Was sind die Vorteile und Nachteile einer transmortalen Vorsorgevollmacht?
Eine transmortale Vorsorgevollmacht ermöglicht es, dass eine bevollmächtigte Person auch nach dem Tod des Vollmachtgebers handlungsfähig bleibt, um wichtige Aufgaben wie die Begleichung von Nachlasskosten oder die Verwaltung des Nachlasses zu übernehmen. Sie bietet Vorteile wie schnelle Handlungsfähigkeit und die Vermeidung von Verzögerungen durch Erbscheinverfahren, birgt jedoch Risiken wie Missbrauchspotenzial, weshalb eine sorgfältige Auswahl der Bevollmächtigten und eine rechtliche Beratung essenziell sind.
Eine transmortale Vorsorgevollmacht ermöglicht es dem Bevollmächtigten, auch nach dem Tod des Vollmachtgebers in dessen Namen zu handeln. Während eine gewöhnliche Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers erlischt, bleibt die transmortale Vollmacht bestehen und kann besonders in der Zeit unmittelbar nach dem Ableben eine wichtige Rolle spielen. Im Folgenden erfahren Sie, welche Vorteile eine solche Vollmacht bietet, aber auch welche Risiken damit verbunden sind und wie Sie sich davor schützen können.
Was ist eine transmortale Vorsorgevollmacht?
Eine transmortale Vorsorgevollmacht ist eine Vollmacht, die auch nach dem Tod des Vollmachtgebers wirksam bleibt. Der Begriff “transmortal” bedeutet “über den Tod hinaus”. Im Rahmen einer solchen Vollmacht trifft der Vollmachtgeber Regelungen, wie eine Vertretung für den Fall der eigenen Handlungsunfähigkeit aussehen soll, wobei die Geltung der Vollmacht über den Tod hinaus ausdrücklich angeordnet wird[1].
Die Vollmacht bleibt so lange gültig, bis sie von den Erb:innen widerrufen wird. Der Bevollmächtigte kann dadurch auch nach dem Tod des Vollmachtgebers weiterhin rechtswirksame Handlungen vornehmen, beispielsweise Bankgeschäfte tätigen oder Verträge kündigen.
Wichtig zu wissen: Die transmortale Vorsorgevollmacht ist keine eigene Vollmachtsart, sondern eine gewöhnliche Vorsorgevollmacht mit dem Zusatz, dass sie über den Tod hinaus gelten soll. Sie können diesen Zusatz in Ihrer Vorsorgevollmacht einfach festhalten, ohne dass dafür eine spezielle Form erforderlich ist[.
Vorteile einer transmortalen Vorsorgevollmacht
Überbrückung der Zeit bis zur Erbscheinserteilung
Ein wesentlicher Vorteil der transmortalen Vorsorgevollmacht ist die Überbrückung des Zeitraums bis zur Erbscheinserteilung. Nach einem Todesfall kann es mehrere Monate dauern, bis ein Erbschein ausgestellt wird. In dieser Zeit haben die Erb:innen ohne Vollmacht keine Möglichkeit, auf das Vermögen des Verstorbenen zuzugreifen[1]. Mit einer transmortalen Vollmacht kann der Bevollmächtigte hingegen sofort handeln.
Begleichung von Nachlasskosten
Mit einer transmortalen Vollmacht kann der Bevollmächtigte weiterhin auf das Erblasservermögen zugreifen, was besonders wichtig ist, um Nachlasskosten zu begleichen. Hierzu gehören beispielsweise:
Beerdigungskosten: Diese fallen unmittelbar nach dem Tod an und müssen zeitnah beglichen werden.
Laufende Kosten: Mietzahlungen, Versicherungsbeiträge oder Kreditraten müssen weiterhin pünktlich gezahlt werden.
Verwaltungskosten: Kosten für die Verwaltung des Nachlasses können ebenfalls anfallen[1].
Vermeidung einer gesetzlichen Betreuung
Durch eine Vorsorgevollmacht können Sie die Anordnung einer gesetzlichen Betreuung vermeiden. Ein vom Betreuungsgericht eingesetzter Betreuer ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht erforderlich, wenn ein Bevollmächtigter Ihre Angelegenheiten im Ernstfall ebenso gut regeln kann. Dies stärkt Ihr Recht auf Selbstbestimmung[2].
Vereinfachung von Grundstücksgeschäften
In bestimmten Fällen kann bei Vorhandensein einer transmortalen Vollmacht auf einen Erbschein verzichtet werden, was besonders bei Grundstücksgeschäften von Vorteil sein kann. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einem Beschluss vom 25.03.2024 entschieden, dass eine transmortale Vollmacht auch nach dem Tod des Vollmachtgebers wirksam bleibt und somit Verfügungen über ein Grundstück wirksam vorgenommen werden können[3].
Nachteile und Risiken einer transmortalen Vorsorgevollmacht
Missbrauchsrisiko
Ein erhebliches Risiko der transmortalen Vorsorgevollmacht ist das Missbrauchspotenzial. Die Vollmacht kann außerhalb des Vorsorgefalls und nach außen hin wirksam auch gegen den Willen des Vollmachtgebers eingesetzt werden[1]. Der Bevollmächtigte erhält weitreichende Befugnisse und unterliegt dabei keiner gerichtlichen Kontrolle[9].
Ein Beispiel für einen Missbrauchsfall findet sich in einer Entscheidung des OLG Köln, bei dem der Sohn der Vollmachtgeberin das Eigentum an ihrem Grundstück gegen den ausdrücklichen Willen seiner Mutter auf sich selbst umschreiben ließ. Er handelte aufgrund einer ihm erteilten General- und Vorsorgevollmacht, die das Recht enthielt, die Mutter auch bei Geschäften mit sich selbst zu vertreten[9].
Unsicherheiten im Ausland
Ein weiterer Nachteil der transmortalen Vorsorgevollmacht ist, dass ihre Anerkennung im Ausland nicht sichergestellt ist[1]. Dies kann zu Problemen führen, wenn der Nachlass auch im Ausland befindliches Vermögen umfasst oder wenn der Bevollmächtigte im Ausland Rechtsgeschäfte vornehmen muss.
Verhältnis zur Testamentsvollstreckung
Komplikationen können entstehen, wenn der Vollmachtgeber in seiner letztwilligen Verfügung zusätzlich eine Testamentsvollstreckung anordnet. Es stellt sich dann die Frage, wem letztlich das Recht zur Verwaltung des Nachlasses zustehen soll - dem Bevollmächtigten oder dem Testamentsvollstrecker[5].
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine transmortale Vollmacht grundsätzlich auch im Außenverhältnis selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen kann. Es ist jedoch im Einzelfall zu ermitteln, ob und inwieweit der Erblasser voneinander unabhängige Machtbefugnisse des Bevollmächtigten und des Testamentsvollstreckers begründen wollte[5].
Konfusion bei Alleinerbenstellung
Eine transmortale Vollmacht erlischt grundsätzlich, wenn der Bevollmächtigte Alleinerbe des Vollmachtgebers wird. Dies beruht auf dem Grundsatz der Konfusion, also dem Zusammenfallen von Rechten und Pflichten in einer Person[3]. Das OLG Nürnberg hat jedoch entschieden, dass die Legitimationswirkung einer transmortalen Vollmacht trotz Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten fortbestehen kann, solange keine entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen vorliegen[3].
Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch
Sorgfältige Auswahl des Bevollmächtigten
Um das Missbrauchsrisiko zu verringern, sollte die Vollmacht nur an Personen erteilt werden, denen man uneingeschränkt vertraut[1][9]. Vertrauen ist die Grundlage jeder Vorsorgevollmacht, insbesondere wenn sie transmortal ausgestaltet ist.
Gestaltungsmöglichkeiten in der Vollmacht
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine transmortale Vorsorgevollmacht so zu gestalten, dass das Missbrauchsrisiko minimiert wird:
Einschränkung der Befugnisse: Sie können genau festlegen, was Ihr Bevollmächtigter tun darf und was nicht. Beispielsweise könnten Sie die Vollmacht auf bestimmte Konten oder auf bestimmte Arten von Rechtsgeschäften beschränken.
Mehrere Bevollmächtigte: Sie können vorsehen, dass ein Bevollmächtigter bei Geschäften von besonderer Tragweite nicht allein agieren kann, sondern die Mitwirkung eines zweiten Bevollmächtigten erforderlich ist. Diese Beschränkung empfiehlt sich etwa bei Grundstücksgeschäften oder unternehmerischen Entscheidungen ab einer definierten Größenordnung. Die Einsetzung mehrerer Bevollmächtigter führt zu einer gegenseitigen Kontrolle[9].
Kontrollbevollmächtigter: Sie können bei Erteilung der Vollmacht einen “Kontrollbevollmächtigten” benennen, dessen einzige Aufgabe darin besteht, den Hauptbevollmächtigten zu überwachen und ihm die Vollmacht nötigenfalls zu entziehen[9].
Gesetzliche Schutzmaßnahmen
Solange der Vollmachtgeber noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, kann er die Vollmacht jederzeit widerrufen und vom Bevollmächtigten die Herausgabe der Vollmachtsurkunde verlangen. Nach dem Tod des Vollmachtgebers haben die Erb:innen die gleichen Befugnisse und können dem Bevollmächtigten die Vertretungsbefugnis entziehen[9].
Ist der Vollmachtgeber nicht mehr handlungsfähig, kann er die Vollmacht nicht mehr selbst widerrufen. Für diesen Fall sieht der 2023 eingeführte § 1820 Absatz 3 BGB vor, dass auf Anregung eines Dritten ein sogenannter Kontrollbetreuer gerichtlich bestellt werden kann, der die Rechte des Vollmachtgebers gegenüber dem Bevollmächtigten wahrnimmt. Der Kontrollbetreuer kann Auskunft und Rechenschaftslegung vom Bevollmächtigten verlangen und auch die ihm erteilte Vollmacht ganz oder teilweise widerrufen[9].
Form und Gestaltungshinweise
Formvorschriften
Eine Vorsorgevollmacht, auch wenn sie über den Tod hinaus gelten soll, kann grundsätzlich formfrei erteilt werden. Für bestimmte Rechtsgeschäfte sind jedoch besondere Formvorschriften zu beachten:
Grundstücksgeschäfte: Für den Erwerb oder Verkauf von Immobilien ist eine notarielle Beglaubigung der Vollmacht erforderlich.
Bankgeschäfte: Viele Banken akzeptieren nur Vollmachten auf ihren eigenen Formularen oder verlangen eine notarielle Beglaubigung.
Empfehlungen zur Formulierung
Für eine wirksame transmortale Vorsorgevollmacht müssen Sie in der Vollmachtsurkunde ausdrücklich festhalten, dass die Vollmacht über den Tod hinaus gelten soll. Eine mögliche Formulierung könnte lauten:
“Diese Vollmacht gilt über meinen Tod hinaus und erlischt nicht mit meinem Ableben.”
Notarielle Beurkundung
Obwohl eine notarielle Beurkundung für eine transmortale Vorsorgevollmacht nicht zwingend erforderlich ist, kann sie in vielen Fällen sinnvoll sein:
Beratungsfunktion: Der Notar berät umfassend über die Folgen der Vollmachtserteilung und hilft bei der Vermeidung von Formulierungsfehlern.
Beweissicherheit: Die notarielle Beurkundung schafft ein höheres Maß an Beweissicherheit.
Akzeptanz: Eine notariell beurkundete Vollmacht wird von Banken, Behörden und Grundbuchämtern eher akzeptiert als eine privatschriftliche Vollmacht.
Praktische Tipps
Überprüfung der persönlichen Situation
Bevor Sie eine transmortale Vorsorgevollmacht erteilen, sollten Sie Ihre persönliche Situation genau überprüfen. Stellen Sie sich folgende Fragen:
Wer soll bevollmächtigt werden? Die Person sollte absolut vertrauenswürdig sein und bereit sein, die Verantwortung zu übernehmen.
Welche Befugnisse sind notwendig? Überlegen Sie genau, welche Befugnisse der Bevollmächtigte haben soll und welche nicht.
Gibt es alternative Lösungen? In manchen Fällen kann auch eine Testamentsvollstreckung oder eine andere Form der Nachlassplanung sinnvoller sein.
Regelmäßige Überprüfung
Eine transmortale Vorsorgevollmacht sollte regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Lebensumstände ändern sich, Vertrauensverhältnisse können sich wandeln, und auch rechtliche Rahmenbedingungen unterliegen Veränderungen.
Fachliche Beratung
Vorsorgevollmachten zu gestalten, ist nicht ganz einfach. Die Vollmacht sollte zu Ihnen und Ihrem Leben passen. Da Sie Ihr Leben individuell führen, eignen sich fertige Muster oft wenig für wichtige Weichenstellungen im Bereich der Vorsorge. Lassen Sie sich rechtlich beraten. Die rechtliche Beratung zahlt sich aus, denn Fehler, die bei der Ausgestaltung der Vollmacht unterlaufen, lassen sich, wenn der Ernstfall eingetreten ist, meist nur schwer oder gar nicht mehr korrigieren[2].
Fazit
Eine transmortale Vorsorgevollmacht kann ein wertvolles Instrument der Vorsorge sein, das die Zeit bis zur Erbscheinserteilung überbrückt und die Verwaltung des Nachlasses sichert. Sie bietet Vorteile wie die sofortige Handlungsfähigkeit nach dem Tod des Vollmachtgebers, die Begleichung von Nachlasskosten und die mögliche Vermeidung eines Erbscheins.
Gleichzeitig birgt sie jedoch auch Risiken, insbesondere das Missbrauchspotenzial. Diesen Risiken kann durch eine sorgfältige Auswahl des Bevollmächtigten, geeignete Gestaltungsmöglichkeiten in der Vollmacht und die Kenntnis der gesetzlichen Schutzmaßnahmen begegnet werden.
Ob eine transmortale Vorsorgevollmacht für Sie persönlich sinnvoll ist, hängt von Ihren individuellen Umständen ab. Eine fachkundige Beratung kann Ihnen helfen, die für Sie passende Lösung zu finden und mögliche Fallstricke zu vermeiden.