Muss ein Bevollmächtigter in einer Vorsorgevollmacht seine Aufgabe übernehmen?

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Zusammenfassung

Ein Bevollmächtigter ist nicht verpflichtet, die ihm übertragene Aufgabe aus einer Vorsorgevollmacht anzunehmen und kann diese sowohl von Anfang an als auch später ablehnen. Um solche Situationen zu vermeiden, sollten Vollmachtgeber:innen frühzeitig offene Gespräche führen, Ersatzbevollmächtigte benennen und die Vorsorgevollmacht klar regeln. Eine Ablehnung führt in der Regel dazu, dass das Betreuungsgericht eine gesetzliche Betreuung anordnet.

Mit einer Vorsorge­vollmacht bestimmen Sie eine Person Ihres Vertrauens, die Entscheidungen für Sie treffen kann, wenn Sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind. Doch was, wenn diese Person die Verantwortung nicht übernehmen möchte? Die klare Antwort lautet: Ein Bevoll­mächtigter ist nicht verpflichtet, die in einer Vorsorge­vollmacht übertragenen Aufgaben anzu­nehmen. Er oder sie kann die Bevoll­mächtigung ablehnen - sowohl von Anfang an als auch zu einem späteren Zeitpunkt.

Die Grund­lage der Vorsorge­vollmacht: Freiwilligkeit auf beiden Seiten

Eine Vorsorge­vollmacht basiert auf gegen­seitigem Vertrauen und Frei­willigkeit. Sie als Voll­macht­geber:in entscheiden frei, wen Sie bevoll­mächtigen. Ebenso frei ist die bevoll­mächtigte Person in ihrer Entscheidung, diese Aufgabe zu über­nehmen oder abzulehnen.

“Der Bevoll­mächtigte kann die Vollmacht ablehnen. Deshalb ist es wichtig, dass Sie mit ihrer Vertrauens­person vor dem Erstellen der Vorsorge­vollmacht sprechen”, betont auch ein Ratgeber zur Vorsorge­vollmacht[1]. Diese Klar­stellung ist wesentlich, damit beide Seiten von Anfang an wissen, worauf sie sich einlassen.

Warum könnten Bevoll­mächtigte die Aufgabe ablehnen?

Es gibt verschiedene Gründe, warum jemand die Rolle als Bevoll­mächtigte:r nicht übernehmen möchte:

  • Persönliche Über­lastung: Die Verantwortung für die Angelegen­heiten einer anderen Person kann zeitlich und emotional belastend sein.
  • Fachliche Überforderung: Nicht jede:r fühlt sich den komplexen rechtlichen, finanziellen oder medizinischen Entscheidungen gewachsen.
  • Veränderung der Lebens­umstände: Auch wenn die Person zunächst zugestimmt hat, können sich Lebens­umstände ändern - etwa durch eigene Krankheit, Umzug oder berufliche Veränderungen.
  • Konflikte im familiären Umfeld: Wenn andere Familien­mitglieder die Entscheidungen des Bevoll­mächtigten anzweifeln oder bekämpfen.

Der Rücktritt von einer Vorsorge­vollmacht

Nicht nur die anfängliche Ablehnung, sondern auch ein späterer Rücktritt ist möglich. “Die vorherrschende Rechts­meinung geht davon aus, dass ein Vollmacht­nehmer die Möglichkeit haben muss, die Vollmacht niederzulegen”, bestätigt ein Fachanwalt für Vorsorge­vollmachten[7].

Für einen wirksamen Rücktritt sollten folgende formelle Schritte beachtet werden:

  • Schriftliche Rücktritts­erklärung verfassen
  • Diese an den Vollmacht­geber richten (falls geschäfts­fähig)
  • Bei Geschäfts­unfähigkeit des Vollmacht­gebers: Mitteilung an das zuständige Betreuungs­gericht
  • Information an alle Stellen, bei denen die Vollmacht vorgelegt wurde (Banken, Versicherungen, Ärzt:innen)[7]

Was passiert, wenn der Bevoll­mächtigte ablehnt?

Wenn die von Ihnen ausgewählte Person die Vollmacht ablehnt, tritt ein Szenario ein, das Sie eigentlich vermeiden wollten: Das Betreuungs­gericht bestellt einen gesetzlichen Betreuer, der dann Ihre Angelegen­heiten regelt[8].

Dies kann bedeuten:

  • Eine fremde Person trifft Entscheidungen für Sie
  • Regelmäßige Kontrolle durch das Gericht
  • Bei Bestellung eines Berufs­betreuers: mögliche Ein­schränkungen für Ihre Familie, etwa bei finanziellen Angelegen­heiten
  • Ihr Ehe­partner erhält gegebenenfalls nur ein vom Betreuer festgesetztes Haushalts­geld
  • Größere Entscheidungen müssen mit dem Gericht abgestimmt werden[2]

Vorbeugen ist besser als Nach­sorgen: So sichern Sie Ihre Vorsorge ab

Um zu vermeiden, dass Sie ohne wirksame Vorsorge­vollmacht dastehen, können Sie folgende Maßnahmen ergreifen:

  1. Frühzeitige und offene Gespräche führen: Klären Sie mit Ihrer Vertrauens­person, ob sie bereit ist, diese Verantwortung zu übernehmen. Besprechen Sie konkrete Aufgaben­bereiche und Ihre Wünsche.

  2. Ersatz­bevoll­mächtigte benennen: Setzen Sie in Ihrer Vorsorge­vollmacht eine oder mehrere Ersatz­personen ein, die einspringen können, falls die erste Person ausfällt oder ablehnt.

    Achtung: Vermeiden Sie Formulierungen wie “gilt nur, wenn ich nicht in der Lage bin” oder zu komplizierte Reihen­folgen von Bevoll­mächtigten. Diese können die praktische Anwendung der Vollmacht erschweren[2].

  3. Eintragung im Vorsorge­register: Lassen Sie Ihre Vorsorge­vollmacht im Zentralen Vorsorge­register der Bundes­notar­kammer eintragen. So wird im Ernstfall schnell gefunden, wer für Sie sprechen darf[2].

  4. Mehrere Bevoll­mächtigte bestimmen: Sie können auch mehrere Personen gleich­zeitig bevoll­mächtigen, die sich die Verantwortung teilen. Dies kann die Last für den Einzelnen verringern und das Risiko des Vollmachts­missbrauchs senken[10].

Besonderheiten bei Ehe­partner:innen zu beachten

Ein verbreiteter Irrtum ist, dass Ehe­partner:innen automatisch füreinander entscheiden könnten. Dies stimmt jedoch nur teilweise:

Seit dem 01.01.2023 gibt es ein beschränktes Not­vertretungs­recht für Ehe­gatten im Bereich der Gesundheits­sorge (geregelt in § 1358 BGB). Dies gilt jedoch nur für medizinische Notfälle und ist an strenge Voraus­setzungen geknüpft[5].

Für alle anderen Bereiche benötigen auch Ehe­partner:innen eine Vorsorge­vollmacht. Ohne diese kann der Ehe­partner im Ernstfall nicht für Sie handeln und Ihre Angelegen­heiten regeln[5].

Fazit: Die richtige Balance finden

Die Ablehnung einer Vorsorge­vollmacht durch den Bevoll­mächtigten kann zu einer schwierigen Situation führen - gerade für die Angehörigen. Umso wichtiger ist es, frühzeitig vorzusorgen und mit den gewünschten Bevoll­mächtigten zu sprechen.

Vergessen Sie nicht: Eine Vorsorge­vollmacht ist ein Vertrauens­beweis, aber auch eine große Verantwortung. Respektieren Sie daher die Entscheidung einer Person, die sich dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlt. Eine ehrliche Ablehnung ist besser als eine widerwillige Über­nahme, die später zu Problemen führen könnte.

Wenn Sie als Bevoll­mächtigte:r unsicher sind, ob Sie die Aufgabe über­nehmen können, scheuen Sie sich nicht, dies offen anzusprechen. Es gibt Beratungs­möglichkeiten und Unter­stützungs­angebote, die Ihnen helfen können, Ihre Rolle besser zu verstehen und auszufüllen.