Wie kann ich eine Vorsorgevollmacht widerrufen?

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Zusammenfassung

Eine Vorsorge­vollmacht kann jederzeit widerrufen werden, solange Sie geschäfts­fähig sind. Der Widerruf sollte schriftlich erfolgen, der bevoll­mächtigten Person zugestellt und alle Vollmachts­dokumente zurück­gefordert werden. Zusätzlich sollten relevante Stellen informiert und bei notariellen Vollmachten der Notar sowie das Vorsorge­register benachrichtigt werden.

Die Vorsorge­vollmacht ist ein wichtiges Instrument zur rechtlichen Absicherung für den Fall, dass Sie einmal nicht mehr selbst entscheiden können. Doch manchmal ändern sich Lebens­umstände oder Vertrauens­verhältnisse, sodass ein Widerruf notwendig wird. Der folgende Artikel erklärt, wie Sie eine Vorsorge­vollmacht rechtssicher zurücknehmen können und welche Schritte dabei zu beachten sind.

Rechtliche Grundlagen zum Widerruf einer Vorsorge­vollmacht

Die gute Nachricht zuerst: Eine Vorsorge­vollmacht kann grundsätzlich jederzeit widerrufen werden, solange Sie als Vollmacht­geber:in geschäfts­fähig sind. Dies ist ein wichtiges Recht, das auf § 168 BGB basiert[1]. Der Widerruf ist auch bei notariell beurkundeten Vollmachten möglich[4].

Die Geschäfts­fähigkeit bedeutet in diesem Zusammen­hang, dass Sie die Bedeutung und Tragweite Ihrer Entscheidung verstehen und Ihr Handeln danach ausrichten können. Sind Sie nicht mehr geschäfts­fähig, wird der Widerruf komplizierter, aber nicht unmöglich - dazu später mehr.

Typische Gründe für den Widerruf einer Vorsorge­vollmacht

Menschen widerrufen ihre Vorsorge­vollmacht aus verschiedenen Gründen:

  • Das Vertrauens­verhältnis zur bevoll­mächtigten Person hat sich verschlechtert
  • Die bevoll­mächtigte Person kümmert sich nicht angemessen um Ihre Angelegen­heiten
  • Die bevoll­mächtigte Person handelt gegen Ihre Wünsche oder Interessen
  • Die bevoll­mächtigte Person ist selbst erkrankt oder verstorben
  • Es besteht der Verdacht auf Vollmachts­missbrauch
  • Sie möchten die Vollmacht ändern oder erweitern[1]

Beispiel: Frau Berger hatte vor Jahren ihrem Neffen eine Vorsorge­vollmacht erteilt. Nachdem er berufs­bedingt ins Ausland gezogen ist, möchte sie die Vollmacht widerrufen und stattdessen ihre Nachbarin bevoll­mächtigen, zu der sie ein vertrauens­volles Verhältnis aufgebaut hat.

Wer kann eine Vorsorge­vollmacht widerrufen?

Nicht jede Person darf eine bestehende Vorsorge­vollmacht außer Kraft setzen. Folgende Personen sind berechtigt:

  1. Sie selbst als Vollmacht­geber:in, solange Sie geschäfts­fähig sind
  2. Ein vom Betreuungs­gericht bestellter Kontroll­betreuer, wenn dieser ausdrücklich für die Überwachung der bevoll­mächtigten Person eingesetzt wurde[8]
  3. Erb:innen nach Ihrem Tod, wenn es sich um eine über den Tod hinausgehende (transmortale) Vollmacht handelt

Wichtig zu wissen: Die bevoll­mächtigte Person selbst kann die Vollmacht nicht widerrufen. Sie kann lediglich die Tätigkeit als Bevoll­mächtigte:r nieder­legen, wenn sie nicht mehr in dieser Funktion tätig sein möchte[3].

Voraus­setzungen für einen wirksamen Widerruf

Damit Ihr Widerruf rechtlich wirksam ist, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Geschäfts­fähigkeit zum Zeitpunkt des Widerrufs[1][10]
  • Keine entgegen­stehenden Regelungen in der ursprüng­lichen Vollmacht
  • Der Widerruf muss der bevoll­mächtigten Person zugestellt werden[1][4]

Der Widerruf ist grundsätzlich formlos möglich - er kann mündlich, schriftlich oder sogar durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Aus Beweis­gründen ist jedoch dringend eine schriftliche Form zu empfehlen[1].

Praktische Durch­führung des Widerrufs: Schritt für Schritt

1. Vorbereitung

Bevor Sie eine Vorsorge­vollmacht widerrufen, sollten Sie:

  • Sich vergewissern, dass Sie geschäfts­fähig sind
  • Die bestehende Vollmacht auf besondere Widerrufs­bedingungen prüfen
  • Überlegen, ob Sie eine neue Vorsorge­vollmacht errichten möchten (empfohlen)[4]

2. Widerrufs­erklärung verfassen

Eine schriftliche Widerrufs­erklärung sollte folgende Elemente enthalten:

  • Ihre vollständigen Personalien (Name, Geburts­datum, Adresse)
  • Die genaue Bezeichnung der zu widerrufenden Vollmacht (Datum, Name der bevoll­mächtigten Person)
  • Eine klare Widerrufs­erklärung
  • Datum und Ihre Unterschrift[1][2]

Muster einer Widerrufs­erklärung:


Widerruf einer Vorsorge­vollmacht

Ich, [Ihr vollständiger Name], geboren am [Geburtsdatum], wohnhaft in [Ihre Adresse],

widerrufe hiermit die am [Datum der Vollmachts­erteilung] erteilte Vorsorge­vollmacht an:

[Name der bevoll­mächtigten Person], geboren am [Geburtsdatum], wohnhaft in [Adresse].

Der Widerruf gilt für alle in der Vorsorge­vollmacht enthaltenen Befugnisse und tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.

[Ort, Datum]

[Ihre Unterschrift]


3. Zustellung der Widerrufs­erklärung

Senden Sie die Widerrufs­erklärung an die bevoll­mächtigte Person, vorzugs­weise per Einschreiben mit Rückschein[1][7]. So haben Sie einen Nachweis, dass die Person Ihren Widerruf erhalten hat.

4. Rückforderung aller Vollmachts­dokumente

Fordern Sie alle Original­dokumente und Kopien der Vollmacht zurück[1][5]. Die bevoll­mächtigte Person ist verpflichtet, sämtliche Ausfertigungen zurück­zugeben. Vernichten Sie diese anschließend oder versehen Sie sie mit einem deutlichen Vermerk “WIDERRUFEN am [Datum]”[5].

5. Information aller relevanten Stellen

Informieren Sie alle Stellen, bei denen die Vollmacht bekannt ist oder vorgelegt wurde:

  • Banken und Kredit­institute
  • Versicherungen
  • Ärzt:innen und Kranken­häuser
  • Behörden und Ämter
  • Pflegeein­richtungen[1][10]

6. Bei notariell beurkundeten Vollmachten: Notar informieren

Wenn Ihre Vollmacht notariell beurkundet wurde, informieren Sie unbedingt den Notar über den Widerruf. Der Notar vermerkt den Widerruf auf der bei ihm verbliebenen Urschrift der Urkunde. Dies verhindert, dass der Notar unwissent­lich weitere Ausfertigungen an die ehemals bevoll­mächtigte Person erteilt[4][5][7].

7. Eintragung im Vorsorge­register

Wenn Ihre Vorsorge­vollmacht im Zentralen Vorsorge­register der Bundes­notar­kammer registriert ist, müssen Sie auch dort den Widerruf eintragen lassen:

  • Melden Sie sich im Online-Portal des Vorsorge­registers an
  • Sie können zwischen einem teilweisen Widerruf (einzelne Vorsorge­angelegen­heiten oder bevoll­mächtigte Personen) und einem vollständigen Widerruf wählen
  • Nach der Bestätigung wird der Widerruf im Register vermerkt[5][12]

Besonderheiten bei eingeschränkter Geschäfts­fähigkeit oder Demenz

Eine besondere Situation entsteht, wenn der Vollmacht­geber bereits geschäfts­unfähig ist, beispiels­weise aufgrund einer Demenz­erkrankung:

  • Die Person kann die Vollmacht nicht mehr selbst wirksam widerrufen[1][3]
  • In diesem Fall kann das Betreuungs­gericht einen Kontroll­betreuer bestellen, der die Vollmacht widerrufen kann
  • Wichtig: Dem Betreuer muss der Aufgaben­bereich “Widerruf der Vorsorge­vollmacht” explizit zugewiesen werden[8][9]
  • Diese Maßnahme kommt nur in Betracht, “wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorge­vollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrschein­lichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt”

Rechtliche Folgen des Widerrufs

Nach einem wirksamen Widerruf:

  • Verliert die bevoll­mächtigte Person sofort ihre Vertretungs­befugnis
  • Darf sie keine Rechts­geschäfte mehr in Ihrem Namen abschließen
  • Wirkt der Widerruf auch gegenüber Dritten, sobald diese Kenntnis davon erlangt haben[1]

Wichtig: Bewahren Sie alle Nachweise über den Widerruf (Einschreiben­belege, Bestätigungen) sorgfältig auf, um im Streitfall belegen zu können, dass und wann Sie die Vollmacht widerrufen haben.

Praktische Checkliste: Vorsorge­vollmacht widerrufen

Nutzen Sie diese Checkliste, um sicher­zustellen, dass Sie alle wichtigen Schritte beim Widerruf Ihrer Vorsorge­vollmacht beachten:

□ Geschäfts­fähigkeit sicher­stellen
□ Schriftliche Widerrufs­erklärung verfassen
□ Widerruf per Einschreiben an bevoll­mächtigte Person senden
□ Vollmachts­dokumente zurück­fordern und vernichten
□ Banken, Versicherungen und andere Stellen informieren
□ Bei notariellen Vollmachten: Notar benachrichtigen
□ Bei registrierten Vollmachten: Widerruf im Vorsorge­register eintragen
□ Nachweise über den Widerruf aufbewahren
□ Gegebenenfalls neue Vorsorge­vollmacht erstellen[1][5][11]

Wann sollten Sie fachliche Beratung hinzuziehen?

Bei folgenden Situationen sollten Sie rechtliche Beratung in Anspruch nehmen:

  • Bei notariell beurkundeten Vollmachten
  • Bei Zweifeln an der Geschäfts­fähigkeit
  • Wenn die bevoll­mächtigte Person den Widerruf nicht akzeptiert
  • Bei Verdacht auf Vollmachts­missbrauch
  • Bei komplexen Vermögens­verhältnissen

Eine Beratung können Sie bei Rechts­anwält:innen mit Schwerpunkt Vorsorge­recht, Notar:innen oder auch bei Betreuungs­behörden und Betreuungs­vereinen erhalten.

Zusammen­fassung: Das Wichtigste zum Widerruf einer Vorsorge­vollmacht

Der Widerruf einer Vorsorge­vollmacht ist jederzeit möglich, solange Sie geschäfts­fähig sind. Für einen reibungs­losen Ablauf sollten Sie den Widerruf schriftlich erklären, alle Vollmachts­dokumente zurück­fordern, relevante Stellen informieren und bei notariellen Vollmachten den Notar benach­richtigen.

Besonders wichtig ist es, im Anschluss an den Widerruf zu überlegen, ob Sie eine neue Vorsorge­vollmacht errichten möchten - denn ohne eine solche müsste im Bedarfs­fall ein gesetzliches Betreuungs­verfahren eingeleitet werden.

Mit der richtigen Vorgehens­weise stellen Sie sicher, dass Ihre persönlichen Wünsche und Interessen auch in Zukunft gewahrt bleiben.