Wie schützt man das Erbe vor Missbrauch durch den Vormund oder Dritte?
Um das Erbe vor Missbrauch durch Betreuer:innen oder Dritte zu schützen, sollten Sie nur vertrauenswürdige Personen mit einer Vollmacht ausstatten und Sicherheitsmechanismen wie Kontrollfunktionen, Berichtspflichten und ein Verbot von Insichgeschäften einbauen. Eine notarielle Beurkundung bietet zusätzlichen Schutz, und regelmäßige Überprüfung sowie klare testamentarische Regelungen sichern Ihren Willen ab. Bei Verdacht auf Missbrauch können Vollmachten widerrufen, Kontrollbetreuungen angeregt oder rechtliche Schritte eingeleitet werden.
- Die rechtliche Situation verstehen
- Typische Szenarien des Missbrauchs erkennen
- Vorbeugende Maßnahmen zum Schutz Ihres Vermögens
- Handlungsoptionen bei Verdacht auf Missbrauch
- Rechtliche Besonderheiten für Berufsbetreuer:innen
- Praktische Checkliste für sichere Vorsorge
- Formulierungsvorschläge für Ihre Vollmacht
- Die Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle
Jedes Jahr stehen viele Menschen vor der Frage, wie sie ihr Vermögen vor unberechtigten Zugriffen schützen können - besonders wenn sie aufgrund von Alter oder Krankheit auf Unterstützung angewiesen sind. Die richtige Vorsorge kann Ihr Erbe vor Missbrauch durch Betreuer:innen oder andere Personen bewahren und sicherstellen, dass Ihr Wille respektiert wird.
Die rechtliche Situation verstehen
Seit dem 1. Januar 2023 hat der Gesetzgeber mit dem § 30 des Betreuungsorganisationsgesetzes (BtOG) neue Schutzmechanismen geschaffen. Beruflichen Betreuer:innen ist es nun untersagt, von ihren Betreuten geldwerte Leistungen anzunehmen - auch nicht im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen[1]. Dies gilt jedoch nur für Berufsbetreuer:innen, nicht für ehrenamtliche Betreuer:innen, was zu einer ungleichen Rechtslage führt.
Die Neuregelung betrifft [Testamente]((/ratgeber/testament/testament-grundlagen/was-ist-ein-testament), die nach dem 1.1.2023 errichtet wurden. Bei älteren Testamenten gilt die frühere Rechtslage[1]. Für Betroffene bedeutet dies: Die sorgfältige Auswahl der Betreuer:innen ist entscheidend, um Ihr Vermögen zu schützen.
Typische Szenarien des Missbrauchs erkennen
Missbrauch beginnt häufig schleichend. Die Polizei beobachtet einen Anstieg von Delikten, bei denen ältere Menschen Opfer werden - etwa durch Diebstahl, Unterschlagung, Betrug und Untreue[6]. Ein typisches Muster:
- Eine Person gewinnt das Vertrauen des älteren Menschen durch kleine Hilfeleistungen
- Später werden Aufwandsentschädigungen gefordert oder freiwillig gewährt
- Der:die Helfer:in erhält Bankvollmachten oder sogar eine Vorsorgevollmacht
- Mit dieser Vollmacht werden dann Vermögenswerte zum Nachteil des Vollmachtgebers übertragen[6]
Besonders gefährdet sind Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, etwa durch beginnende Demenz. Nicht selten handelt es sich bei den Täter:innen um Personen aus dem nahen Umfeld - etwa neue Lebenspartner:innen, Nachbar:innen, Pflegefachkräfte oder sogar Familienangehörige[6].
Vorbeugende Maßnahmen zum Schutz Ihres Vermögens
1. Sorgfältige Auswahl der bevollmächtigten Person
Der wirksamste Schutz beginnt bei der Auswahl der Person, der Sie Ihre Vollmacht anvertrauen. Wählen Sie nur Menschen, denen Sie vollständig vertrauen können[2]. Denken Sie daran: Eine Vollmacht bedeutet “volle Macht” und kann weitreichende Konsequenzen haben.
2. Kontrollinstrumente in Vollmachten einbauen
Bauen Sie Sicherheitsmechanismen in Ihre Vollmacht ein:
- Verpflichten Sie Bevollmächtigte zur Rechenschaftslegung gegenüber einer dritten Person
- Richten Sie ein Vier-Augen-Prinzip ein, bei dem wichtige Entscheidungen die Zustimmung einer zweiten Person erfordern
- Setzen Sie ein Verbot des Insichgeschäfts fest, das verhindert, dass der:die Bevollmächtigte mit sich selbst Geschäfte abschließt[2]
- Legen Sie klare Vorgaben für den Umgang mit Ihrem Vermögen fest
3. Notarielle Beurkundung nutzen
Eine notarielle Beurkundung bietet zusätzlichen Schutz. Der Notar prüft Ihre Geschäftsfähigkeit und berät Sie umfassend zu den Risiken. Dies kann später als Nachweis dienen, dass Sie bei der Erstellung der Vollmacht geschäftsfähig waren und nicht unter Druck standen[2].
4. Regelmäßige Überprüfung der Vollmacht
Überprüfen Sie vorhandene Vollmachten in regelmäßigen Abständen und passen Sie sie bei Bedarf an. Achten Sie besonders auf Änderungen in Ihren persönlichen Beziehungen oder Ihrer finanziellen Situation.
Handlungsoptionen bei Verdacht auf Missbrauch
Für Vollmachtgeber:innen
Wenn Sie selbst eine Vollmacht erteilt haben und Missbrauch vermuten, können Sie folgende Schritte unternehmen:
- Widerrufen Sie die Vollmacht umgehend, solange Sie dazu noch in der Lage sind
- Informieren Sie Banken und andere Institutionen über den Widerruf
- Holen Sie rechtlichen Rat bei einer Anwältin oder einem Anwalt ein
- Erstatten Sie bei Verdacht auf Straftaten Anzeige bei der Polizei
Für Angehörige und dritte Personen
Wenn Sie als Angehörige:r einen Missbrauch vermuten, stehen Ihnen diese Möglichkeiten zur Verfügung:
- Anregung einer Kontrollbetreuung: Bei Verdacht auf Missbrauch können Sie beim Betreuungsgericht gemäß § 1896 Abs. 3 BGB die Einsetzung eines Kontrollbetreuers anregen[5][7]
- Durchsetzung von Auskunftsansprüchen: Nach dem Tod des Vollmachtgebers können die Erben Auskunft über alle Handlungen des Bevollmächtigten verlangen[3][9]
- Rückforderung von veruntreuten Geldern: Erben haben das Recht, missbräuchlich verwendete Gelder zurückzufordern[9][12]
Wichtig: Der Bevollmächtigte steht in einem Auftragsverhältnis zum Vollmachtgeber und muss nach § 666 BGB Rechenschaft ablegen - diese Pflicht geht nach dem Tod auf die Erben über[12].
Rechtliche Besonderheiten für Berufsbetreuer:innen
Für beruflich tätige Betreuer:innen gelten seit 2023 besondere Regeln:
- Sie dürfen keine geldwerten Leistungen von Betreuten annehmen
- Ausnahmen sind geringwertige Aufmerksamkeiten und zusätzliche Vergütungen außerhalb der Betreuervergütung
- Eine Ausnahmegenehmigung kann das Betreuungsgericht auf Antrag erteilen[1]
Missachtet ein:e Berufsbetreuer:in diese Regeln, drohen berufsrechtliche Konsequenzen wie die Entlassung oder der Widerruf der Registrierung[1].
Praktische Checkliste für sichere Vorsorge
✓ Vertrauenswürdigkeit prüfen: Wählen Sie nur Personen, die einen tadellosen Ruf haben
✓ Mehrere Personen einbeziehen: Bestimmen Sie mindestens zwei Bevollmächtigte, die sich gegenseitig kontrollieren
✓ Schriftliche Anweisungen: Halten Sie in einem Begleitschreiben fest, wie die Vollmacht ausgeübt werden soll
✓ Dokumentationspflicht: Verpflichten Sie Bevollmächtigte zur lückenlosen Dokumentation aller Handlungen
✓ Regelmäßige Berichte: Legen Sie fest, dass Bevollmächtigte in bestimmten Zeitabständen einer Vertrauensperson Bericht erstatten müssen
✓ Notarielle Beratung: Lassen Sie sich umfassend beraten und die Vollmacht notariell beurkunden
✓ Testamentarische Regelungen: Treffen Sie klare Festlegungen in Ihrem Testament, wie mit Ihrem Vermögen verfahren werden soll
Formulierungsvorschläge für Ihre Vollmacht
Folgende Formulierungen können Sie in Ihre Vollmacht aufnehmen:
Kontrollfunktion: “Der:Die Bevollmächtigte ist verpflichtet, [Name der Kontrollperson] jederzeit auf Verlangen vollständige Auskunft über alle vorgenommenen Rechtsgeschäfte zu erteilen und Einsicht in alle Unterlagen zu gewähren.”
Berichtspflicht: “Der:Die Bevollmächtigte muss [halbjährlich/jährlich] einen schriftlichen Bericht über alle getätigten Geschäfte und den Stand des Vermögens erstellen und diesen [Name der Vertrauensperson] zukommen lassen.”
Verbot des Insichgeschäfts: “Der:Die Bevollmächtigte darf die Vollmacht nicht dazu nutzen, mit sich selbst Rechtsgeschäfte im eigenen Namen oder als Vertreter:in eines Dritten abzuschließen.”
Die Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle
Ein gut durchdachter Schutz Ihres Erbes bedeutet, die richtige Balance zu finden. Vertrauen ist grundlegend, aber vernünftige Kontrollmechanismen bieten zusätzliche Sicherheit.
Letztlich sollten Sie bei der Gestaltung Ihrer Vorsorgedokumente professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt für Familienrecht oder Erbrecht kann Sie bei der Erstellung rechtssicherer Dokumente unterstützen, die Ihr Vermögen auch dann schützen, wenn Sie selbst nicht mehr handlungsfähig sind.
Denken Sie daran: Die beste Vorsorge ist die, die Sie frühzeitig und mit Bedacht treffen - lange bevor sie benötigt wird.