Welche medizinischen Entscheidungen dürfen Bevollmächtigte mit einer Vorsorgevollmacht treffen?

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Zusammenfassung

Mit einer schriftlichen Vorsorge­vollmacht bevollmächtigen Sie eine geschäfts­fähige Vertrauensperson, in Ihrem Namen medizinische Maßnahmen zuzustimmen oder abzulehnen und Einsicht in Unterlagen zu nehmen, wenn Sie nicht entscheidungsfähig sind. Sie muss die Befugnisse ausdrücklich benennen und ergänzt Ihre Patienten­verfügung, indem sie regelt, wer Ihre Wünsche umsetzt.

Eine Vorsorge­vollmacht ermöglicht Ihnen, eine Person Ihres Vertrauens zu bevoll­mächtigen, in Ihrem Namen zu handeln, wenn Sie selbst nicht mehr entscheidungs­fähig sind. Besonders bei medizinischen Fragen kann dies lebens­wichtig werden. Dieser Leitfaden erklärt, welche medizinischen Entscheidungen Bevoll­mächtigte treffen dürfen und was Sie bei der Erstellung einer Vorsorge­vollmacht beachten sollten.

Die rechtliche Grundlage der Vorsorge­vollmacht

Die Vorsorge­vollmacht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Sie ermöglicht einer Vertrauens­person, für den Vollmacht­geber zu handeln, wenn dieser seine Angelegen­heiten nicht mehr selbst regeln kann[4]. Anders als bei einer gesetzlichen Betreuung, die vom Gericht angeordnet wird, bestimmen Sie bei einer Vorsorge­vollmacht selbst, wer für Sie entscheiden soll[13].

Wichtig zu wissen: Ohne Vorsorge­vollmacht wird im Ernstfall ein gesetzlicher Betreuer bestellt - möglicherweise eine Person, die Sie nicht kennt[5]. Eine Studie des Universitäts­klinikums Hamburg-Eppendorf zeigt: Nur etwa die Hälfte aller Intensiv­patienten verfügt über eine Vorsorge­vollmacht oder Patienten­verfügung[5].

Welche medizinischen Entscheidungen dürfen Bevoll­mächtigte treffen?

Mit einer umfassenden Vorsorge­vollmacht kann Ihr:e Bevoll­mächtigte:r folgende medizinische Entscheidungen treffen:

1. Grundlegende medizinische Entscheidungen

  • Einwilligung in ärztliche Untersuchungen des Gesundheits­zustands[2][8]
  • Zustimmung zu Heilbehandlungen und therapeutischen Maßnahmen[2][8]
  • Einwilligung in ärztliche Eingriffe[2][8]
  • Ablehnung von Behandlungen oder Widerruf bereits erteilter Einwilligungen[2][8]

2. Zugang zu medizinischen Informationen

  • Einsicht in Kranken­unterlagen und Recht auf deren Herausgabe[8]
  • Entbindung der Ärzt:innen von der Schweige­pflicht gegenüber dem Bevoll­mächtigten[8]
  • Gespräche mit Ärzt:innen über Ihren Gesundheits­zustand führen[2]

3. Schwerwiegende medizinische Entscheidungen

  • Entscheidungen über lebens­erhaltende Maßnahmen, wenn die Gefahr besteht, dass Sie sterben oder einen schweren, länger dauernden Gesundheits­schaden erleiden könnten[2][6]
  • Entscheidungen über künstliche Ernährung (z.B. über Magensonde)[7]
  • Umsetzung Ihrer in einer Patienten­verfügung festgelegten Wünsche[8][15]

Voraussetzungen für wirksame medizinische Entscheidungen

Damit Ihr:e Bevoll­mächtigte:r medizinische Entscheidungen treffen darf, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

Formale Anforderungen

  • Die Vorsorge­vollmacht muss schriftlich erteilt werden[2][3]
  • Bei schwerwiegenden medizinischen Entscheidungen mit Lebens­gefahr muss die Vollmacht diese Befugnisse ausdrücklich nennen[2][6]
  • Die bevoll­mächtigte Person muss volljährig und geschäfts­fähig sein[3]

Beispiel-Formulierung: “Mein:e Bevoll­mächtigte:r darf insbesondere in eine Untersuchung des Gesundheits­zustands, eine Heil­behandlung oder einen ärztlichen Eingriff einwilligen, diese ablehnen oder die Einwilligung in diese Maßnahmen widerrufen, auch wenn mit der Vornahme, dem Unterlassen oder dem Abbruch dieser Maßnahmen die Gefahr besteht, dass ich sterbe oder einen schweren und länger dauernden gesundheit­lichen Schaden erleide.”[8]

Persönliche Voraussetzungen

  • Zwischen Vollmacht­geber und Bevoll­mächtigtem sollte ein besonderes Vertrauens­verhältnis bestehen[2]
  • Vor der Bevoll­mächtigung sollten die Aufgaben, Wünsche und Vorstellungen besprochen werden[2]
  • Der:Die Bevoll­mächtigte sollte Ihre Werte und Überzeugungen gut kennen[9]

Grenzen der Entscheidungs­befugnis

Auch mit einer umfassenden Vorsorge­vollmacht gibt es Grenzen für die Entscheidungs­befugnis:

Gerichtliche Genehmigung erforderlich

In bestimmten Fällen muss der:die Bevoll­mächtigte trotz Vollmacht eine Genehmigung des Betreuungs­gerichts einholen:

  • Bei freiheits­entziehenden Maßnahmen wie Unterbringung mit freiheits­entziehender Wirkung[10][16]
  • Bei ärztlichen Zwangs­maßnahmen gegen den Willen eines einwilligungs­unfähig gewordenen Patienten[10]
  • Bei Uneinigkeit zwischen Arzt und Bevoll­mächtigtem über den Patienten­willen bei schwerwiegenden Entscheidungen[9]

Inhaltliche Grenzen

  • Die Vorsorge­vollmacht kann auf bestimmte Bereiche beschränkt sein[4]
  • Der:Die Bevoll­mächtigte muss nach dem Willen des Vollmacht­gebers handeln[16]
  • Die Vollmacht kann nicht an Bedingungen (z.B. einen bestimmten Krankheits­zustand) geknüpft werden[2]

Zusammenspiel mit der Patienten­verfügung

Eine Vorsorge­vollmacht ergänzt sich ideal mit einer Patienten­verfügung:

  • In der Patienten­verfügung legen Sie fest, welche medizinischen Maßnahmen Sie in bestimmten Situationen wünschen oder ablehnen[14][15]
  • Mit der Vorsorge­vollmacht bestimmen Sie, wer diese Wünsche durchsetzen soll[15]

Praktischer Hinweis: Eine Patienten­verfügung kann nie alle möglichen medizinischen Situationen abdecken. Daher ist es wichtig, dass Ihr:e Bevoll­mächtigte:r Ihre Wünsche und Werte kennt, um in nicht vorher­sehbaren Situationen in Ihrem Sinne entscheiden zu können[14].

Praktische Tipps für eine wirksame Vorsorge­vollmacht

Formulierung und Erstellung

  • Verwenden Sie klare, eindeutige Formulierungen und benennen Sie die medizinischen Entscheidungs­befugnisse konkret
  • Nutzen Sie offizielle Formulare, z.B. vom Bundes­ministerium der Justiz[8]
  • Eine notarielle Beurkundung ist für medizinische Vollmachten nicht vorgeschrieben, kann aber sinnvoll sein[2]

Auswahl der bevoll­mächtigten Person

  • Wählen Sie eine Person, die Ihr absolutes Vertrauen genießt[13]
  • Die Person sollte bereit und in der Lage sein, diese Verantwortung zu übernehmen
  • Besprechen Sie Ihre Wünsche bezüglich medizinischer Behandlungen ausführlich mit der Person[2]

Aufbewahrung und Zugänglichkeit

  • Die Vollmacht sollte im Ernstfall schnell auffindbar sein
  • Informieren Sie Ihr:e Ärzt:in über die Existenz der Vollmacht
  • Nur 23% der Vorsorge­dokumente liegen tatsächlich im Krankenhaus vor - sorgen Sie dafür, dass Ihre Vollmacht im Notfall zugänglich ist[5]

Fazit: Rechtzeitig vorsorgen mit einer Vorsorge­vollmacht

Eine Vorsorge­vollmacht für medizinische Entscheidungen gibt Ihnen die Sicherheit, dass eine Person Ihres Vertrauens in Ihrem Sinne handeln kann, wenn Sie selbst nicht mehr entscheidungs­fähig sind. Experten empfehlen: “Jeder Bundesbürger ab dem 18. Lebensjahr sollte eine vollständige Vorsorge­vollmacht hinterlegt haben. Nur die klärt im Ernstfall, wer für den erkrankten Patienten in Gesundheits­fragen entscheiden darf”[5].

Nehmen Sie sich Zeit, eine passende Vertrauens­person auszuwählen und Ihre Wünsche für medizinische Behandlungen zu dokumentieren. So stellen Sie sicher, dass Ihre Selbst­bestimmung auch dann gewahrt bleibt, wenn Sie Ihre Wünsche nicht mehr selbst äußern können.