Wie wirken sich Pflichtteilsansprüche auf die steuerliche Belastung des Nachlasses aus?

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Zusammenfassung

Pflichtteilsansprüche beeinflussen die steuerliche Belastung eines Nachlasses erheblich: Für Erb:innen können geltend gemachte Pflichtteile als Nachlassverbindlichkeit die Erbschaftsteuer reduzieren, während Pflichtteilsberechtigte erst bei Geltendmachung steuerpflichtig werden. Steuerliche Fallstricke wie Doppelbesteuerung bei Verzicht oder Vererbungen des Pflichtteilsanspruchs erfordern sorgfältige Planung, weshalb eine fachkundige Beratung empfehlenswert ist.

Bei der Regelung eines Nachlasses spielen Pflichtteilsansprüche eine bedeutende Rolle - nicht nur für die beteiligten Personen, sondern auch für die steuerliche Belastung. Der Pflichtteilsanspruch hat sowohl für Erben als auch für Pflichtteilsberechtigte erhebliche steuerliche Konsequenzen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie sich Pflichtteilsansprüche auf die Erbschaft­steuer auswirken und welche steuerlichen Gestaltungs­möglichkeiten bestehen.

Was ist ein Pflichtteilsanspruch?

Der Pflichtteilsanspruch ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Nachlass für nahe Angehörige, auch wenn diese durch ein Testament oder einen Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen wurden.

Pflichtteilsberechtigt sind:

  • Kinder und entferntere Abkömmlinge (z.B. Enkel)
  • Ehegatten
  • Eltern (aber nur bei kinderlosen Erblasser:innen)[1][7]

Der Pflichtteil beträgt stets die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wichtig zu wissen: Der Pflichtteil ist kein Anspruch auf konkrete Vermögenswerte aus dem Nachlass, sondern ein reiner Geldanspruch gegen die Erb:innen[1].

Steuerliche Auswirkungen für den Erben

Für Erb:innen stellt sich oft die Frage, wie sich ein Pflichtteilsanspruch auf ihre eigene steuerliche Belastung auswirkt. Hier gilt:

Pflichtteil als Nachlassverbindlichkeit

Der Pflichtteil kann die Steuerlast des Erben reduzieren - allerdings nur unter einer wichtigen Bedingung: Der Pflichtteilsanspruch muss vom Berechtigten tatsächlich geltend gemacht worden sein[4][5]. Das alleinige Bestehen von Pflichtteilsansprüchen mindert die Steuerlast des Erben noch nicht[5].

Wird der Pflichtteil geltend gemacht, kann der Erbe diesen als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG von seinem steuerpflichtigen Erwerb abziehen[4][5].

Beispiel:
Ein Erbe erhält ein Grundstück im Wert von 1 Million Euro. Ein pflichtteilsberechtigtes Kind macht seinen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 250.000 Euro geltend. In diesem Fall beträgt der der Erbschaftsteuer zu unterwerfende Erwerb für den Erben nur 750.000 Euro[5].

Steuerliche Auswirkungen für Pflichtteilsberechtigte

Auch für Pflichtteilsberechtigte ergeben sich wichtige steuerliche Konsequenzen:

Steuerpflicht erst bei Geltendmachung

Anders als beim zivilrechtlichen Anspruch, der automatisch mit dem Tod des Erblassers entsteht, wird der Pflichtteil erst dann erbschaftsteuerpflichtig, wenn er vom Berechtigten gegenüber dem Erben geltend gemacht wird[2][4][5][8].

Die Berechnung der Erbschaftsteuer erfolgt dann wie folgt:

  1. Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs
  2. Abzug des persönlichen Freibetrags
  3. Anwendung des entsprechenden Steuersatzes auf den steuerpflichtigen Erwerb[4]

Beispiel aus den Suchquellen:
Ein Sohn A wurde vom Erblasser enterbt. Die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs beträgt 860.000 Euro. Nach Abzug des persönlichen Freibetrags von 400.000 Euro verbleibt ein steuerpflichtiger Erwerb von 460.000 Euro. Bei einem Steuersatz von 11 Prozent ergibt sich eine Steuerbelastung von 50.600 Euro. Hätte A seinen Pflichtteilsanspruch nicht geltend gemacht, wäre keine Besteuerung erfolgt[4].

Besondere steuerliche Fallstricke

Bei Pflichtteilsansprüchen gibt es einige steuerliche Besonderheiten, die zu beachten sind:

Vorsicht bei vorschneller Geltendmachung

Wenn ein Pflichtteilsberechtigter seinen Anspruch zunächst geltend macht, sich später aber anders entscheidet und auf den Pflichtteil verzichtet, entstehen gleich zwei steuerliche Nachteile:

  1. Der Pflichtteilsberechtigte muss den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch versteuern - selbst wenn ihm kein Cent zugeflossen ist[2].
  2. Der spätere Verzicht gilt als freigebige Zuwendung an den Erben und löst eine weitere Steuer aus - mit meist niedrigeren Freibeträgen und höheren Steuersätzen[2].

Tod des Pflichtteilsberechtigten

Verstirbt ein Pflichtteilsberechtigter, ohne seinen Anspruch geltend gemacht zu haben, geht der Anspruch auf seine Erb:innen über. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH vom 7.12.2016, II R 21/14) entsteht die Erbschaftsteuer für die Erb:innen des Pflichtteilsberechtigten bereits mit dessen Tod - unabhängig davon, ob der geerbte Pflichtteilsanspruch überhaupt geltend gemacht wird[6].

Gestaltungs­möglichkeiten zur steuerlichen Optimierung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die steuerlichen Folgen von Pflichtteilsansprüchen zu gestalten:

Nutzung der Verjährungsfrist

Der Pflichtteilsberechtigte muss seinen Anspruch nicht sofort nach dem Erbfall geltend machen. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab Kenntnis vom Erbfall. Diese Zeit kann genutzt werden, um steuerliche Vorteile zu erlangen, etwa wenn sich in dieser Zeit ein höherer Freibetrag nutzen lässt[8].

Auskunftsverlangen mit Vorbehalt

Wer sich noch nicht sicher ist, ob er den Pflichtteil tatsächlich verlangen möchte, sollte zunächst nur Auskunft über den Bestand des Nachlasses vom Erben begehren. Dabei ist es unbedingt wichtig klarzustellen, dass bei diesem Auskunftsverlangen die Geltendmachung des Pflichtteils ausdrücklich vorbehalten wird[2].

Koordinierte Nachlass­planung innerhalb der Familie

Manchmal kann es sinnvoll sein, den Pflichtteil aus steuerlichen Gründen gezielt geltend zu machen - insbesondere nach dem Tod eines Elternteils, wenn für alle Beteiligten klar ist, dass nur die Kinder als Schluss­erb:innen in Betracht kommen. Durch die Geltendmachung des Pflichtteils kann die Gesamtsteuerbelastung des Nachlasses gesenkt werden[8].

Wann lohnt sich die Geltendmachung des Pflichtteils aus steuerlicher Sicht?

Die Entscheidung, ob die Geltendmachung des Pflichtteils aus steuerlicher Sicht sinnvoll ist, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Höhe des persönlichen Freibetrags (z.B. 400.000 Euro für Kinder)
  • Steuersatz (abhängig von der Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs)
  • Nachlasswert und Höhe des Pflichtteilsanspruchs
  • Wirtschaftliche Situation des Erben (Liquidität zur Auszahlung des Pflichtteils)[8]

Eine pauschale Antwort ist nicht möglich - die steuerliche Optimierung hängt von den individuellen Umständen ab. Eine fachkundige Beratung durch Steuerberater:innen oder Fachanwält:innen für Erbrecht ist daher empfehlenswert.

Fazit

Pflichtteilsansprüche können erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Belastung eines Nachlasses haben - sowohl für Erb:innen als auch für Pflichtteilsberechtigte. Die steuerlichen Folgen hängen wesentlich davon ab, ob der Pflichtteil geltend gemacht wird oder nicht.

Für Erb:innen kann der geltend gemachte Pflichtteil als Nachlassverbindlichkeit die eigene Steuerbelastung mindern. Für Pflichtteilsberechtigte entsteht die Erbschaftsteuerpflicht erst mit der Geltendmachung des Anspruchs.

Angesichts der komplexen steuerlichen Regelungen und potenzieller Fallstricke ist es ratsam, sich vor wichtigen Entscheidungen fachkundig beraten zu lassen. So können Sie sicherstellen, dass Ihre Entscheidungen zu Pflichtteilsansprüchen sowohl Ihren persönlichen Wünschen als auch steuerlichen Überlegungen gerecht werden.