Was passiert, wenn keine Vorsorgevollmacht existiert?

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Zusammenfassung

Wenn keine Vor­sorge­voll­macht vor­liegt, kann niemand aus Ihrem persön­lichen Umfeld auto­matisch Ent­scheidungen für Sie treffen - stattdessen setzt das Gericht eine:n gesetz­liche:n Betreuer:in ein, der oder die unter gericht­licher Kontrolle steht. Dies kann zu Verzögerungen, zusätzlichem büro­kratischem Aufwand und Ent­scheidungen führen, die nicht Ihren Wünschen entsprechen. Mit einer Vor­sorge­voll­macht bestimmen Sie selbst, wer Sie im Ernstfall vertreten darf.

Eine fehlende Vor­sorge­voll­macht kann weit­reichende Kon­sequenzen haben. Wenn Sie durch Krank­heit, Demenz oder einen Unfall nicht mehr in der Lage sind, eigen­ständig Ent­schei­dungen zu treffen, greift ohne ent­sprechende Voll­macht ein gesetz­liches Ver­fahren. Viele Menschen gehen fälsch­licher­weise davon aus, dass Ehe­partner:innen oder nahe Ange­hörige auto­matisch ent­scheiden dürfen - doch das stimmt nicht. Erfahren Sie, welche Folgen das haben kann und wie Sie vor­sorgen können.

Grund­legendes zur recht­lichen Situa­tion

Ehe­partner oder Ange­hörige sind nicht auto­matisch bevoll­mächtigt. Dies ist ein weit ver­breiteter Irr­tum mit schwer­wiegenden Folgen. Selbst lang­jährige Ehe­part­ner:­innen oder erwach­sene Kinder können ohne Voll­macht keine recht­lich wirk­samen Ent­schei­dungen für Sie treffen[1][6]. Das Selbst­bestim­mungs­recht gilt für jeden Menschen - auch wenn er ver­heiratet ist oder nahe Ver­wandte hat.

Wenn Sie geschäfts­unfähig werden und keine Vor­sorge­voll­macht besteht, wird ein recht­liches Be­treuungs­ver­fahren ein­geleitet. Das Betreu­ungs­gericht bestellt dann eine Person, die für Sie ent­scheidet - einen gesetz­lichen Betreuer oder eine gesetz­liche Be­treuerin[3][5].

Die gesetz­liche Be­treuung: Wenn das Gericht ent­scheidet

Fehlt eine Vor­sorge­voll­macht, ordnet das Betreu­ungs­gericht eine recht­liche Be­treuung an. Der Prozess läuft typischer­weise so ab:

  1. Das Gericht wird infor­miert (z.B. durch Klinik, Heim oder Ange­hörige)
  2. Ein ärzt­liches Gut­achten wird ein­geholt
  3. Das Gericht bestimmt eine:n Betreuer:in

Angehörige werden nicht zwangs­läufig als Betreuer:innen ein­gesetzt. Oft werden zwar Familien­mit­glieder vom Gericht be­nannt, aber dies ist keine Selbst­verständlich­keit. Das Gericht kann auch fremde Dritte als Be­treuer:innen be­stimmen[1][5].

Ein:e gesetz­liche:r Betreuer:in unter­steht der Kon­trolle des Gerichts und muss regel­mäßig Rechen­schaft ab­legen[5]. Diese Kon­trolle kann einer­seits Schutz bieten, ander­erseits aber auch büro­kratischen Mehr­aufwand be­deuten.

Praktische Aus­wirkungen im Alltag

Ohne Vor­sorge­voll­macht können all­tägliche Ange­legen­heiten plötz­lich zu großen Hürden werden:

Finanzielle Ent­scheidungen

Gemeinsame Konten können “ein­frieren”. Selbst bei Ehe­leuten mit gemein­samen Konten kann der gesunde Partner ohne Voll­macht keinen Zugriff mehr haben[1]. Dies kann zu erheb­lichen Schwierig­keiten führen:

  • Keine Über­weisungen möglich (z.B. für Miete oder Versicherungen)
  • Kein Abheben von Bargeld
  • Keine Ver­waltung von Wert­papieren oder Sparguthaben

Beispiel: Frau Schmidt erleidet einen Schlag­anfall und ist nicht mehr an­sprech­bar. Ihr Ehe­mann möchte die Pflege­kosten vom gemein­samen Konto be­zahlen, erhält jedoch keinen Zugang mehr, da keine Vor­sorge­voll­macht existiert.

Medizinische Ent­scheidungen

Bei medi­zinischen Fragen können ohne Voll­macht eben­falls Probleme auf­treten. Ärzte sind dann ver­pflichtet, alle medi­zinisch not­wendigen Maß­nahmen ein­zuleiten, bis eine Ent­scheidung durch eine:n Be­treuer:in ge­troffen werden kann[6].

Das bedeutet:

  • Behandlungs­methoden können nicht von Ange­hörigen ab­gelehnt werden
  • Keine Ent­scheidung über lebens­erhaltende Maß­nahmen durch Familie
  • Kein Ein­blick in Kranken­akten für Ange­hörige

Bei einem Unfall mit schweren Folgen hätten Sie ohne Vor­sorge­voll­macht keinen Ein­fluss darauf, wer in Ihrem Namen ent­scheidet. Dies kann zu Be­hand­lungen führen, die mög­licher­weise nicht Ihren Wünschen ent­sprechen.

Wohnungs­angelegenheiten

Auch bei Wohnungs­angelegenheiten kann es zu Schwierig­keiten kommen:

  • Kein Zugang zur Wohnung für Ange­hörige ohne Schlüssel
  • Keine Kündigungs­möglichkeit der Wohnung
  • Keine Um­zugs­ent­scheidung in eine Pflege­ein­richtung ohne gericht­liche Ge­neh­migung

Die Familie wird handlungs­unfähig

Ohne Vor­sorge­voll­macht kann die Familie in eine schwierige Lage geraten. Die Hand­lungs­fähig­keit der Ange­hörigen wird stark ein­geschränkt[1]. Selbst kleinere Ent­scheidungen, die selbst­verständlich er­scheinen, müssen durch den:die Betreuer:in oder das Gericht ge­nehmigt werden[1].

Beispiele aus dem Alltag:

  • Die Bezahlung des Führer­scheins für das Kind kann ab­gelehnt werden
  • Die Finan­zierung der Miet­wohnung am Studien­ort könnte in Frage gestellt werden
  • Verträge können nicht mehr unter­zeichnet werden

Die Rolle des:der gesetz­lichen Betreuer:in

Ein:e gesetz­liche:r Betreuer:in wird vom Gericht für be­stimmte Aufgaben­bereiche bestellt. Typische Bereiche sind:

  • Gesund­heits­sorge
  • Vermögens­verwaltung
  • Behörden­vertretung
  • Aufenthalts­bestimmung

Anders als ein:e selbst­gewählte:r Bevoll­mächtigte:r steht der:die gesetz­liche Betreuer:in unter gericht­licher Auf­sicht. Das bedeutet:

  • Regel­mäßige Bericht­erstattung ans Gericht
  • Ge­neh­migungs­pflicht bei wich­tigen Ent­scheidungen
  • Be­schränkte Ent­scheidungs­freiheit

Dies kann Schutz bieten, aber auch zu Ver­zögerungen führen und die Um­setzung Ihrer per­sönlichen Wünsche er­schweren.

Recht­liche Grund­lagen und Ent­scheidungs­kriterien

Die Einrichtung einer Be­treuung ist im Bürger­lichen Gesetz­buch (BGB) ge­regelt. Voraus­setzung ist, dass eine voll­jährige Person auf­grund einer psy­chischen Krank­heit oder einer körper­lichen, geistigen oder see­lischen Be­hinderung ihre Ange­legen­heiten ganz oder teil­weise nicht mehr selbst be­sorgen kann[2].

Grund­sätzlich gilt: Eine Be­treuung darf nur ein­gerichtet werden, wenn sie er­forder­lich ist[2]. Laut Bundes­gerichts­hof sollen “ver­bliebene Reste der Selbst­bestimmung Fürsorge­bedürftiger ge­wahrt und ge­fördert” werden[2].

Was Sie tun können: Die Vor­sorge­voll­macht als Lösung

Um die be­schriebenen Probleme zu ver­meiden, sollten Sie früh­zeitig eine Vor­sorge­voll­macht er­stellen. Mit dieser Voll­macht be­stimmen Sie selbst, wer für Sie ent­scheiden darf, wenn Sie es nicht mehr können.

Vorteile einer Vor­sorge­voll­macht:

  • Sie wählen Ihre Ver­trauens­person selbst aus
  • Sie legen fest, welche Ent­schei­dungen die Person treffen darf
  • Sie ver­meiden ein gericht­liches Ver­fahren
  • Sie stärken Ihr Selbst­bestimmungs­recht
  • Sie ent­lasten Ihre Ange­hörigen und die Gerichte[2]

Was gehört in eine Vor­sorge­voll­macht?

Eine wirk­same Vor­sorge­voll­macht sollte folgende Punkte ent­halten:

  • Per­sönliche Daten: Voll­ständiger Name, Geburts­datum und Anschrift von Ihnen und der bevoll­mächtigten Person[3]
  • Aufgaben­bereiche: Fest­legung, in welchen Bereichen die Voll­macht gelten soll (z.B. Gesund­heits­sorge, Vermögens­verwaltung, Behörden­angelegenheiten)[3][4]
  • Gültig­keits­zeitraum: Wann die Voll­macht in Kraft tritt und wie lange sie gültig ist
  • Anweisungen: Konkrete Vor­gaben, wie in be­stimmten Situa­tionen ge­handelt werden soll

Wichtige Hin­weise zur Er­stellung:

  • Vorsicht bei Internet-Formularen: Diese sind recht­lich oft nicht ge­prüft und mög­licher­weise an­fecht­bar[1]
  • Beratung in Anspruch nehmen: Ein Gespräch mit Fach­anwält:innen sichert die Rechts­gültig­keit ab
  • Be­glaubigung erwägen: Für be­stimmte Rechts­geschäfte (z.B. Grund­stücks­angelegen­heiten) ist eine Be­urkun­dung erforder­lich[4]

Praktische Schritte zur Vorsorge

  1. Vertrauens­person aus­wählen: Sprechen Sie mit der Person, die Sie bevoll­mächtigen möchten
  2. Umfang fest­legen: Über­legen Sie genau, welche Bereiche die Voll­macht um­fassen soll
  3. Dokument er­stellen: Nutzen Sie seriöse Vorlagen (z.B. von Ver­braucher­zentralen) oder lassen Sie sich juristisch beraten
  4. Unter­schrift: Die Voll­macht muss hand­schrift­lich unter­zeichnet werden
  5. Auf­bewahrung: Be­wahren Sie das Original an einem sicheren Ort auf und informieren Sie die bevoll­mächtigte Person über den Stand­ort
  6. Hinter­legung prüfen: Eine Ein­tragung im Zen­tralen Vor­sorge­register der Bundes­notar­kammer kann sinn­voll sein

Checkliste: Wann sollten Sie handeln?

Eine Vor­sorge­voll­macht ist be­sonders sinn­voll:

□ Vor ge­planten Kranken­haus­aufent­halten
□ Bei fort­schreitenden Er­krankungen
□ Ab dem 18. Lebens­jahr (auch für junge Er­wachsene!)
□ Bei Risiko­sport­arten oder gefähr­lichen Berufen
□ Generell ab dem 50. Lebens­jahr als vor­sorgliche Maß­nahme
□ Vor Aus­lands­aufent­halten

Je früher Sie vor­sorgen, desto besser. Warten Sie nicht, bis gesund­heit­liche Ein­schränkungen auf­treten - dann könnte es zu spät sein. Die Er­stellung einer Vor­sorge­voll­macht ist jeder­zeit möglich, solange Sie geschäfts­fähig sind.

Fazit

Ohne Vor­sorge­voll­macht be­stimmt das Betreu­ungs­gericht, wer für Sie ent­scheidet - nicht auto­matisch Ihre Familie. Dies kann zu Ein­schränkungen führen und Ihre Selbst­bestimmung ge­fährden. Mit einer recht­zeitig er­stellten Vor­sorge­voll­macht be­halten Sie die Kon­trolle darüber, wer in Ihrem Sinne handeln darf.

Nehmen Sie sich Zeit für dieses wichtige Thema und schaffen Sie Klarheit - für sich selbst und Ihre Ange­hörigen. Eine Vor­sorge­voll­macht gibt allen Be­teiligten Sicher­heit und kann in kriti­schen Situa­tionen große Er­leichte­rung bringen.