Dürfen Bevollmächtigte mit einer Vorsorgevollmacht Schenkungen vornehmen?

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Zusammenfassung

Ob Bevollmächtigte Schenkungen vornehmen dürfen, bestimmt der Wortlaut der Vor­sorge­voll­macht: Ohne ausdrücklichen Ausschluss sind sie zulässig, müssen aber dem Willen des Vollmachtgebers entsprechen. Seit 2023 ersetzt eine Ge­nehm­i­gungs­pflicht das bisher geltende Schenkungsverbot für Betreuer:innen, und Selbstschenkungen des Bevollmächtigten erfordern stets eine eindeutige Erlaubnis.

Eine Vorsorge­vollmacht ist ein wichtiges Instrument, um selbst­bestimmt vorzusorgen. Doch was genau dürfen Bevoll­mächtigte mit Ihrem Vermögen tun? Besonders die Frage nach Schenkungen sorgt oft für Unsicherheit. Dieser Artikel klärt auf, welche Möglich­keiten und Grenzen bestehen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Befugnis zu Schenkungen hängt vom Inhalt der Vollmacht ab
  • Ohne ausdrück­lichen Ausschluss sind Schenkungen grund­sätzlich wirksam
  • Seit 2023 gelten neue rechtliche Regeln für Schenkungen im Betreuungs­recht
  • Schenkungen an sich selbst sind für Bevoll­mächtigte nur mit ausdrück­licher Erlaubnis zulässig
  • Klare Regeln in der Vollmacht schützen vor Missbrauch und Streit

Grund­sätzliches: Darf der Bevoll­mächtigte Schenkungen vornehmen?

Die Antwort lautet: Es kommt darauf an, was in der Vollmacht steht. Ob Bevoll­mächtigte Schenkungen vornehmen dürfen, richtet sich grund­sätzlich nach dem konkreten Inhalt der Vorsorge­vollmacht[18][20].

Sind Schenkungen in der General­vollmacht nicht ausdrück­lich ausge­schlossen, sind diese rechtlich zunächst wirksam. Der Bevoll­mächtigte handelt dann im Namen des Vollmacht­gebers und kann auch Vermögens­werte verschenken[18][20].

Wichtig zu wissen: Viele Standard­formulare für Vorsorge­vollmachten enthalten bereits Einschrän­kungen bezüglich Schenkungen. Eine häufige Formulierung lautet: Der Bevoll­mächtigte darf “Schenkungen in dem Rahmen vornehmen, der einem Betreuer rechtlich gestattet ist”[12][15][18].

Rechtliche Grenzen für Schenkungen durch Bevoll­mächtigte

Auch wenn die Vollmacht keine Einschrän­kungen enthält, bedeutet das nicht, dass der Bevoll­mächtigte völlig frei handeln darf. Es gibt wichtige Grenzen:

  • Der Bevoll­mächtigte ist verpflichtet, im Sinne des Vollmacht­gebers zu handeln[2]
  • Er darf keine Rechts­handlungen vornehmen, die dem Vollmacht­geber schaden würden[2]
  • Er ist an die Weisungen des Vollmacht­gebers gebunden[2]
  • Bei rechts­miss­bräuch­licher Nutzung der Vollmacht können zivilrecht­liche und strafrecht­liche Konse­quenzen drohen[2]

Die Rechts­lage bei Schenkungen - neue Regelungen seit 2023

Ein wichtiger Punkt betrifft die Formulierung “Schenkungen in dem Rahmen, der einem Betreuer rechtlich gestattet ist”. Diese Einschrän­kung bezieht sich auf die gesetz­lichen Regeln für Betreuer:innen bezüg­lich Schenkungen.

Bis Ende 2022 galt für Betreuer:innen ein striktes Schenkungs­verbot (§§ 1908i Abs. 2, 1804 BGB alte Fassung). Ausnahmen waren nur in sehr engen Grenzen möglich[18][19][20]:

  • Anstands­schenkungen: Kulturell übliche Geschenke zu besonderen Anlässen wie Weihnachten, Geburts­tagen, Taufen etc.
  • Pflicht­schenkungen: Schenkungen, bei denen auf den Anstand zu nehmende Rücksicht entsprochen wird

Seit dem 1. Januar 2023 wurde diese strenge Regelung durch § 1854 Nr. 8 BGB ersetzt. Das absolute Schenkungs­verbot wurde aufgehoben und durch eine Genehmigungs­pflicht ersetzt[19][25][32].

Nun sind Schenkungen erlaubt, wenn sie:

  • nach den Lebens­verhält­nissen des Betreuten angemessen sind oder
  • als Gelegenheits­geschenk üblich sind[25][32]

Für Schenkungen, die diese Kriterien nicht erfüllen, ist eine Genehmigung des Betreuungs­gerichts erforder­lich.

Dynamisch oder statisch? Ein rechtliches Problem

Bei Vorsorge­vollmachten, die vor 2023 erteilt wurden und die Formulierung “Schenkungen in dem Rahmen, der einem Betreuer rechtlich gestattet ist” enthalten, stellt sich eine wichtige Frage:

Gilt die alte, strenge Rechts­lage (statische Verweisung) oder die neue, flexiblere Regelung (dynamische Verweisung)?

Die Rechts­lage hierzu ist noch nicht abschließend geklärt[12][30]:

  • Statische Verweisung: Es gilt die zum Zeitpunkt der Vollmacht­erteilung geltende Rechts­lage (strenges Schenkungs­verbot)
  • Dynamische Verweisung: Es gilt die jeweils aktuelle Rechts­lage (seit 2023 erweiterte Möglich­keiten)

In der juristischen Literatur werden beide Auf­fassungen vertreten. Für die Praxis bedeutet dies eine gewisse Rechts­unsicher­heit.

Besonders heikel: Schenkungen an sich selbst

Ein besonders sensibler Bereich sind Schenkungen, die der Bevoll­mächtigte an sich selbst oder nahe Angehörige vornimmt[5][8][24].

Grund­sätzlich gilt:

  • Schenkungen des Bevoll­mächtigten an sich selbst sind nur zulässig, wenn der Vollmacht­geber dies ausdrück­lich und ein­deutig erlaubt hat[2]
  • Die Zu­stimmung des Vollmacht­gebers sollte schriftlich und eindeutig dokumentiert sein[2]
  • Auch bei Selbst­schenkungen darf der Bevoll­mächtigte nicht gegen den ausdrück­lichen Willen des Vollmacht­gebers handeln[2]

Der Bundes­gerichts­hof hat 2016 in einem Fall entschieden, in dem ein Bevoll­mächtigter behauptete, das gesamte Vermögen sei ihm geschenkt worden. Der BGH stellte klar, dass ein Form­mangel eines Schenkungs­vertrags, in dem sich der Schenker zur Über­tragung seines gesamten gegen­wärtigen Vermögens verpflichtet, nicht durch Vollzug geheilt wird[5].

Praktische Empfehlungen für Ihre Vorsorge­vollmacht

Um Probleme zu vermeiden, sollten Sie bei der Erstellung Ihrer Vorsorge­vollmacht folgende Punkte beachten:

  1. Definieren Sie klar, ob und welche Schenkungen der Bevoll­mächtigte vornehmen darf[22]
  2. Legen Sie Grenzen für mögliche Schenkungen fest (z.B. Höchst­beträge oder bestimmte Anlässe)
  3. Bei Schenkungen an den Bevoll­mächtigten selbst: Ausdrück­liche und detail­lierte Regelung treffen
  4. Dokumentieren Sie Ihre Wünsche bezüg­lich regel­mäßiger Zuwen­dungen an bestimmte Personen
  5. Regeln Sie Rechen­schafts­pflichten des Bevoll­mächtigten

Schutz vor Missbrauch und mögliche Konsequenzen

Der Missbrauch einer Vorsorge­vollmacht für unrecht­mäßige Schenkungen kann ernste Folgen haben:

  • Zivilrecht­liche Konsequenzen: Schadens­ersatz­ansprüche gegen den Bevoll­mächtigten
  • Anfechtung oder Rück­abwicklung der Schenkung
  • Strafrecht­liche Sanktionen bei Betrug oder Untreue
  • Bestellung eines Kontroll­betreuers durch das Betreuungs­gericht

Erben können vom Bevoll­mächtigten Auskunft und Rechen­schaft verlangen über die von ihm für den Erblasser geführten Geschäfte (§§ 662, 666 BGB)[8].

Fazit: Was bedeutet das für Sie?

Ob Bevoll­mächtigte mit einer Vorsorge­vollmacht Schenkungen vornehmen dürfen, hängt maßgeb­lich vom Inhalt der Vollmacht ab. Ohne ausdrück­liche Regelung sind Schenkungen zwar grund­sätz­lich möglich, aber der Bevoll­mächtigte muss immer im Interesse des Vollmacht­gebers handeln.

Für eine rechts­sichere Gestaltung empfehlen wir:

  1. Treffen Sie klare Regelungen zu Schenkungen in Ihrer Vorsorge­vollmacht
  2. Wählen Sie eine vertrauens­würdige Person als Bevoll­mächtigte:n
  3. Sprechen Sie offen über Ihre Wünsche bezüg­lich möglicher Schenkungen
  4. Bei Unsicher­heiten: Lassen Sie sich rechtlich beraten, etwa von Notar:innen oder auf Vorsorge­recht spezialisierte Anwälte:innen

Bei bereits bestehenden Vollmachten mit Verweis auf die Befugnisse eines Betreuers sollten Sie prüfen, ob eine Aktualisierung unter Berück­sichtigung der neuen Rechts­lage seit 2023 sinn­voll ist.

Eine klar geregelte Vorsorge­vollmacht bietet Ihnen die Sicherheit, dass Ihre Wünsche respektiert werden - auch wenn Sie selbst einmal nicht mehr entscheiden können.