Welche Risiken bestehen bei der Befreiung von § 181 BGB in einer Vorsorgevollmacht?
Die Befreiung von § 181 BGB in einer Vorsorgevollmacht erlaubt dem Bevollmächtigten, Rechtsgeschäfte mit sich selbst abzuschließen, birgt jedoch erhebliche Missbrauchsgefahren wie Selbstbereicherung oder Interessenskonflikte. Um Risiken zu minimieren, sollten Sie die bevollmächtigte Person sorgfältig auswählen, Kontrollmechanismen wie Auskunftspflichten oder Kontrollbevollmächtigte einrichten und die Befreiung gegebenenfalls einschränken. Eine rechtliche Beratung hilft, die Vollmacht individuell und sicher zu gestalten.
- Was bedeutet § 181 BGB und welche Schutzfunktion hat er?
- Die Befreiung von § 181 BGB in der Vorsorgevollmacht
- Welche Risiken entstehen durch die Befreiung?
- Alltagssituationen mit erhöhtem Risiko
- Schutzmechanismen gegen Missbrauch
- Rechtliche Maßnahmen bei Missbrauch
- Empfehlungen für Ihre Entscheidung
- Fazit
Die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB in einer Vorsorgevollmacht gibt dem Bevollmächtigten weitreichende Befugnisse, die mit erheblichen Risiken verbunden sein können. Eine solche Befreiung ermöglicht dem Bevollmächtigten, in Ihrem Namen Rechtsgeschäfte mit sich selbst abzuschließen - ein Umstand, der sorgfältig bedacht werden sollte. Der folgende Artikel erläutert die damit verbundenen Risiken und zeigt auf, wie Sie sich vor möglichem Missbrauch schützen können.
Was bedeutet § 181 BGB und welche Schutzfunktion hat er?
§ 181 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) verbietet grundsätzlich das sogenannte Insichgeschäft. Das bedeutet: Ein Vertreter - also auch ein Bevollmächtigter - darf normalerweise keine Rechtsgeschäfte im Namen des Vertretenen mit sich selbst abschließen. Dieser Paragraf soll vor Interessenkonflikten und Missbrauch schützen, indem er verhindert, dass der Bevollmächtigte sich selbst bevorteilt.
Ein Beispiel: Wenn Ihre Tochter Ihre Bevollmächtigte ist, dürfte sie ohne Befreiung von § 181 BGB nicht Ihr Auto an sich selbst verkaufen oder Ihr Sparbuch auf ihren Namen umschreiben lassen.
Die Befreiung von § 181 BGB in der Vorsorgevollmacht
Bei einer Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB in einer Vorsorgevollmacht entfällt dieses Verbot. Die bevollmächtigte Person darf dann im Namen der vollmachtgebenden Person Rechtsgeschäfte mit sich selbst oder als Vertreter:in eines Dritten abschließen[3].
In notariellen Vorsorgevollmachten ist eine solche Befreiung häufig standardisiert enthalten[6]. Die Formulierung lautet meist: “Der Bevollmächtigte wird von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.”
Welche Risiken entstehen durch die Befreiung?
Die Befreiung von § 181 BGB birgt erhebliche Missbrauchsgefahren. Das zeigen auch aktuelle Statistiken: Etwa jeder zehnte ältere Mensch in Deutschland wird Opfer finanzieller Ausbeutung - oft durch Personen, denen eine Vollmacht erteilt wurde[2].
Konkretes Missbrauchspotenzial
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Selbstbereicherung: Der Bevollmächtigte könnte sich Vermögenswerte des Vollmachtgebers aneignen, indem er beispielsweise:
- Immobilien auf sich selbst überträgt
- Bankkonten leerräumt
- Wertgegenstände “verkauft”
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Interessenkonflikte: Bei Rechtsgeschäften zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem stehen häufig gegensätzliche Interessen im Raum. Die bevollmächtigte Person könnte dann ihre eigenen Interessen über jene des Vollmachtgebers stellen.
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Mangelnde Kontrolle: Anders als bei einer gerichtlich angeordneten Betreuung unterliegt ein Bevollmächtigter keiner gerichtlichen Aufsicht[1]. Dies erhöht das Risiko von Missbrauch zusätzlich.
Beispiel aus der Rechtsprechung
Ein eindrückliches Beispiel zeigt eine Entscheidung des OLG Köln aus dem Jahr 2023: Ein Sohn ließ das Grundstück seiner Mutter gegen ihren ausdrücklichen Willen auf sich selbst umschreiben. Dies war ihm möglich, weil er eine General- und Vorsorgevollmacht mit Befreiung von § 181 BGB besaß[1].
Alltagssituationen mit erhöhtem Risiko
Besonders kritisch wird die Befreiung von § 181 BGB in folgenden Situationen:
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Wenn große Vermögenswerte vorhanden sind: Bei Immobilienbesitz, umfangreichen Geldanlagen oder Unternehmensbeteiligungen steigt das Risiko.
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Bei Pflegebedürftigkeit: Wenn Sie auf Hilfe angewiesen und nicht mehr voll entscheidungsfähig sind, können Sie die Handlungen des Bevollmächtigten kaum überprüfen.
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Bei familiären Konflikten: Wenn beispielsweise komplizierte Erbsituationen oder Streitigkeiten unter Geschwistern bestehen, kann eine Befreiung von § 181 BGB problematisch sein.
Schutzmechanismen gegen Missbrauch
Sie können verschiedene Vorkehrungen treffen, um das Missbrauchsrisiko zu minimieren:
1. Sorgfältige Auswahl des Bevollmächtigten
Die Person Ihres Vertrauens sorgfältig auswählen - dies ist die wichtigste Schutzmaßnahme überhaupt. Fragen Sie sich:
- Besteht ein langjähriges, gefestigtes Vertrauensverhältnis?
- Ist die Person charakterlich gefestigt und verantwortungsbewusst?
- Verfügt sie über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten?
2. Mehrere Bevollmächtigte einsetzen
Sie können anordnen, dass bei bestimmten Rechtsgeschäften zwei Bevollmächtigte gemeinsam handeln müssen[1]. Dies schafft ein Vier-Augen-Prinzip und gegenseitige Kontrolle. Besonders bei Grundstücksgeschäften oder größeren finanziellen Transaktionen kann diese Maßnahme sinnvoll sein.
3. Kontrollbevollmächtigten ernennen
Eine weitere Möglichkeit ist die Ernennung eines Kontrollbevollmächtigten[1]. Dessen Aufgabe besteht ausschließlich darin, die Handlungen des Hauptbevollmächtigten zu überwachen und ihm notfalls die Vollmacht zu entziehen, wenn Sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind.
4. Einschränkung der Befreiung
Die Befreiung von § 181 BGB muss nicht pauschalisiert sein. Sie können sie auf bestimmte Bereiche beschränken[2]. Beispielsweise könnten Sie festlegen, dass die Befreiung nur für Bankgeschäfte, nicht aber für Immobilientransaktionen gilt.
5. Auskunfts- und Rechenschaftspflichten
Legen Sie in der Vollmacht ausdrücklich fest, dass der Bevollmächtigte regelmäßig Auskunft über seine Handlungen erteilen und Belege für Transaktionen vorlegen muss - entweder Ihnen selbst oder einem von Ihnen bestimmten Dritten[1].
Rechtliche Maßnahmen bei Missbrauch
Sollte es trotz aller Vorsicht zu einem Missbrauch kommen, gibt es folgende rechtliche Schutzmechanismen:
1. Widerruf der Vollmacht
Solange Sie noch im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte sind, können Sie die Vollmacht jederzeit widerrufen und die Herausgabe der Vollmachtsurkunde verlangen[1].
2. Kontrollbetreuer
Wenn Sie nicht mehr handlungsfähig sind, kann auf Anregung eines Dritten (z.B. eines Familienangehörigen) ein Kontrollbetreuer gerichtlich bestellt werden. Dieser kann:
- vom Bevollmächtigten Auskunft und Rechenschaftslegung verlangen
- die Vollmacht ganz oder teilweise widerrufen (als letztes Mittel und mit Zustimmung des Betreuungsgerichts)[1][4]
3. Rechtliche Konsequenzen für den Bevollmächtigten
Bei nachweisbarem Missbrauch drohen dem Bevollmächtigten zivil- und strafrechtliche Konsequenzen wie:
- Schadenersatzansprüche
- Strafverfolgung wegen Untreue oder Betrugs
Empfehlungen für Ihre Entscheidung
Ob eine Befreiung von § 181 BGB sinnvoll ist, hängt von Ihrer individuellen Situation ab. Folgende Aspekte sollten Sie abwägen:
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Vertrauensverhältnis: Besteht ein uneingeschränktes Vertrauen zum Bevollmächtigten, können die praktischen Vorteile überwiegen.
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Praktische Notwendigkeit: In manchen Familiensituationen kann eine Befreiung sinnvoll sein, etwa wenn gemeinsames Eigentum besteht oder der Bevollmächtigte ohnehin erbberechtigt ist.
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Alternative Kontrollmechanismen: Wenn Sie andere Schutzvorkehrungen wie mehrere Bevollmächtigte oder einen Kontrollbevollmächtigten vorsehen, sinkt das Risiko.
Tipp: Lassen Sie sich bei der Erstellung Ihrer Vorsorgevollmacht von einer Fachperson beraten - etwa von Notar:innen oder spezialisierter Rechtsberatung. Diese kann Ihnen helfen, die Vollmacht so zu gestalten, dass sie Ihren persönlichen Bedürfnissen entspricht und gleichzeitig maximalen Schutz bietet.
Fazit
Die Befreiung von § 181 BGB in einer Vorsorgevollmacht ist ein zweischneidiges Schwert: Sie bietet praktische Vorteile, birgt aber gleichzeitig erhebliche Risiken. Mit sorgfältiger Auswahl des Bevollmächtigten und durchdachten Schutzmechanismen können Sie diese Risiken minimieren. Letztlich bleibt es eine höchst persönliche Entscheidung, ob Sie diese Befreiung erteilen möchten - eine Entscheidung, die auf Ihrem individuellen Vertrauensverhältnis und Ihrer persönlichen Situation basieren sollte.