Letzte Aktualisierung: 09.05.2023
Wenn Sie sich mit dem Lebensende beschäftigen, sollte auch die Organspende ein Thema sein. Möchten Sie nach Ihrem Ableben Organe oder Gewebe anderen Menschen zur Verfügung stellen? In diesem Kapitel beantworten wir Ihnen alles, was Sie zur Gewebe- und Organspende wissen müssen. Von der Wichtigkeit einer Spende über mögliche Risiken bis zum Hirntod.
Als Organspender stellen Sie Ihre Organe und/oder Gewebe zur Transplantation zur Verfügung. So können schwerkranke Menschen ihre nicht mehr funktionsfähigen Organe durch funktionsfähige Organe oder Gewebe eines gesunden Menschen ersetzen – und Sie können nach Ihrem Tod anderen Menschen mehr Lebenszeit schenken. Neben den postmortalen Organspenden, sind in Ausnahmefällen auch Lebendorganspenden möglich.
Über 10.000 Personen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan. Diese Zahl steigt kontinuierlich – denn während täglich rund 16 weitere auf Organspenden angewiesene Menschen hinzukommen, werden nur etwa neun Organtransplantationen pro Tag durchgeführt. Diese Diskrepanz zwischen Spenderorganen und Transplantationen kostet vielen Menschen das Leben.
Übrigens: Die Spendenbereitschaft liegt laut aktueller Umfragen bei 80 %. Viele Spenden kommen jedoch nicht zustande, weil eine entsprechende Bereitschaftserklärung fehlt und sich die Angehörigen gegen eine postmortale Organspende aussprechen.
Grundsätzlich kommt jeder Mensch als Organ- und Gewebespender in Frage, wenn ein unumkehrbarer Ausfall der gesamten Hirnfunktion vorliegt. Eine Altersgrenze gibt es nicht – das biologische Alter bzw. der eigentliche Zustand der Organe sind ausschlaggebend und entscheiden darüber, ob eine Organspende möglich ist. Nur bei bestimmten Infektionen (z.B. HIV) oder Krebserkrankungen ist eine Organ- und Gewebespende von vornherein ausgeschlossen.
Wichtig: Bei bestimmten Gewebetransplantationen gibt es eine Altersgrenze. So gilt für Sehnen und Bänder eine Obergrenze von 65 Jahren. Haut kann bis zum Alter von 75 Jahren gespendet werden.
Ja. Seit 1997 gibt es verschiedene Gesetze, welche die Organspende klar regeln. Sie stellen sicher, dass kein Missbrauch stattfindet oder beispielsweise der Hirntod zu früh festgestellt wird, weil der Versterbende potenzieller Organspender ist. Hierzu zählt das Transplantationsgesetz (TPG). Es regelt die Entnahme und das Übertragen von Organen und Geweben, welche Vorgaben die Bundesärztekammer machen kann und was das Bundesministerium für Gesundheit zu genehmigen hat.
Übrigens: Seit der Richtlinie 2010/53/EU gibt es einheitliche und klare rechtsverbindliche Standards für die Qualität und Sicherheit der Organspenden und Transplantationen in Europa. Das erhöht die Transparenz der Organspenden und minimiert das Risiko eines Missbrauchs zusätzlich.
In Deutschland wird die Niere am häufigsten transplantiert. Aber auch Leber, Lunge, Herz und Bauchspeicheldrüse (Pankreas) sind sehr begehrte Transplantate.
Übrigens: Wenn solche Organe transplantiert sind, muss der Organempfänger dauerhaft medizinisch überprüft werden – denn der Körper identifiziert das neue Organ zunächst als Fremdkörper. So kommt es häufig zu einer Abstoßungsreaktion, die mithilfe von Medikamenten gelindert wird. Allerdings schwächen diese das Immunsystem des Organempfängers und erhöhen das Infektionsrisiko im Alltag.
Sie können Gewebe aus unterschiedlichen Körperbereichen spenden. Dazu zählen Knochen-, Knorpel- und Weichteilgewebe, Haut und Blutgefäße, Sehnen und Bänder, Augenhornhaut, Herzklappen und die Eihaut der Fruchtblase (Amnion). Auch Gewebe aus der Bauchspeicheldrüse oder Leber kann man transplantieren. Grundsätzlich kommen Gewebetransplantationen häufiger vor als Organtransplantationen. Bei den empfangenden Patienten handelt es sich seltener um Notfallpatienten mit schweren medizinischen Komplikationen – und Gewebe kann aufbereitet und gelagert werden. Je nach Gewebeart ist die Lagerung über mehrere Wochen, aber auch Jahre möglich. Das Gewebe steht in speziellen Gewebebanken zur Verfügung.
Übrigens: Im Gegensatz zur Organspende ist eine Gewebespende bis zu 72 Stunden nach Stillstand des Herz-Kreislauf-Systems (bzw. klinischer Tod) möglich. Intensivmedizinische Maßnahmen sind bei einer Gewebespende demnach nicht unbedingt nötig.
Übrigens: In Deutschland werden zu Lebzeiten meist Niere und Teile der Leber entnommen. Seltener stellen Lebendorganspender Teile der Bauchspeicheldrüse oder der Lunge zur Verfügung.
Übrigens: Eine Organ- und Gewebstransplantation funktioniert nur bei gesunden und funktionsfähigen Organen. Deshalb führen Ärzte unmittelbar vor der Entnahme verschiedene Untersuchungen durch und prüfen die Funktionsfähigkeit der Organe.
Der Hirntod bezeichnet einen ‚unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen‘ - also Hirnstamm, Kleinhirn und Großhirn. Das kann zum Beispiel durch Hirnblutungen oder eine mangelhafte Durchblutung des Gehirns eintreten. Auch Entzündungen, Tumore oder Verletzungen können einen Hirnfunktionsausfall hervorrufen. Da für die Organspende das Herz-Kreislauf-System aufrechterhalten werden muss, kann ein Hirntod nur bei künstlicher Beatmung in einem Krankenhaus eintreten. Bei Sauerstoffmangel kommt es neben dem Hirntod schnell zum Stillstand des Herz-Kreislaufs.
Wichtig: Für eine Organspende müssen Organe weiter durchblutet werden. Dies ist mit intensivmedizinischen Maßnahmen und Medikamenten für eine begrenzte Zeit über den Hirntod hinaus möglich. Eine Wiederbelebung ist jedoch ausgeschlossen. Ein Hirntod ist endgültig und es besteht keine Chance auf Heilung.
Zwei Mediziner müssen den Hirntod unabhängig voneinander bestätigen. Dabei folgen die Ärzte den einheitlichen und strengen Richtlinien der Bundesärzteärztekammer und müssen:
1) den irreversiblen Hirntod diagnostizieren,
2) den Patienten auf Symptome des Hirntods untersuchen und
3) 12 bis 72 Stunden nach der Erstdiagnose die Unumkehrbarkeit des Zustands bestätigen
Anschließend sind alle drei Schritte noch einmal zu wiederholen. Um Missbrauch auszuschließen, dürfen die untersuchenden Ärzte nicht an der Transplantation beteiligt sein.
Ein Organspendeausweis ist ein rechtsgültiges Dokument. Darauf können Sie angeben, ob Sie im Falle eines Ablebens Organe und Gewebe spenden möchten oder nicht – und Ihre Entscheidung auch auf bestimmte Organe eingrenzen. Zudem können Sie auch eine Person bestimmen, die nach Ihrem Tod über die Organspende entscheidet. Mit Ihren persönlichen Daten, Datum und Ihrer Unterschrift wird der Ausweis verbindlich. Natürlich können Sie Ihre Einstellung zur Organspende jederzeit überdenken und ändern. Dann füllen Sie einfach einen neuen Organspendeausweis aus und unterschreiben ihn.
Tipp: Tragen Sie Ihren Organspendeausweis am besten immer bei sich. Gerade bei einem Unfall sehen die Sanitäter zuerst im Portemonnaie nach, um beispielsweise die Personalien und die Kassenzugehörigkeit zu klären.
Wichtig: Der Organspendeausweis ist eine Willenserklärung und kein amtliches Dokument. Die Willenserklärung bedarf keiner bestimmten äußeren Form. Alles, was Sie hinsichtlich Ihrer medizinischen Behandlungen schriftlich festhalten, ist für das medizinische Fachpersonal trotzdem rechtlich bindend.
Bei einem Hirntod und ohne Organspendeausweis werden zunächst die Angehörigen befragt. Vielleicht hat der Verstorbene Angehörigen seine Wünsche bezüglich einer Organspendeausweis mündlich mitgeteilt? Wenn das nicht der Fall ist, müssen die Angehörigen überlegen, ob der Verstorbene bereit gewesen wäre, ein Organ zu spenden. Ein Organspendeausweis ist demnach keine Voraussetzung für eine Organspende. Er erleichtert aber den Angehörigen die Entscheidung und unterstützt das medizinische Fachpersonal schnell zu handeln.
Tipp: Eine Alternative zum Organspendeausweis ist die Patientenverfügung. Dort können Sie alles festlegen, was Sie in einem Organspendeausweis auch festlegen können.
Nur bei einem Hirntod funktioniert das Herz-Kreislauf-System und die Atmung obwohl keine Aussicht auf Heilung besteht. Nur wenn das gegeben ist, können Organe und Gewebe unbeschädigt entnommen werden – das ist bei einem Herzstillstand zum Beispiel nicht der Fall. Außerdem bietet ein Hirntod die Möglichkeit, die für Organe wichtigen Körperfunktionen künstlich aufrechtzuerhalten.
Der Hirntod als Todeskriterium wird ausschließlich von medizinischen Laien angezweifelt – häufig verzweifelte Angehörige von hirntoten Patienten. Das liegt daran, dass ein hirntoter Mensch häufig noch lebendig wirkt: Die Atmung ist am Körper sichtbar und selbst Gliedmaßen können sich (durch Reflexe) nach einem Hirntod bewegen. Tatsächlich ist der Hirntod ein 100% zuverlässiges Todeskriterium.
Die Entscheidungslösung gilt seit 2012 und ist der Ursprung für den Organspendeausweis. Demnach sind Krankenkassen verpflichtet, alle Versicherten ab dem 16. Lebensjahr über Organ- und Gewebespende und Transplantationen zu informieren. Das Ziel ist ein Anstieg der Organspendenbereitschaft. Die Entscheidung für eine Organspende bleibt natürlich dennoch freiwillig und es werden keinerlei Daten zentral gespeichert.
Nach aktueller Rechtsanlage in Deutschland müssen Sie einer Organspende ausdrücklich zustimmen. Wenn Sie das nicht getan haben, dürfen Ärzte Ihre Organe und Gewebe nach dem Tod nicht entnehmen – es sei denn, Ihre Angehörigen stimmen einer Organspende zu. Da Deutschland zu den Ländern mit den wenigsten Organspendern gehört, diskutiert die Politik über die sogenannte Widerspruchslösung. Demnach wäre jeder Bürger grundsätzlich Organspender und müsste einer Entnahme nicht ausdrücklich zustimmen – sondern widersprechen. Wer nicht widerspricht, wäre potentieller Organspender.
Aufgrund der höheren Aussagekraft ist eine Patientenverfügung der bessere Organspendeausweis. In der rechtsgültigen Patientenverfügung können Sie Ihre Entscheidungen genau erklären und Ärzten verbindliche Vorgaben machen. Sie können fundierte und konkrete Angaben machen und präzise festlegen, unter welchen Umständen Sie sich für eine Organspende entscheiden. Das ist besonders sinnvoll, weil viele Fragen zum bevorstehenden Lebensende auch für Organspenden relevant sind – und sich mit der Thematik der Patientenverfügung überschneiden. Je nachdem, ob Sie sich für oder gegen lebensverlängernde Maßnahmen entscheiden, kann sich das auf die Möglichkeit der Organspende auswirken.
Geben Sie zum Beispiel an:
Tipp: Wie bei allen Themen in der Patientenverfügung sollten Sie Ihre Wünsche möglichst konkret formulieren. Bedenken Sie jedoch, dass es zu Widersprüchen kommen kann – wenn Sie zum Beispiel grundsätzlich einer Reanimation widersprechen, ist eine Organspende in den meisten Fällen nicht möglich.
Der Organspendeausweis bietet nur fünf verschiedene Optionen. Sie können entweder:
Demnach ist die Aussagekraft eines Organspendeausweises begrenzt.
Bedenken Sie zum Beispiel:
Diese Punkte zeigen, dass es bei einer Organspende nicht nur um medizinische Vorgaben geht. Auch die eigenen Konzepte und Wertvorstellungen von Menschlichkeit, Sterben und Autonomie spielen eine Rolle – lassen sich mit einem einfachen Organspendeausweis jedoch nicht festlegen. Außerdem wird deutlich, warum es Angehörigen so schwer fällt, für den Verstorbenen eine Entscheidung zur Organentnahme zu fällen. Für Angehörige haben Themen wie Trauer und Abschied meist Vorrang gegenüber einer Organspende.
Übrigens: Einige Länder gehen davon aus, dass ihre Bürger einer Organspende grundsätzlich zustimmen. In solchen Ländern muss der Widerspruch schriftlich festgehalten und in manchen Ländern (zum Beispiel Griechenland) notariell beglaubigt werden. Zusätzlich gibt es unterschiedliche Arten, medizinisch den Tod festzustellen. In manchen Ländern reicht dafür ein längerer Herzstillstand aus, andere diagnostizieren den Hirntod nach anderen Richtlinien als die deutsche Bundesärztekammer.
Die „Deutsche Stiftung Organtransplantation“ (DSO) und die Vermittlungsstelle „Eurotransplant“ sind für die Zuteilung der Spenderorgane zuständig.
Sobald die Funktionsfähigkeit des Spendenorgans bestätigt ist, wird das Organ oder Gewebe operativ entfernt. Bei einer solchen Operation wird nach denselben hohen Standards verfahren, wie sie für die Operation an einem Lebenden gelten. Anschließend wird aus dem Register von Eurotransplant der Patient ausgewählt, für den das Organ am besten passt. Dabei spielen folgende Kriterien eine wichtige Rolle:
Ist ein Empfänger ausgewählt, wird das Organ rasch transplantiert. Dazu wird es gekühlt und schnellstmöglich zum Transplantationszentrum gebracht, wo der Spendennehmer bereits für die Transplantation vorbereitet wird. Der Leichnam des Organspenders wird in der Zwischenzeit so für eine Aufbahrung vorbereitet, dass eine Bestattung stattfinden kann.
Übrigens: Bei der postmortalen Gewebespende ist der Ablauf ähnlich wie bei der Organspende. Der Unterschied liegt zum einen darin, dass die Gewebeentnahme bis zu 72 Stunden nach Feststellung des Hirntodes stattfinden kann. Zum anderen kann das Gewebe so lange gelagert werden, bis es benötigt wird.