Was passiert, wenn im Testament kein Vormund für minder­jährige Kinder festgelegt wurde?

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Zusammenfassung

Wenn im Testament kein Vormund für minderjährige Kinder festgelegt wurde, entscheidet das Familiengericht über die Vormundschaft, orientiert am Kindeswohl und unter Einbeziehung von Faktoren wie familiären Bindungen und dem Willen des Kindes. Eltern können jedoch vorsorgen, indem sie in einer letztwilligen Verfügung eine geeignete Person als Vormund benennen und dies vorab mit der betreffenden Person abstimmen. Dies schafft Sicherheit für die Kinder und vermeidet Unsicherheiten im Ernstfall.

Der plötzliche Verlust beider Eltern ist für Kinder eine traumatische Erfahrung. Neben der emotionalen Belastung stellt sich auch die rechtliche Frage: Wer kümmert sich nun um die Kinder? Haben Eltern keinen Vormund im Testament benannt, greift ein gesetzlich vorgegebenes Verfahren. Dieser Artikel erklärt, was in solchen Fällen geschieht und wie Sie als Eltern vorsorgen können.

Die Entscheidungshoheit liegt beim Familien­gericht

Wenn Eltern in ihrer letztwilligen Verfügung keinen Vormund bestimmt haben oder gar kein Testament oder Sorgerechtsverfügung existiert, übernimmt das Familien­gericht die Verantwortung. Das Gericht bestimmt dann von Amts wegen einen geeigneten Vormund für die minder­jährigen Kinder[6]. Dieser Prozess beginnt automatisch, sobald dem Gericht bekannt wird, dass beide Eltern verstorben sind oder aus anderen Gründen das Sorgerecht nicht mehr ausüben können.

Das Familien­gericht trifft seine Entscheidung nicht willkürlich. Es hört zunächst das Jugendamt an und prüft verschiedene Faktoren, bevor es einen Vormund ernennt[4].

Wenn ein Elternteil noch lebt: Automatische Sorgerechts­übertragung

In vielen Fällen stellt sich die Frage nach einem Vormund zunächst nicht, da ein Elternteil noch lebt:

  • Bei gemeinsamem Sorgerecht: Verstirbt ein Elternteil, erhält der überlebende Elternteil automatisch das alleinige Sorgerecht[1].
  • Bei alleinigem Sorgerecht: War nur der verstorbene Elternteil sorge­berechtigt, wird das Sorgerecht in der Regel auf den anderen Elternteil übertragen, sofern dies nicht dem Wohl des Kindes wider­spricht[2].

Welche Kriterien berücksichtigt das Familien­gericht?

Bei der Auswahl eines Vormunds orientiert sich das Gericht an mehreren Faktoren:

  1. Familiäre Bindungen: Eine Richterin oder ein Richter prüft zuerst den Familien- und Freundes­kreis[8].
  2. Persönliche Beziehung zum Kind: Die bestehende Beziehung zwischen dem potenziellen Vormund und dem Kind spielt eine zentrale Rolle[8].
  3. Finanzielle Situation: Die wirtschaftliche Lage der möglichen Vormünder wird berücksichtigt[8].
  4. Alter und Gesundheit: Der Vormund sollte in der Lage sein, die Vormundschaft bis zur Volljährigkeit des Kindes auszuüben[8].
  5. Geschwister­beziehungen: Das Gericht versucht, Geschwister nicht zu trennen und beim gleichen Vormund unterzubringen[8].

Nicht als Vormund geeignet sind Minder­jährige, geschäftsunfähige Personen oder Menschen, die selbst unter rechtlicher Betreuung stehen[6].

Mitspracherecht der Kinder

Kinder haben ein gesetzlich verankertes Mitspracherecht bei der Vormundschafts­regelung:

  • Ab dem 14. Lebensjahr können Kinder einen vom Gericht oder von den Eltern bestimmten Vormund ablehnen[8][4].
  • Das Familien­gericht berücksichtigt bei seiner Entscheidung generell den Willen des Kindes, je nach Alter und Reife in unterschiedlichem Maß.

Was macht ein Vormund?

Die Aufgaben eines Vormunds umfassen:

  • Übernahme der rechtlichen und finanziellen Verpflichtungen für das Kind
  • Ausübung der elterlichen Sorge (Entscheidungen über Schule, Ausbildung, medizinische Behandlungen)
  • Verwaltung des Vermögens des Kindes

Wichtig zu wissen: Ein Vormund muss das Kind nicht zwingend bei sich zu Hause aufnehmen. Er oder sie kann auch entscheiden, dass das Kind in einer Pflege­familie, einem Kinderheim oder einer Wohngruppe untergebracht wird[8].

Besondere Situation für Allein­erziehende

Für allein­erziehende Eltern besteht häufig die Sorge, dass im Todesfall der andere Elternteil automatisch das Sorgerecht erhält und damit auch Zugriff auf das Erbe des Kindes bekommt.

Sie können in Ihrem Testament festlegen:

  • Einen Vormund für den Fall, dass Sie als allein sorge­berechtigter Elternteil versterben[2][7].
  • Den Ausschluss des anderen Elternteils von der Vermögens­sorge, auch wenn dieser das Sorgerecht erhält[2].
  • Gründe, warum eine Übertragung des Sorgerechts auf den anderen Elternteil dem Kindeswohl wider­sprechen würde[2].

So können Sie als Eltern vorsorgen

Um Ihre minderjährigen Kinder bestmöglich abzusichern, sollten Sie:

  1. Einen Vormund im Testament benennen: Die Benennung muss in einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) erfolgen[1][6].
  2. Die Person eindeutig identifizieren: Geben Sie Name, Geburts­datum und Adresse an[1].
  3. Vorher mit der Person sprechen: Klären Sie, ob die ausgewählte Person bereit ist, die Vormundschaft zu übernehmen[6].
  4. Einen Ersatz­vormund benennen: Falls die erste Person ausfällt oder ablehnt[6].
  5. Bei mehreren Kindern: Überlegen Sie, ob alle Kinder denselben Vormund haben sollen, um Geschwister nicht zu trennen.
  6. Die formellen Anforderungen beachten: Die Benennung eines Vormunds muss entweder in einem handschriftlichen Testament oder in einem notariell beurkundeten Testament bzw. Erbvertrag erfolgen[1].

Fallbeispiel: Familie Müller

Nadine und Thomas Müller haben zwei Kinder im Alter von 7 und 9 Jahren. Sie machen sich Gedanken, was mit ihren Kindern geschehen würde, wenn sie bei einem Unfall beide ums Leben kämen. In ihrem Testament haben sie Nadines Schwester Fatima als Vormundin benannt und mit ihr abgesprochen, dass sie im Ernstfall die Kinder bei sich aufnimmt. Als Ersatz­vormund haben sie Thomas’ besten Freund Ali eingesetzt, für den Fall, dass Fatima nicht in der Lage sein sollte, die Vormundschaft zu übernehmen.

Fazit: Vorsorge schafft Sicherheit

Wenn Sie kein Testament hinterlassen oder darin keinen Vormund für Ihre minderjährigen Kinder bestimmen, entscheidet das Familien­gericht nach gesetzlichen Vorgaben. Obwohl das Gericht stets das Kindeswohl im Auge behält, kennen Sie als Eltern die Bedürfnisse Ihrer Kinder und die Personen, die sich am besten um sie kümmern können, am besten.

Eine rechtzeitige und sorgfältige Regelung der Vormundschaft gibt Ihnen die Gewissheit, dass Ihre Kinder auch dann in guten Händen sind, wenn Ihnen etwas zustoßen sollte. Sprechen Sie mit einer Rechts­anwältin, einem Rechts­anwalt oder notariellen Fachkräften, um die für Ihre Familie passende Lösung zu finden.