Welche Haftung haben Bevollmächtige einer Vorsorgevollmacht?
Bevollmächtigte einer Vorsorgevollmacht haften mit ihrem gesamten Vermögen für Pflichtverletzungen, wie z. B. fahrlässiges Handeln, Überschreiten der Befugnisse oder unzureichende Dokumentation. Um Risiken zu minimieren, sollten klare Absprachen getroffen, Handlungen sorgfältig dokumentiert und fachlicher Rat eingeholt werden. Vollmachtgebende Personen können die Haftung durch Beschränkungen in der Vollmacht und Kontrollmechanismen begrenzen.
- Rechtliche Stellung des Bevollmächtigten
- Umfang der Haftung für Bevollmächtigte
- Typische Pflichtverletzungen und ihre Folgen
- Rechenschafts- und Auskunftspflichten
- Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung
- Empfehlungen für vollmachtgebende Personen
- Haftung bei besonderen Rechtsgeschäften
- Fazit: Verantwortung bewusst machen
Mit einer Vorsorgevollmacht übertragen Sie wichtige Entscheidungsbefugnisse an eine Person Ihres Vertrauens. Was viele nicht wissen: Die bevollmächtigte Person trägt dabei ein erhebliches Haftungsrisiko. Für wen Sie eine Vollmacht übernehmen oder wem Sie eine erteilen möchten - die rechtlichen Folgen sollten beiden Seiten klar sein. Dieser Artikel erläutert die Haftungsrisiken für Bevollmächtigte und zeigt, wie sie sich schützen können.
Rechtliche Stellung des Bevollmächtigten
Das Vertrauensverhältnis als Grundlage
Eine Vorsorgevollmacht basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Die bevollmächtigte Person wird zum “Vertreter im Willen” und entscheidet anstelle der nicht mehr entscheidungsfähigen vollmachtgebenden Person[1]. Dieses Vertrauensverhältnis hat rechtliche Konsequenzen: Anders als ein:e gesetzliche:r Betreuer:in wird der:die Bevollmächtigte nicht vom Betreuungsgericht kontrolliert[1].
Außen- und Innenverhältnis verstehen
Bei Vorsorgevollmachten unterscheidet man zwischen dem Außenverhältnis (Verhältnis zu Dritten wie Banken oder Behörden) und dem Innenverhältnis (Verhältnis zwischen vollmachtgebender und bevollmächtigter Person).
Im Außenverhältnis kann die bevollmächtigte Person grundsätzlich im Namen der vollmachtgebenden Person handeln. Die Handlungen sind wirksam, selbst wenn im Innenverhältnis Beschränkungen vereinbart wurden[8].
Im Innenverhältnis werden häufig Regeln vereinbart, wann und wie die Vollmacht eingesetzt werden darf. Verstößt die bevollmächtigte Person gegen diese Vereinbarungen, kann sie haftbar gemacht werden[8].
Auftragsverhältnis oder Gefälligkeitsverhältnis?
Für die Haftungsfrage ist entscheidend, ob ein rechtlich bindendes Auftragsverhältnis oder ein unverbindliches Gefälligkeitsverhältnis vorliegt:
- Bei einem Auftragsverhältnis haftet die bevollmächtigte Person umfassend für Auskunft, Rechnungslegung, Herausgabe und Schadensersatz[4].
- Bei einem Gefälligkeitsverhältnis haftet sie nur für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten[4].
Die Gerichte gehen bei Vorsorgevollmachten meist von einem Auftragsverhältnis aus, besonders wenn es um erhebliche wirtschaftliche Interessen geht[4].
Umfang der Haftung für Bevollmächtigte
Mit welchem Vermögen wird gehaftet?
Die bevollmächtigte Person haftet mit ihrem gesamten Vermögen. Dies ist ein erhebliches Risiko, das viele Menschen nicht bedenken, wenn sie eine Vorsorgevollmacht übernehmen[1][2]. Diese Haftung besteht sowohl während der aktiven Ausübung der Vollmacht als auch über den Tod der vollmachtgebenden Person hinaus[2].
Für welche Pflichtverletzungen besteht Haftung?
Die Haftung umfasst:
- Vorsätzliche Pflichtverletzungen (absichtliches Handeln gegen die Interessen der vollmachtgebenden Person)[6]
- Fahrlässige Pflichtverletzungen (Sorgfaltspflichten werden nicht eingehalten)[7]
- Handeln gegen den Willen der vollmachtgebenden Person[5]
- Überschreitung der erteilten Befugnisse[7]
- Unterlassen notwendiger Handlungen (z.B. nicht beantragen von Sozialleistungen)[8]
Gegenüber wem besteht die Haftung?
Die Haftung besteht sowohl gegenüber der vollmachtgebenden Person als auch nach deren Tod gegenüber den Erb:innen[3]. Die Erb:innen können Ansprüche geltend machen, die ursprünglich der vollmachtgebenden Person zustanden.
Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: Das Brandenburgische Oberlandesgericht entschied, dass ein bevollmächtigter Miterbe den anderen Erb:innen Auskunft über die Verwendung einer Kontovollmacht geben muss - und zwar für die gesamte Dauer der Vollmacht[3].
Typische Pflichtverletzungen und ihre Folgen
Fehlverhalten bei der Vermögensverwaltung
Die Vermögensverwaltung ist ein kritischer Bereich, in dem häufig Pflichtverletzungen auftreten:
Unrechtmäßige Nutzung von Konten: Ein Fall aus der Praxis zeigt die möglichen Konsequenzen: Ein bevollmächtigter Enkel hob Geld von Konten seiner verstorbenen Großmutter ab (21.000 Euro) in der falschen Annahme, die Ersparnisse gehörten ihm. Da keine letztwillige Verfügung vorlag und die gesetzliche Erbfolge galt, standen die 21.000 Euro jedoch den drei Kindern der Verstorbenen zu. Das Amtsgericht Kitzingen verhängte eine Bewährungsstrafe und ordnete die Rückgabe des Geldes an die Erb:innen an[3].
Eigenständige Vermögensentnahmen: Überweisungen auf das eigene Konto oder Konten naher Angehöriger können problematisch sein, wenn sie nicht im Sinne der vollmachtgebenden Person erfolgen[4].
Überschreitung der Befugnisse
Handeln ohne Notsituation: Viele Vorsorgevollmachten sollen nur im Fall einer Notsituation (z.B. bei Entscheidungsunfähigkeit) genutzt werden. Handelt die bevollmächtigte Person, obwohl die vollmachtgebende Person noch selbst entscheiden kann, kann dies eine Pflichtverletzung darstellen[8].
Überschreitung expliziter Grenzen: Wenn die Vollmacht auf bestimmte Bereiche beschränkt ist, darf die bevollmächtigte Person nur in diesen Bereichen handeln. Überschreitungen können schadensersatzpflichtig machen[7].
Folgen von Pflichtverletzungen
Die Konsequenzen können schwerwiegend sein:
- Zivilrechtliche Folgen: Schadensersatzansprüche, Herausgabeansprüche
- Strafrechtliche Folgen: In schweren Fällen drohen Geld- oder sogar Freiheitsstrafen
- Verlust des Vertrauens: Möglicherweise Widerruf der Vollmacht und Bestellung eines gesetzlichen Betreuers
Rechenschafts- und Auskunftspflichten
Pflicht zur Dokumentation
Die bevollmächtigte Person muss über ihre Handlungen Rechenschaft ablegen können. Dies bedeutet:
- Dokumentation aller Handlungen, insbesondere finanzieller Transaktionen
- Aufbewahrung von Belegen über einen angemessenen Zeitraum
- Nachvollziehbare Begründung für getroffene Entscheidungen
Auskunftspflicht gegenüber Erb:innen
Auch nach dem Tod der vollmachtgebenden Person besteht die Auskunftspflicht fort. Die Erb:innen haben ein Recht auf vollständige Information über alle getätigten Handlungen[3]. Dies gilt unabhängig davon, ob Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der bevollmächtigten Person bestehen - die Auskunftspflicht ist generell gültig[3].
Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung
Vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkungen
Die Haftung kann in der Vorsorgevollmacht eingeschränkt werden:
- Beschränkung auf Vorsatz: Die bevollmächtigte Person haftet nur für absichtlich verursachte Schäden[8].
- Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit: Haftung nur für absichtliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen[8].
Beispiel: Der vollmachtgebenden Person steht Landespflegegeld zu. Bei einer Beschränkung auf Vorsatz muss die bevollmächtigte Person nur dann für den Schaden haften, wenn sie wusste, dass ein Anspruch besteht, und dennoch bewusst keinen Antrag gestellt hat[8].
Praktische Schutzmaßnahmen für Bevollmächtigte
Um sich vor Haftungsrisiken zu schützen, sollten Bevollmächtigte:
- Klare Absprachen im Innenverhältnis treffen und dokumentieren
- Getrennte Konten führen und keine Vermischung mit eigenem Vermögen zulassen
- Bei wichtigen Entscheidungen Rücksprache mit der vollmachtgebenden Person halten, solange möglich
- Bei komplexen Vermögensfragen fachlichen Rat einholen
- Sorgfältige Dokumentation aller Handlungen sicherstellen
Empfehlungen für vollmachtgebende Personen
Auswahl geeigneter Bevollmächtigter
Die Auswahl der richtigen Person ist entscheidend:
- Unbedingtes Vertrauen sollte die Grundlage sein[1]
- Die Person sollte zuverlässig und gewissenhaft sein
- Sie sollte bereit und in der Lage sein, die damit verbundenen Pflichten zu erfüllen
Schutzmaßnahmen bei der Vollmachtsgestaltung
Als vollmachtgebende Person können Sie Vorkehrungen treffen:
- Beschränkung der Vollmacht auf bestimmte Bereiche
- Mehraugenprinzip durch Benennung mehrerer Bevollmächtigter
- Ausdrückliches Schenkungsverbot in die Vollmacht aufnehmen[7]
- Kontrollmechanismen einbauen, z.B. regelmäßige Rechenschaftspflicht
Haftung bei besonderen Rechtsgeschäften
In-Sich-Geschäfte
Grundsätzlich gilt das Selbstkontrahierungsverbot: Die bevollmächtigte Person darf keine Geschäfte zwischen sich selbst und der vollmachtgebenden Person abschließen. Eine Ausnahme ist nur möglich, wenn die vollmachtgebende Person die bevollmächtigte Person ausdrücklich vom Selbstkontrahierungsverbot befreit hat[7].
Schenkungen
Bei Schenkungen ist besondere Vorsicht geboten:
- Ohne ausdrückliche Erlaubnis sollte die bevollmächtigte Person keine Schenkungen vornehmen
- Im Zweifel sollte ein ausdrückliches Schenkungsverbot in die Vollmacht aufgenommen werden[7]
Untervollmachten
Die bevollmächtigte Person darf nur dann Untervollmachten erteilen, wenn dies in der Vorsorgevollmacht ausdrücklich gestattet ist[7]. Fehlt eine solche Regelung, muss der mutmaßliche Wille der vollmachtgebenden Person ausgelegt werden.
Fazit: Verantwortung bewusst machen
Die Übernahme einer Vorsorgevollmacht bedeutet nicht nur eine Vertrauensstellung, sondern auch ein erhebliches Haftungsrisiko. Die bevollmächtigte Person haftet mit ihrem gesamten Vermögen für Pflichtverletzungen[1][2]. Sie muss im Sinne der vollmachtgebenden Person handeln und Rechenschaft über ihre Handlungen ablegen können[3].
Sowohl für vollmachtgebende als auch für bevollmächtigte Personen ist es ratsam, sich der rechtlichen Konsequenzen bewusst zu sein und geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen. Eine klare Dokumentation aller Handlungen und eine sorgfältige Trennung der Vermögenssphären sind dabei genauso wichtig wie eine gut durchdachte Gestaltung der Vorsorgevollmacht selbst.
Wenn Sie als vollmachtgebende Person eine Vorsorgevollmacht erstellen oder als bevollmächtigte Person eine solche übernehmen möchten, sollten Sie sich vorher rechtlich beraten lassen. So können Sie Haftungsrisiken minimieren und für alle Beteiligten Sicherheit schaffen.