Letzte Aktualisierung: 09.05.2023
Wer eine Patientenverfügung verfasst, kommt um das Thema Sterbehilfe nicht herum. Überlegen Sie zum Beispiel, in welchen Fällen Sie ein Abstellen der künstlichen Beatmung bevorzugen. Oder ob Sie statt intensivmedizinischer Maßnahmen eine palliative Behandlungen möchten. All das überschneidet sich mit Fragen der Sterbehilfe. In diesem Kapitel geben wir Ihnen einen Überblick über Sterbehilfe in Deutschland und stellen Ihnen die vier Arten der Sterbehilfe vor.
Sterbehilfe ist ein Überbegriff für Maßnahmen, die das Leben eines schwerkranken Menschen vorzeitig beenden. Meist geht es darum, einen Patienten aus einer durch Krankheit oder schweren psychischen Not geprägten Lebensphase zu befreien. Grundsätzlich ist bei der Sterbehilfe zusätzlich zum Sterbewilligen mindestens eine weitere Person am Geschehen beteiligt. Man unterscheidet zwischen aktiver Sterbehilfe, passiver Sterbehilfe, indirekte Sterbehilfe und Beihilfe zur Selbsttötung. Voraussetzung für jede Art der Sterbehilfe ist die Todesnähe des Menschen.
Übrigens: Aus Sicht der katholischen und evangelischen Kirche ist Sterbehilfe ein Eingriff in das göttliche Geschehen. Deshalb lehnen die Kirchen Sterbehilfe ab – außerdem sehen Sie das Sterben auch als Lebensaufgabe an.
Aktive Sterbehilfe führt den Tod auf Wunsch des Patienten gezielt herbei durch bestimmte Medikamente – zum Beispiel durch eine Überdosis von Narkose-, Beruhigungs- oder Schmerzmitteln; Insulin, Kalium oder eines Muskelrelaxans. Im Vergleich zu Mord oder Totschlag unterscheidet sich die aktive Sterbehilfe durch eine entsprechende Willensäußerung des Betroffenen. So wird aktive Sterbehilfe mitunter auch als Tötung auf Verlangen bezeichnet (zum Beispiel, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, das entsprechende Medikament selbst zu sich zu nehmen).
In Deutschland ist aktive Sterbehilfe verboten und wird hierzulande mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet. In den Niederlanden, Belgien oder Luxemburg darf aktive Sterbehilfe unter bestimmten Auflagen von einem Arzt durchgeführt werden.
Passive Sterbehilfe führt den Tod auf Wunsch des Patienten durch Auslassen oder Beenden von lebenserhaltenden Maßnahmen herbei. Dazu gehören das Einstellen künstlicher Beatmung und Ernährung, ein Abschalten des Herzschrittmachers, Dialyseabbruch oder das Auslassen von lebensverlängernden Medikamenten. Passive Sterbehilfe ist nur bei schwerkranken Patienten möglich, die bereits im Sterben liegen – deshalb kann man auch von Sterben lassen sprechen.
In Deutschland ist passive Sterbehilfe erlaubt, wenn das Einstellen der lebenserhaltenden oder lebensverlängernden Maßnahmen der ausdrückliche Willen des Patienten ist. Dieser Willen kann natürlich auch in einer Patientenverfügung verbindlich festgelegt werden. Dann geht es zunächst darum, den körperlichen und mentalen Zustand des Patienten fachgerecht zu diagnostizieren und die möglichen Maßnahmen einer Therapie abzuwägen. Diese hängen von der Funktionsfähigkeit der Organe, vom Bewusstsein des Patienten, von seinem Alter sowie von der Aussicht auf ein Weiterleben ab. Welches Therapieziel ist realistisch? Welche Maßnahmen sind dafür notwendig? Stehen die aufzuwendenden Mittel und das Ergebnis in einem annehmbaren Verhältnis zueinander?
Übrigens: Wenn Ärzte den Wunsch der passiven Sterbehilfe missachten, handelt es sich um strafbare Körperverletzung. Stoppen Ärzte medizinischen Maßnahmen, obwohl der Patient weiter medizinisch versorgt werden möchte, spricht man von Tötung oder unterlassener Hilfeleistung.
Im Gegensatz zur aktiven und passiven Sterbehilfe strebt die indirekte Sterbehilfe nicht den Tod an. Der Tod wird jedoch in Kauf genommen – das ist vor allem in der Palliativmedizin der Fall. Dort bekommen schwerkranke Patienten häufig Medikamente, die Schmerzen lindern und den Zustand des Patienten kurzfristig verbessern, aber die Lebenszeit verkürzen. Es geht also um Lebensqualität und nicht um ein möglichst langes Leben unter jeden Umständen.
In Deutschland ist indirekte Sterbehilfe erlaubt. Voraussetzung dafür sind ethische Grundsätze. Es ist zu fragen, welche Absicht verfolgt wurde, ob das eingesetzte Mittel lindernd wirken sollte oder ob der Tod das Ziel der Handlung war. Auch ist zu fragen, welchen Verlauf die Krankheit ohne die Medikation genommen hätte.
Bei der Beihilfe zur Selbsttötung (bzw. Suizid) tötet sich der Sterbende selbst, bekommt jedoch von einem Helfer das Medikament zur Verfügung gestellt. Diese Form der Sterbehilfe ist also nur für Personen möglich, die noch selbst greifen und schlucken können. Gelähmte oder bewegungsunfähige Patienten können in einem solchen Fall nur die Nahrungsaufnahme verweigern.
In Deutschland ist Beihilfe zum Suizid unter bestimmten Umständen erlaubt. Der Patient muss seinen Tod jedoch selber herbeiführen, der Suizidhelfer darf nicht gewerbsmäßig handeln (§ 217 StGB) und während dem Suizid nicht anwesend sein – sonst kann der Suizidhelfer wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt werden (§ 323c StGB). Außerdem darf es keine zumutbare medizinische Alternative geben, wie zum Beispiel die Palliativmedizin, die indirekte oder die passive Sterbehilfe.
Wichtig: Von dieser grundsätzlichen Straflosigkeit gibt es immer wieder umstrittene Ausnahmen. So kann laut dem Bundesgerichtshof ein „Tatherrschaftswechsel“ zu einer Unterlassensstrafbarkeit des Suizidhelfers führen, wenn dieser eine Garantenpflicht für die Rechtsgüter des Suizidenten hat. Auch kann indirekte Sterbehilfe so interpretiert werden, dass derjenige, der das Medikament mit tödlicher Wirkung besorgt, gegen das Arzneimittelgesetz oder das Betäubungsmittelgesetz verstößt.
Sterbebegleitung ist von der Sterbehilfe abzugrenzen. Bei der Sterbebegleitung geht es nicht um medizinische Maßnahmen, sondern um seelischen Beistand. Meist ehrenamtliche Helfer besuchen den Sterbenden regelmäßig, muntern ihn auf und sprechen über Sorgen und Ängste vorm Lebensende. Ein besonderer Fokus liegt dabei oft auf den Vorstellungen über das, was nach dem Tod kommt. Darüber mit anderen Menschen zu sprechen, hilft Sterbenden sich auf den Tod vorzubereiten.
Übrigens: Im Gegensatz zur Sterbehilfe ist Sterbebegleitung (bzw. „seelsorgerische Begleitung“ ein wichtiger Bestandteil der katholischen und evangelischen Kirche. Eine solche Begleitung kann die Besinnung auf das Leben nach dem Tod vertiefen und Ängste lindern.
Sterbefasten ist eine Form der Selbsttötung. Dabei verzichten sterbenskranke Menschen auf jegliche Nahrung und Flüssigkeitsaufnahme und setzen ihrem Leben so vorzeitig ein Ende. Vor allem im hohen Alter verlieren viele Menschen ohnehin das Hunger- oder Durstgefühl.
Die Palliativmedizin ist die einzige Alternative zur Sterbehilfe. Sie kommt bei schwerkranken Patienten mit begrenzter Lebenserwartung zum Einsatz und wird in Deutschland immer beliebter.
Die Palliativmedizin ist eine besondere Behandlungsform sterbenskranker Menschen. Im Gegensatz zur kurativen (bzw. intensivmedizinischen) Maßnahmen verfolgt die Palliativmedizin nicht die Heilung einer Krankheit. Statt einer größtmöglichen Lebensverlängerung geht es um Lebensqualität! Eine Linderung körperlicher Schmerzen und ein möglichst angenehmes Lebensendes sind demnach das Ziel – dafür nehmen Patienten der Palliativmedizin eine kürzer Lebenszeit in Kauf.
Übrigens: Das Wort „Palliativ“ stammt aus dem Lateinischen. Es bedeutet etwa „mit einem Mantel umhüllen“ und steht sinnbildlich für den schützenden und schmerzlindernden Mantel der Palliativmedizin auf dem letzten Lebensweg des Patienten.
Wenn Sie im Koma liegen, können Sie keine eigenständigen Entscheidungen mehr treffen. Deshalb sollten Sie sich mit einer Patientenverfügung absichern und vorher entscheiden, in welchen Situationen Sie Sterbehilfe wünschen und lebensverlängernde Maßnahmen ablehnen.
Ob und inwiefern Sie passive oder indirekte Sterbehilfe in Ihrer Patientenverfügung festlegen, sollten Sie genau überlegen. Bedenken Sie dabei unter anderem folgende Punkte:
Wichtig: Betrachten Sie Ihre Entscheidung aus Sicht der Angehörigen, aber entscheiden Sie nicht aus Sicht Ihrer Angehörigen. Letzten Endes geht es allein um Ihre Wünsche und Vorstellungen. Sie allein entscheiden über Ihr Lebensende und müssen sich wohl damit fühlen.
Wichtig: Vergessen Sie nicht, dass unmittelbare Sterbenähe (zum Beispiel durch eine unheilbare Erkrankung) die Voraussetzung für Sterbehilfe ist. Viele Menschen wünschen sich den Tod herbei, wenn sie sehr alt sind, keine Aufgabe mehr haben und keinen Sinn in ihrem Leben mehr sehen. Hier besteht nach deutscher Rechtslage allerdings noch keine Veranlassung für Sterbehilfe.
Eine Legalisierung aktiver Sterbehilfe und/oder Beihilfe zum Suizid wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Hier sind einige der häufigsten Argumente für und gegen die gesetzliche Sterbehilfe.
Übrigens: Im Gegensatz zur Politik scheint sich die Bevölkerung zum Thema Sterbehilfe einig zu sein. In einer 2014 veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK wollen 70% der Deutschen im Falle einer schweren Erkrankung "für sich selbst die Möglichkeit haben, zum Beispiel auf ärztliche Hilfe bei der Selbsttötung zurückgreifen zu können".
In Ihrer Patientenverfügung sollten Sie Ihr Recht auf ein Leben in Würde und Ihr Recht auf ein würdevolles Sterben abwägen. Hier sind 6 Tipps, die Ihnen dabei helfen.
Übrigens: 2010 hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgelegt, dass die Patientenverfügung hinsichtlich der medizinischen Behandlung bei unheilbarer Erkrankung für das medizinische Fachpersonal bindend ist. Die daraus folgenden Handlungen bleiben für Ärzte straffrei, solange sie dem Willen des Patienten entsprechen. Auch ein Bevollmächtigter, ein rechtlicher Betreuer sowie das Betreuungsgericht sind daran gebunden.
Übrigens: Schwierige Zeiten führen auch dazu, über den Verlauf des eigenen Lebens nachzudenken. Das bietet auch die Gelegenheit, einen alten Zwist beizulegen, sich eventuell mit den Kindern zu versöhnen, die einen anderen Weg eingeschlagen haben, als man es selbst für richtig hielt. Wer diese Zeit gut für sich nutzt, kann in Frieden dem Tod entgegensehen. Bis zuletzt kann für eine solche Klärung psychologische oder seelsorgerliche Unterstützung angenommen werden.
Bei allen vier Formen der Sterbehilfe geht es um mehr als einen vorzeitigen Tod im Endstadium einer unheilbaren Krankheit. Es geht um Lebensqualität und darum, die Leidenszeit zu mildern, zu verkürzen oder ganz zu beenden. Dabei dürfen auch die emotionalen Aspekte nicht zu kurz kommen – wie zum Beispiel der Zuspruch von nahen Angehörigen, die Betreuung durch Seelsorgern oder von Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft. So kann der Patient selbst im Sterben Kraft und Lebensenergie an seine Familie weitergeben und den Angehörigen ermöglichen, ihn in Frieden gehen zu lassen. Ob man eine passive oder indirekte Sterbehilfe in seiner Patientenverfügung wünscht oder nicht, ist eine sehr persönliche Entscheidung. Wichtig ist, dass Sie Ihre Entscheidung gut überlegen, aus allen Perspektiven betrachten und sich sicher sind.