Welche Aufgaben können Bevollmächtigte aus der Ferne übernehmen?
Bevollmächtigte können viele Aufgaben wie Finanzverwaltung, Gesundheitsentscheidungen und Wohnungsangelegenheiten aus der Ferne übernehmen, da persönliche Anwesenheit meist nicht erforderlich ist. Dank moderner Technologien und der Möglichkeit, Dienstleister vor Ort einzubinden, ist eine effektive Betreuung auch bei räumlicher Distanz möglich. Wichtig sind eine klar formulierte Vorsorgevollmacht, regelmäßige Kommunikation und gegebenenfalls die Erlaubnis zur Unterbevollmächtigung.
- Die rechtliche Grundlage für Bevollmächtigte aus der Ferne
- Finanzverwaltung trotz räumlicher Distanz
- Gesundheitssorge über die Distanz
- Wohnungs- und Aufenthaltsangelegenheiten
- Digitale Vorsorge und Nachlassverwaltung
- Zusammenarbeit mit Dienstleistern vor Ort
- Grenzen der Fernbetreuung
- Praktische Tipps für die Fernbetreuung
- Fazit
Der Bundesgerichtshof hat 2022 klargestellt: Bevollmächtigte müssen nicht vor Ort sein, um ihre Aufgaben wahrzunehmen. Diese Entscheidung eröffnet neue Möglichkeiten für Menschen, die ihre vertrauten Personen trotz räumlicher Distanz mit einer Vorsorgevollmacht ausstatten möchten. Gerade in einer mobilen Gesellschaft, in der Familienmitglieder oft weit voneinander entfernt leben, bietet diese Rechtsprechung wertvolle Flexibilität für die persönliche Vorsorge.
Die rechtliche Grundlage für Bevollmächtigte aus der Ferne
Mit Beschluss vom 16. November 2022 (Aktenzeichen XII ZB 212/22) hat der Bundesgerichtshof eine wichtige Entscheidung getroffen: Ein in einer Vorsorgevollmacht eingesetzter Bevollmächtigter muss Hilfeleistungen nicht selbst erbringen, wenn dies in der Vorsorgevollmacht nicht ausdrücklich anders festgelegt wurde. Stattdessen kann er diese Aufgaben an Dritte übertragen[1].
Dies bedeutet konkret, dass auch eine Person, die mehrere Autostunden vom Vollmachtgeber entfernt wohnt, zur Wahrnehmung der Aufgaben geeignet sein kann[1]. Diese Rechtsauffassung schafft Klarheit für viele Menschen, die ihre Vertrauenspersonen trotz geografischer Distanz mit einer Vorsorgevollmacht ausstatten möchten.
Eine Vorsorgevollmacht ist ein Dokument, mit dem Sie einer oder mehreren Personen die Befugnis erteilen, in Ihrem Namen Entscheidungen zu treffen, wenn Sie selbst dazu gesundheitlich nicht mehr in der Lage sind[2]. Die bevollmächtigte Person wird dann als Ihr “persönlicher Stellvertreter” tätig.
Finanzverwaltung trotz räumlicher Distanz
Die Verwaltung Ihrer finanziellen Angelegenheiten kann sehr gut aus der Ferne erfolgen. Ihr:e Bevollmächtigte:r kann folgende Aufgaben übernehmen:
Kontoführung und Zahlungsverkehr: Die bevollmächtigte Person kann Ihre Bankgeschäfte online oder telefonisch erledigen, Überweisungen tätigen und Rechnungen bezahlen[12]. Dank moderner Online-Banking-Systeme ist hierfür keine persönliche Anwesenheit in einer Bankfiliale erforderlich.
Vermögensverwaltung: Entscheidungen über Geldanlagen, Depotverwaltung und andere vermögensrechtliche Fragen können problemlos aus der Ferne getroffen werden[12]. Auch hier sind persönliche Termine bei Finanzinstituten meist nicht nötig.
Immobilienverwaltung: Die Verwaltung von Immobilien, einschließlich Mietverträge, Nebenkostenabrechnungen und Beauftragung von Reparaturen, kann ebenfalls aus der Distanz organisiert werden[12]. Hier arbeitet der Bevollmächtigte oft mit Dienstleistern vor Ort zusammen.
Für die Finanzverwaltung ist es sinnvoll, wenn Sie mit Ihrer Bank vorab klären, welche Vollmachtsformulare akzeptiert werden. Oft haben Banken eigene Formulare, die zusätzlich zur allgemeinen Vorsorgevollmacht ausgefüllt werden sollten.
Gesundheitssorge über die Distanz
Bei gesundheitlichen Fragen denken viele zunächst, dass der Bevollmächtigte persönlich anwesend sein muss. Tatsächlich können jedoch zahlreiche Aspekte der Gesundheitssorge aus der Ferne wahrgenommen werden:
Auswahl von Ärzten und Gesundheitseinrichtungen: Ihr:e Bevollmächtigte:r kann für Sie Entscheidungen über die Auswahl von Krankenhäusern, Ärzt:innen oder Pflegediensten treffen[12]. Die Kontaktaufnahme und Abstimmung mit diesen Einrichtungen kann telefonisch oder digital erfolgen.
Einsicht in Krankenakten: Die bevollmächtigte Person kann Ihre medizinischen Unterlagen anfordern und einsehen[12]. Viele Gesundheitseinrichtungen ermöglichen mittlerweile digitalen Zugang zu Patientenakten.
Zustimmung zu Behandlungen: Bei medizinischen Eingriffen oder Therapien kann Ihr:e Bevollmächtigte:r die notwendigen Einwilligungen erteilen[12]. Dies kann in vielen Fällen telefonisch oder schriftlich geschehen, besonders wenn es sich um planbare Maßnahmen handelt.
Bei akuten Notfällen ist es allerdings hilfreich, wenn zusätzlich eine Person in räumlicher Nähe als Unterbevollmächtigte:r benannt wird oder die behandelnden Ärzt:innen einen direkten Ansprechpartner vor Ort haben. Hier kommt die Möglichkeit ins Spiel, dass der Hauptbevollmächtigte Untervollmachten erteilen darf, wenn Sie dies in Ihrer Vorsorgevollmacht festgelegt haben[2].
Wohnungs- und Aufenthaltsangelegenheiten
Auch die Organisation von Wohnungsangelegenheiten kann von Bevollmächtigten aus der Ferne übernommen werden:
Entscheidungen über Wohnform: Ihr:e Bevollmächtigte:r kann entscheiden, ob Sie in einem Pflegeheim oder zu Hause versorgt werden[12]. Die Recherche nach geeigneten Einrichtungen, Anmeldeformalitäten und Vertragsabschlüsse können aus der Distanz erledigt werden.
Wohnungsauflösung oder -umgestaltung: Bei Bedarf kann die bevollmächtigte Person Ihre Wohnung auflösen oder umgestalten lassen, etwa für barrierefreies Wohnen[12]. Hierfür können Dienstleister vor Ort beauftragt werden.
Mietverträge und Versorgungsverträge: Abschluss, Änderung oder Kündigung von Mietverträgen sowie die Regelung von Versorgungsverträgen (Strom, Wasser, etc.) können aus der Ferne vorgenommen werden.
Bei diesen Aufgaben ist eine gute Zusammenarbeit mit lokalen Dienstleistern besonders wichtig. Dies können Pflegedienste, Hausmeisterservices oder auch helfende Nachbar:innen sein.
Digitale Vorsorge und Nachlassverwaltung
Ein zunehmend wichtiger Bereich ist die Verwaltung des digitalen Lebens. Diese Aufgaben sind für die Fernbetreuung besonders gut geeignet:
Zugang zu digitalen Konten: Die bevollmächtigte Person kann Ihre Online-Konten verwalten, sei es bei Behörden, Banken oder Dienstleistern[4].
Verwaltung des digitalen Nachlasses: Bei längerer Krankheit oder nach dem Tod können Ihre Social-Media-Profile, E-Mail-Konten und andere digitale Präsenzen verwaltet oder aufgelöst werden[4].
Kommunikation mit Behörden: Viele behördliche Angelegenheiten können heute online erledigt werden, was die Fernbetreuung erleichtert.
Für diese Aufgaben ist es wichtig, dass Sie eine Übersicht Ihrer digitalen Konten mit Zugangsdaten erstellen und diese an einem sicheren Ort hinterlegen, zu dem Ihr:e Bevollmächtigte:r Zugang hat[4].
Zusammenarbeit mit Dienstleistern vor Ort
Der BGH-Beschluss macht deutlich, dass Bevollmächtigte Hilfeleistungen nicht selbst erbringen müssen, sondern diese auf Dritte übertragen können[1]. Dies eröffnet zahlreiche Möglichkeiten für die praktische Umsetzung:
Beauftragung von Pflegediensten: Für die tägliche Pflege und Versorgung können professionelle Dienstleister engagiert werden, die nach den Vorgaben des Bevollmächtigten arbeiten.
Zusammenarbeit mit Hausnotrufdiensten: Diese können im Notfall schnell reagieren, wenn der Bevollmächtigte weiter entfernt wohnt.
Einkaufs- und Haushaltshilfen: Praktische Alltagsunterstützung kann durch entsprechende Dienstleister organisiert werden.
Koordination mehrerer Dienstleister: Der Bevollmächtigte kann als Koordinator:in fungieren und verschiedene Hilfen aufeinander abstimmen.
Diese Zusammenarbeit funktioniert am besten, wenn klare Absprachen getroffen werden und regelmäßige Kommunikation stattfindet.
Grenzen der Fernbetreuung
Trotz der vielen Möglichkeiten gibt es Situationen, in denen persönliche Anwesenheit vorteilhaft oder notwendig ist:
Akute Notfallsituationen: Bei plötzlichen gesundheitlichen Krisen kann schnelles Handeln vor Ort erforderlich sein.
Emotionale Unterstützung: Der persönliche Kontakt und emotionale Beistand lassen sich nicht vollständig aus der Ferne ersetzen.
Komplexe persönliche Entscheidungen: Bei schwierigen Entscheidungen, die eine genaue Kenntnis der aktuellen Situation erfordern, kann die persönliche Anwesenheit wichtig sein.
In solchen Fällen ist es sinnvoll, ergänzend zur räumlich entfernten Hauptbevollmächtigten eine Person vor Ort als Unterbevollmächtigte:n zu benennen, sofern Sie die Erteilung von Untervollmachten in Ihrer Vorsorgevollmacht gestatten[2].
Praktische Tipps für die Fernbetreuung
Damit die Betreuung aus der Distanz gut funktioniert, sollten Sie einige Vorkehrungen treffen:
Detaillierte Vollmacht: Formulieren Sie in Ihrer Vorsorgevollmacht genau, welche Aufgaben der Bevollmächtigte übernehmen soll und darf. Das Standardformular des Bundesministeriums der Justiz bietet hierfür eine gute Grundlage[5].
Erlaubnis zur Unterbevollmächtigung: Legen Sie fest, ob Ihr:e Bevollmächtigte:r Untervollmachten erteilen darf, um Personen vor Ort einzubinden[5].
Gültigkeit über den Tod hinaus: Stellen Sie sicher, dass die Vollmacht auch nach Ihrem Tod gilt, wenn dies Ihrem Wunsch entspricht[5].
Regelmäßige Kontaktmöglichkeiten: Planen Sie, wie Ihr:e Bevollmächtigte:r regelmäßig mit Ihnen, Ihren Ärzt:innen oder Pflegepersonen kommunizieren kann.
Notfallplanung: Legen Sie fest, wer im Notfall zusätzlich kontaktiert werden soll und wie in dringenden Situationen vorzugehen ist.
Fazit
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat klargestellt: Bevollmächtigte müssen nicht in Ihrer Nähe wohnen, um wirksam für Sie handeln zu können[1]. Zahlreiche Aufgaben können heute aus der Ferne wahrgenommen werden - von der Finanzverwaltung über gesundheitliche Entscheidungen bis hin zur Organisation des Wohnumfelds.
Moderne Kommunikationstechnologien und die Möglichkeit, Dienstleister vor Ort einzubinden, machen dies möglich. Dennoch sollten Sie sorgfältig abwägen, welche Aufgaben gut aus der Ferne erledigt werden können und wo persönliche Anwesenheit wichtig ist.
Eine gut durchdachte Vorsorgevollmacht, die klar regelt, wer welche Aufgaben übernehmen soll und darf, bildet die Grundlage für eine gelungene Betreuung - unabhängig von der räumlichen Distanz zwischen Ihnen und Ihrer Vertrauensperson.