berechtigen, Mieteinnahmen aus einer vermachten Wohnung zu beziehen.

Was passiert bei unklarem Testament?

Ein Testament sollte unbedingt klar formuliert sein. Gibt es widersprüchliche Formulierungen oder Textpassagen mit Interpretationsspielraum, entscheidet das Nachlassgericht über die Auslegung. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Stellungen sollte vor allem klar sein, ob Sie jemanden als Erben oder nur als Vermächtnisnehmer einsetzen möchten. Wenn jemand nur einen einzelnen Gegenstand bekommen soll, so ist er im Zweifel nur Vermächtnisnehmer (§ 2087 Abs. 2 BGB).

Was sollte ich außerdem wissen?

  • Ein Vermächtnis kann niemals alleine stehen. Es ist immer Teil eines Testaments oder eines Erbvertrags.

  • Obwohl der Vermächtnisnehmer rechtlich kein Erbe ist, muss der Vermächtnisnehmer Erbschaftssteuer zahlen.

  • Der Anspruch des Vermächtnisnehmer verjährt nach drei Jahren. Die Frist beginnt mit Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (und der Berechtigte davon erfahren hat). Bei einem vermachten Grundstück beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre (§ 196 BGB).

Kann ich mit einem Vermächtnis den Pflichtteil umgehen?

Nein. Wer einen Erben enterben möchte, kann das Recht auf einen Pflichtteil auch mit einem Vermächtnis nicht umgehen.

Eine Besonderheit gibt es aber:

Wenn Sie jemanden enterben und diesem Pflichtteilsberechtigten stattdessen ein Vermächtnis übertragen, kann der Pflichtteilsberechtigte entweder das Vermächtnis annehmen und die Differenz zwischen Pflichtteil und Vermächtnis einfordern. Oder er schlägt das Vermächtnis aus und macht nur den Pflichtteil geltend.

Zusammenfassung

  • Mit einem Vermächtnis können Sie Ihren Nachlass auch auf Menschen außerhalb Ihrer Familie übertragen.

  • Ein Vermächtnis muss schriftlich verfasst sein und kann nur zusammen mit einem Testament oder einem Erbvertrag existieren.

  • Wer Missverständnisse vermeiden möchte, sollte sein Testament oder seinen Erbvertrag unbedingt klar formulieren. Im Zweifel entscheidet das Nachlassgericht über die Auslegung.

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