Wie kann ich eine Vorsorgevollmacht widerrufen?
Eine Vorsorgevollmacht kann jederzeit widerrufen werden, solange Sie geschäftsfähig sind. Der Widerruf sollte schriftlich erfolgen, der bevollmächtigten Person zugestellt und alle Vollmachtsdokumente zurückgefordert werden. Zusätzlich sollten relevante Stellen informiert und bei notariellen Vollmachten der Notar sowie das Vorsorgeregister benachrichtigt werden.
- Rechtliche Grundlagen zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht
- Typische Gründe für den Widerruf einer Vorsorgevollmacht
- Wer kann eine Vorsorgevollmacht widerrufen?
- Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf
- Praktische Durchführung des Widerrufs: Schritt für Schritt
- Besonderheiten bei eingeschränkter Geschäftsfähigkeit oder Demenz
- Rechtliche Folgen des Widerrufs
- Praktische Checkliste: Vorsorgevollmacht widerrufen
- Wann sollten Sie fachliche Beratung hinzuziehen?
- Zusammenfassung: Das Wichtigste zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht
Die Vorsorgevollmacht ist ein wichtiges Instrument zur rechtlichen Absicherung für den Fall, dass Sie einmal nicht mehr selbst entscheiden können. Doch manchmal ändern sich Lebensumstände oder Vertrauensverhältnisse, sodass ein Widerruf notwendig wird. Der folgende Artikel erklärt, wie Sie eine Vorsorgevollmacht rechtssicher zurücknehmen können und welche Schritte dabei zu beachten sind.
Rechtliche Grundlagen zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht
Die gute Nachricht zuerst: Eine Vorsorgevollmacht kann grundsätzlich jederzeit widerrufen werden, solange Sie als Vollmachtgeber:in geschäftsfähig sind. Dies ist ein wichtiges Recht, das auf § 168 BGB basiert[1]. Der Widerruf ist auch bei notariell beurkundeten Vollmachten möglich[4].
Die Geschäftsfähigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Sie die Bedeutung und Tragweite Ihrer Entscheidung verstehen und Ihr Handeln danach ausrichten können. Sind Sie nicht mehr geschäftsfähig, wird der Widerruf komplizierter, aber nicht unmöglich - dazu später mehr.
Typische Gründe für den Widerruf einer Vorsorgevollmacht
Menschen widerrufen ihre Vorsorgevollmacht aus verschiedenen Gründen:
- Das Vertrauensverhältnis zur bevollmächtigten Person hat sich verschlechtert
- Die bevollmächtigte Person kümmert sich nicht angemessen um Ihre Angelegenheiten
- Die bevollmächtigte Person handelt gegen Ihre Wünsche oder Interessen
- Die bevollmächtigte Person ist selbst erkrankt oder verstorben
- Es besteht der Verdacht auf Vollmachtsmissbrauch
- Sie möchten die Vollmacht ändern oder erweitern[1]
Beispiel: Frau Berger hatte vor Jahren ihrem Neffen eine Vorsorgevollmacht erteilt. Nachdem er berufsbedingt ins Ausland gezogen ist, möchte sie die Vollmacht widerrufen und stattdessen ihre Nachbarin bevollmächtigen, zu der sie ein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut hat.
Wer kann eine Vorsorgevollmacht widerrufen?
Nicht jede Person darf eine bestehende Vorsorgevollmacht außer Kraft setzen. Folgende Personen sind berechtigt:
- Sie selbst als Vollmachtgeber:in, solange Sie geschäftsfähig sind
- Ein vom Betreuungsgericht bestellter Kontrollbetreuer, wenn dieser ausdrücklich für die Überwachung der bevollmächtigten Person eingesetzt wurde[8]
- Erb:innen nach Ihrem Tod, wenn es sich um eine über den Tod hinausgehende (transmortale) Vollmacht handelt
Wichtig zu wissen: Die bevollmächtigte Person selbst kann die Vollmacht nicht widerrufen. Sie kann lediglich die Tätigkeit als Bevollmächtigte:r niederlegen, wenn sie nicht mehr in dieser Funktion tätig sein möchte[3].
Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf
Damit Ihr Widerruf rechtlich wirksam ist, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt des Widerrufs[1][10]
- Keine entgegenstehenden Regelungen in der ursprünglichen Vollmacht
- Der Widerruf muss der bevollmächtigten Person zugestellt werden[1][4]
Der Widerruf ist grundsätzlich formlos möglich - er kann mündlich, schriftlich oder sogar durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Aus Beweisgründen ist jedoch dringend eine schriftliche Form zu empfehlen[1].
Praktische Durchführung des Widerrufs: Schritt für Schritt
1. Vorbereitung
Bevor Sie eine Vorsorgevollmacht widerrufen, sollten Sie:
- Sich vergewissern, dass Sie geschäftsfähig sind
- Die bestehende Vollmacht auf besondere Widerrufsbedingungen prüfen
- Überlegen, ob Sie eine neue Vorsorgevollmacht errichten möchten (empfohlen)[4]
2. Widerrufserklärung verfassen
Eine schriftliche Widerrufserklärung sollte folgende Elemente enthalten:
- Ihre vollständigen Personalien (Name, Geburtsdatum, Adresse)
- Die genaue Bezeichnung der zu widerrufenden Vollmacht (Datum, Name der bevollmächtigten Person)
- Eine klare Widerrufserklärung
- Datum und Ihre Unterschrift[1][2]
Muster einer Widerrufserklärung:
Widerruf einer Vorsorgevollmacht
Ich, [Ihr vollständiger Name], geboren am [Geburtsdatum], wohnhaft in [Ihre Adresse],
widerrufe hiermit die am [Datum der Vollmachtserteilung] erteilte Vorsorgevollmacht an:
[Name der bevollmächtigten Person], geboren am [Geburtsdatum], wohnhaft in [Adresse].
Der Widerruf gilt für alle in der Vorsorgevollmacht enthaltenen Befugnisse und tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.
[Ort, Datum]
[Ihre Unterschrift]
3. Zustellung der Widerrufserklärung
Senden Sie die Widerrufserklärung an die bevollmächtigte Person, vorzugsweise per Einschreiben mit Rückschein[1][7]. So haben Sie einen Nachweis, dass die Person Ihren Widerruf erhalten hat.
4. Rückforderung aller Vollmachtsdokumente
Fordern Sie alle Originaldokumente und Kopien der Vollmacht zurück[1][5]. Die bevollmächtigte Person ist verpflichtet, sämtliche Ausfertigungen zurückzugeben. Vernichten Sie diese anschließend oder versehen Sie sie mit einem deutlichen Vermerk “WIDERRUFEN am [Datum]”[5].
5. Information aller relevanten Stellen
Informieren Sie alle Stellen, bei denen die Vollmacht bekannt ist oder vorgelegt wurde:
- Banken und Kreditinstitute
- Versicherungen
- Ärzt:innen und Krankenhäuser
- Behörden und Ämter
- Pflegeeinrichtungen[1][10]
6. Bei notariell beurkundeten Vollmachten: Notar informieren
Wenn Ihre Vollmacht notariell beurkundet wurde, informieren Sie unbedingt den Notar über den Widerruf. Der Notar vermerkt den Widerruf auf der bei ihm verbliebenen Urschrift der Urkunde. Dies verhindert, dass der Notar unwissentlich weitere Ausfertigungen an die ehemals bevollmächtigte Person erteilt[4][5][7].
7. Eintragung im Vorsorgeregister
Wenn Ihre Vorsorgevollmacht im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registriert ist, müssen Sie auch dort den Widerruf eintragen lassen:
Besonderheiten bei eingeschränkter Geschäftsfähigkeit oder Demenz
Eine besondere Situation entsteht, wenn der Vollmachtgeber bereits geschäftsunfähig ist, beispielsweise aufgrund einer Demenzerkrankung:
- Die Person kann die Vollmacht nicht mehr selbst wirksam widerrufen[1][3]
- In diesem Fall kann das Betreuungsgericht einen Kontrollbetreuer bestellen, der die Vollmacht widerrufen kann
- Wichtig: Dem Betreuer muss der Aufgabenbereich “Widerruf der Vorsorgevollmacht” explizit zugewiesen werden[8][9]
- Diese Maßnahme kommt nur in Betracht, “wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt”
Rechtliche Folgen des Widerrufs
Nach einem wirksamen Widerruf:
- Verliert die bevollmächtigte Person sofort ihre Vertretungsbefugnis
- Darf sie keine Rechtsgeschäfte mehr in Ihrem Namen abschließen
- Wirkt der Widerruf auch gegenüber Dritten, sobald diese Kenntnis davon erlangt haben[1]
Wichtig: Bewahren Sie alle Nachweise über den Widerruf (Einschreibenbelege, Bestätigungen) sorgfältig auf, um im Streitfall belegen zu können, dass und wann Sie die Vollmacht widerrufen haben.
Praktische Checkliste: Vorsorgevollmacht widerrufen
Nutzen Sie diese Checkliste, um sicherzustellen, dass Sie alle wichtigen Schritte beim Widerruf Ihrer Vorsorgevollmacht beachten:
□ Geschäftsfähigkeit sicherstellen
□ Schriftliche Widerrufserklärung verfassen
□ Widerruf per Einschreiben an bevollmächtigte Person senden
□ Vollmachtsdokumente zurückfordern und vernichten
□ Banken, Versicherungen und andere Stellen informieren
□ Bei notariellen Vollmachten: Notar benachrichtigen
□ Bei registrierten Vollmachten: Widerruf im Vorsorgeregister eintragen
□ Nachweise über den Widerruf aufbewahren
□ Gegebenenfalls neue Vorsorgevollmacht erstellen[1][5][11]
Wann sollten Sie fachliche Beratung hinzuziehen?
Bei folgenden Situationen sollten Sie rechtliche Beratung in Anspruch nehmen:
- Bei notariell beurkundeten Vollmachten
- Bei Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit
- Wenn die bevollmächtigte Person den Widerruf nicht akzeptiert
- Bei Verdacht auf Vollmachtsmissbrauch
- Bei komplexen Vermögensverhältnissen
Eine Beratung können Sie bei Rechtsanwält:innen mit Schwerpunkt Vorsorgerecht, Notar:innen oder auch bei Betreuungsbehörden und Betreuungsvereinen erhalten.
Zusammenfassung: Das Wichtigste zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht
Der Widerruf einer Vorsorgevollmacht ist jederzeit möglich, solange Sie geschäftsfähig sind. Für einen reibungslosen Ablauf sollten Sie den Widerruf schriftlich erklären, alle Vollmachtsdokumente zurückfordern, relevante Stellen informieren und bei notariellen Vollmachten den Notar benachrichtigen.
Besonders wichtig ist es, im Anschluss an den Widerruf zu überlegen, ob Sie eine neue Vorsorgevollmacht errichten möchten - denn ohne eine solche müsste im Bedarfsfall ein gesetzliches Betreuungsverfahren eingeleitet werden.
Mit der richtigen Vorgehensweise stellen Sie sicher, dass Ihre persönlichen Wünsche und Interessen auch in Zukunft gewahrt bleiben.