Welche steuerlichen Unterschiede gibt es zwischen Schenkung zu Lebzeiten und Erbschaft?

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Zusammenfassung

Der steuerliche Haupt­unterschied zwischen Schenkung und Erbschaft liegt in der Möglichkeit, die Frei­beträge bei Schenkungen alle zehn Jahre erneut zu nutzen, was eine erhebliche Steuer­ersparnis ermöglicht. Während bei Erbschaften die Steuer mit dem Tod automatisch fällig wird, erlaubt die Schenkung eine frühzeitige Vermögens­übertragung, die auch Pflichtteils­ansprüche reduzieren und Erbstreitigkeiten vermeiden kann. Eine sorgfältige Planung ist entscheidend, um steuerliche Vorteile zu nutzen und gleichzeitig die eigene finanzielle Absicherung zu gewährleisten.

Wenn es um die Über­tragung von Vermögen geht, stehen Ihnen grundsätzlich zwei Wege offen: die Schenkung zu Lebzeiten oder die Vererbung nach dem Tod. Beide Formen der Vermögens­übertragung haben steuerliche Konsequenzen, die sich jedoch in wichtigen Punkten unterscheiden. Dieser Artikel gibt Ihnen einen Über­blick über die wesentlichen steuerlichen Unterschiede und zeigt auf, welche Vorteile eine frühzeitige Planung bieten kann.

Rechtliche Grundlagen: Was verbindet und was unterscheidet beide Steuerarten?

Die Erbschaft­steuer und die Schenkungs­steuer sind in Deutschland im selben Gesetz geregelt - dem Erbschaft­steuer- und Schenkungs­steuergesetz (ErbStG). Die Schenkungs­steuer wird dabei oft als “vorweg­genommene Erbschaft­steuer” bezeichnet, da sie eine Umgehung der Erbschaft­steuer durch Vermögens­übertragungen zu Lebzeiten verhindern soll.[2]

Der grundlegende Unterschied: Die Erbschaft­steuer fällt bei Vermögens­übertragungen nach dem Tod an (Erwerb von Todes wegen), während die Schenkungs­steuer bei Übertragungen unter Lebenden greift.[1][2]

In beiden Fällen ist die Person, die das Vermögen erhält, grundsätzlich steuer­pflichtig. Die Steuer wird dabei auf den Wert des über­tragenen Vermögens berechnet, jedoch erst nach Abzug der geltenden Frei­beträge.

Freibeträge: Gleiche Regeln, aber unterschiedliche Nutzungs­möglichkeiten

Ein zentraler Vorteil der Schenkung gegenüber der Erbschaft liegt in der mehrfachen Nutzungs­möglichkeit der Frei­beträge. Diese Frei­beträge sind für beide Steuerarten identisch und staffeln sich nach dem Verwandt­schafts­verhältnis:

Verwandtschaftsverhältnis Freibetrag
Ehegatt:innen oder eingetragene Lebenspartner:innen 500.000 Euro
Kinder und Stiefkinder 400.000 Euro
Enkelkinder (Eltern verstorben) 400.000 Euro
Enkelkinder (Eltern leben) 200.000 Euro
Urenkel 100.000 Euro
Eltern, Großeltern (bei Erbschaft) 100.000 Euro
Alle anderen Personen 20.000 Euro

Der entscheidende Unterschied: Bei Schenkungen können Sie diese Frei­beträge alle zehn Jahre erneut in Anspruch nehmen. Dies ermöglicht eine langfristige Steuer­planung durch mehrere gestaffelte Schenkungen.[1][2][4]

Die Steuerklassen: Ausschlaggebend für den Steuersatz

Sowohl bei der Erbschaft- als auch bei der Schenkungs­steuer bestimmt das Verwandt­schafts­verhältnis nicht nur die Höhe des Frei­betrags, sondern auch die Steuer­klasse. Diese wiederum entscheidet über den anzuwendenden Steuersatz:

Steuerklasse I:

  • Ehepartner:innen und eingetragene Lebenspartner:innen
  • Kinder und Stiefkinder
  • Enkelkinder
  • Bei Erbschaften auch: Eltern und Großeltern

Steuerklasse II:

  • Eltern und Großeltern (bei Schenkungen)
  • Geschwister und deren Kinder
  • Stiefeltern, Schwieger­kinder, Schwieger­eltern
  • Geschiedene Ehepartner:innen

Steuerklasse III:

  • Alle übrigen Personen[1][2]

Besonderheit: Beachten Sie, dass Eltern und Großeltern bei Schenkungen in die Steuer­klasse II fallen, während sie bei Erbschaften der vorteil­hafteren Steuer­klasse I zugeordnet werden.[1]

Die 10-Jahres-Regel: Schlüsselelement der Schenkungsstrategie

Bei der Schenkung gilt die sogenannte 10-Jahres-Regel, die folgende wichtige Aspekte umfasst:

  1. Erneute Nutzung von Freibeträgen: Alle zehn Jahre können die persönlichen Frei­beträge erneut vollständig ausgeschöpft werden. So können Sie beispielsweise Ihrem Kind alle zehn Jahre 400.000 Euro steuerfrei schenken.[3][4][7]

  2. Zusammenrechnung mit dem Erbe: Stirbt der Schenker innerhalb von zehn Jahren nach einer Schenkung, werden die Schenkungen der letzten zehn Jahre mit dem vererbten Vermögen zusammen­gerechnet. Dies kann zu einer höheren Steuer­belastung führen.[1][7]

Wichtig: Diese Regelung macht eine voraus­schauende Planung besonders wertvoll - je früher mit der schritt­weisen Vermögens­übertragung begonnen wird, desto mehr 10-Jahres-Zeiträume können genutzt werden.

Meldepflichten und formale Anforderungen

Auch bei den formalen Anforderungen bestehen Unterschiede:

Bei Schenkungen:

  • Der oder die Beschenkte ist verpflichtet, die Schenkung innerhalb von drei Monaten dem zuständigen Finanz­amt anzuzeigen (§ 30 ErbStG).
  • Auch die schenkende Person ist zur Anzeige verpflichtet.
  • Eine nicht angezeigte Schenkung kann als Steuer­hinterziehung gewertet werden.[1][8]

Bei Erbschaften:

  • Die Steuer entsteht automatisch mit dem Erbfall.
  • Bei notariellen Testamenten informiert das Nachlass­gericht automatisch das Finanz­amt.
  • Bei privatschriftlichen Testamenten muss der Erbe oder die Erbin den Erbfall selbst anzeigen.[1][8]

Praktische Vorteile der Schenkung zu Lebzeiten

Die Schenkung zu Lebzeiten bietet gegenüber der Vererbung mehrere praktische Vorteile:

  1. Steuerliche Optimierung: Durch geschickte Nutzung der 10-Jahres-Regel können erhebliche Steuer­vorteile entstehen.[7]

  2. Finanzielle Unterstützung zum richtigen Zeitpunkt: Sie können Angehörige dann unter­stützen, wenn diese das Geld wirklich brauchen - etwa bei der Existenz­gründung, dem Hauskauf oder während der Ausbildung.[7]

  3. Reduzierung von Pflichtteils­ansprüchen: Durch Schenkungen ver­kleinert sich der spätere Nachlass und damit auch die Basis für etwaige Pflichtteils­ansprüche.[7]

  4. Vermeidung von Erbstreitigkeiten: Durch klare Vermögens­über­tragungen zu Lebzeiten können spätere Konflikte unter Erb:innen vermieden werden.

Fallbeispiel: Unterschiedliche steuerliche Auswirkungen

Um die Unterschiede zu veranschaulichen, betrachten wir ein Beispiel:

Szenario 1 - Vererbung:
Eine Mutter mit einem Vermögen von 1.000.000 Euro verstirbt und hinterlässt ihrer Tochter das gesamte Vermögen. Nach Abzug des Frei­betrags von 400.000 Euro sind 600.000 Euro steuer­pflichtig.

Szenario 2 - Gestaffelte Schenkung:
Dieselbe Mutter schenkt ihrer Tochter zunächst 400.000 Euro (steuerfrei). Nach zehn Jahren überträgt sie weitere 400.000 Euro (ebenfalls steuerfrei). Den Rest von 200.000 Euro behält sie oder schenkt ihn nach weiteren zehn Jahren (wieder steuerfrei).

Das Ergebnis: Während im ersten Fall Erbschaft­steuer auf 600.000 Euro anfällt, kann im zweiten Fall durch geschickte zeitliche Planung das gesamte Vermögen steuerfrei übertragen werden.

Tipps zur steuergünstigen Vermögensübertragung

Folgende Strategien können Ihnen helfen, Ihr Vermögen steuerlich optimal zu übertragen:

  • Frühzeitige Planung: Beginnen Sie rechtzeitig mit der Übertragung von Vermögens­werten, um mehrere 10-Jahres-Zeiträume nutzen zu können.

  • Gezielte Verteilung: Berücksichtigen Sie die unterschiedlichen Frei­beträge je nach Verwandt­schafts­grad. Manchmal kann es sinnvoll sein, Vermögen auf mehrere Personen zu verteilen.

  • Nießbrauch vorbehalten: Bei Immobilien können Sie das Eigentum übertragen, sich aber ein Nieß­brauchs­recht vorbehalten. So bleibt Ihnen die Nutzung, während steuerlich bereits die Übertragung wirksam ist.

  • Dokumentation: Achten Sie auf eine sorgfältige Dokumentation aller Schenkungen und deren fristgerechte Anzeige beim Finanz­amt.

Chancen und Grenzen der steuerlichen Gestaltung

Die steuerlichen Vorteile der Schenkung zu Lebzeiten sind beachtlich, haben aber auch ihre Grenzen:

Chancen:

  • Mehrfache Nutzung der Frei­beträge
  • Geringere Gesamtsteuer­belastung
  • Frühere finanzielle Unterstützung der Ange­hörigen

Grenzen:

  • Verlust der Kontrolle über das verschenkte Vermögen
  • Mögliche eigene finanzielle Engpässe im Alter
  • Rechtliche Bindungswirkung von Schenkungen

Es ist daher ratsam, nicht nur die steuerlichen Aspekte zu betrachten, sondern auch die persönliche Lebens­planung und den eigenen Vermögens­bedarf im Alter zu berücksichtigen.

Fazit

Der wesentliche steuerliche Unterschied zwischen Schenkung und Erbschaft liegt nicht in unterschiedlichen Frei­beträgen oder Steuer­sätzen, sondern in der Möglichkeit, bei Schenkungen die Frei­beträge alle zehn Jahre erneut zu nutzen. Dies ermöglicht eine erhebliche Steuer­ersparnis bei voraus­schauender Planung.

Für eine optimale Vermögens­übertragung sollten Sie frühzeitig mit der Planung beginnen und neben den steuerlichen Aspekten auch Ihre persönliche Lebens­situation und Ihre eigene finanzielle Absicherung im Blick behalten. Eine fachkundige Beratung durch Steuer­berater:innen oder Erbrechts­spezialist:innen kann dabei sehr hilfreich sein.