Welche steuerlichen Fallstricke werden oft übersehen?

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Zusammenfassung

Die Erbschaft­steuer birgt viele über­sehene Fall­stricke, wie die neue Immobilien­bewertung, versteckte Schulden im Nachlass oder unver­steuertes Schwarz­geld, die zu finanziellen und rechtlichen Problemen führen können. Durch frühzeitige Planung, gezielte Nutzung von Frei­beträgen und fach­kundige Beratung lassen sich diese Risiken minimieren. Besonders wichtig ist es, steuerliche Regeln und Ausnahmen genau zu kennen, um unnötige Belastungen zu vermeiden.

Die Übertragung von Vermögen durch Erbschaft oder Schenkung birgt zahlreiche steuerliche Heraus­forderungen. Viele Menschen unter­schätzen die finanziellen Folgen und geraten dadurch in Schwierig­keiten. Kennen Sie die recht­lichen Fein­heiten und typischen Stol­per­steine? Dieser Artikel beleuchtet die wich­tigsten steuer­lichen Fall­stricke, die oft über­sehen werden.

Die Basis: Frei­beträge und Steuer­klassen richtig ver­stehen

Die Erbschaft­steuer in Deutschland basiert auf dem Erbschaft­steuer- und Schenkung­steuer­gesetz. Entscheidend für die Steuer­last sind der Wert des Ver­mögens und der Ver­wandtschaft­sgrad[1]. Viele Menschen kennen zwar die grund­legenden Frei­beträge, über­sehen jedoch wichtige Details:

Frei­beträge bei Erbschaften und Schenkungen

  • Ehe­gatt:innen oder ein­getragene Lebens­partner:innen: 500.000 €
  • Kinder: 400.000 € (von jedem Eltern­teil, also insgesamt 800.000 €)
  • Enkel­kinder: 200.000 €
  • Geschwister und entfernte Verwandte: nur 20.000 €[5]

Achtung: Diese Frei­beträge gelten jeweils nur einmal pro 10-Jahres-Zeitraum. Viele Menschen wissen nicht, dass frühere Schenkungen inner­halb dieser Frist mit dem Erbe zusammen­gerechnet werden[1].

Pro­gressive Steuer­sätze und Härte­fall­regelungen

Die Steuer­sätze steigen progressiv an - je höher der Wert über dem Frei­betrag liegt, desto höher der prozentuale Steuer­satz (von 7% bis zu 50%)[1]. Ein über­sehener Fall­strick: Bei Über­schreiten bestimmter Wert­grenzen könnte die höhere Steuer­belastung dazu führen, dass netto weniger vererbt wird als bei einem geringeren Brutto­betrag.

Beispiel: Wenn ein Enkel 801.000 € erbt, würde eine Steuer von 19% auf den Betrag über dem Frei­betrag von 200.000 € fällig - also 114.190 €. Bei einer Erb­schaft von nur 800.000 € wären es dagegen nur 15% Steuer auf 600.000 € - also 90.000 €[1].

Zum Glück gibt es eine Härte­fall­regelung (§ 19 Abs. 3 ErbStG), die solche Un­gerechtig­keiten ver­hindert. Diese wird jedoch häufig nicht bekannt oder nicht korrekt angewendet[1].

Immobilien: Die neue Bewertungs­regelung seit 2023

Ein aktueller Fall­strick betrifft geerbte Immobilien:

Seit Anfang 2023 werden Immobilien­werte für steuer­liche Zwecke näher am tat­säch­lichen Verkehrs­wert angesetzt[3]. Der Verband “Haus und Grund” schätzt, dass dadurch der zu ver­steuernde Wert um 20 bis 30 Prozent steigt[3].

Viele Erben unter­schätzen diese Änderung und sind von der höheren Steuer­belastung über­rascht. Besonders problematisch: In manchen Fällen müssen Erben das Haus der Eltern verkaufen, um die Erbschaft­steuer bezahlen zu können.

Wichtige Ausnahme: Wer von seinem Partner oder den Eltern ein Haus oder eine Wohnung erbt und darin anschließend selbst wohnt, zahlt in der Regel keine Erbschaft­steuer - für Kinder gilt dies bis zu einer Wohn­fläche von 200 Quadrat­metern[3].

Schwarzgeld im Nachlass: Ein unter­schätztes Risiko

Ein besonders gefähr­licher Fall­strick sind unver­steuerte Ver­mögens­werte im Erbe:

  • Über 90 Prozent der Inhaber schwarzer Konten sind im Renten­alter[4] - viele haben in den 1980er-Jahren Geld auf aus­ländische Konten verschoben
  • Für die Erben entsteht ein ernstes recht­liches Problem: Sie können selbst wegen Steuer­hinter­ziehung belangt werden, wenn sie diese Gelder nicht ordnungs­gemäß beim Finanz­amt angeben[2]

Typische Fälle von Steuer­hinter­ziehung bei Erbschaften sind:

  • Ver­schweigen von Bargeld oder Vermögens­werten: Nicht voll­ständige Angabe in der Steuer­erklärung
  • Falsche Angaben zum Wert von Immobilien oder anderen Vermögens­werten
  • Versteckte Schenkungen: Über­tragung von Bank­konten oder Bargeld ohne schrift­liche Fest­legung[5]

Erben müssen nach Ent­deckung von Schwarz­geld im Nach­lass schnell handeln, um nicht selbst in die Falle der Steuer­hinter­ziehung zu tappen[4].

Betriebs­vermögen: Sonder­regelungen mit Tücken

Besondere Vor­schriften gelten für Betriebs­vermögen und Unter­nehmens­anteile. Hier existieren steuer­liche Ver­günsti­gungen, die viele Erben nicht kennen oder falsch anwenden:

  • Bei Erbschaften ab 26 Millionen Euro wird eine “Verschonungs­bedarfs­prüfung” durch­geführt
  • Kann der Erbe die fällige Erbschaft­steuer nicht mit seinem Privat­vermögen bezahlen, kann er als “bedürftig” eingestuft werden und die Steuer wird erlassen
  • 2023 wurden 26 Erben oder Beschenkten auf diese Weise Steuern von 2,1 Milliarden Euro erlassen[1]

Wichtig zu wissen: Diese Regelung betrifft primär sehr große Vermögen und wird oft kritisiert, da sie zur wachsenden Vermögens­ungleichheit beiträgt. Michael Hartmann zufolge ist die hohe Vermögens­konzentration in Deutschland auf die Begünstigung von Familien­unternehmen durch das Erbschaft­steuergesetz zurück­zuführen[1].

Fallstricke bei der Nach­lass­abwicklung

Bei der praktischen Abwicklung eines Erbes lauern weitere Probleme:

  • Streitig­keiten zwischen Erben: Häufig werden Erben bewusst benachteiligt, indem andere Familien­mitglieder versuchen, den Wert einer Immobilie oder eines Unter­nehmens zu verschleiern[6]
  • Versteckte Schulden im Nachlass, die erst später entdeckt werden
  • Undurch­sichtige Wert­gutachten, die zu einer falschen steuer­lichen Bewertung führen können[6]

In solchen Fällen ist es ratsam, eine genaue Über­prüfung des Nach­lasses und der finanziellen Auf­stellungen durch­zuführen, um versteckte Werte auf­zudecken und eine faire Verteilung zu sichern[6].

Legale Steuer­gestaltung: Über­sehene Möglich­keiten

Es gibt zahl­reiche legale Möglich­keiten, Erbschaft­steuer zu ver­meiden oder zu ver­mindern, die oft nicht genutzt werden:

  • Schenkungen zu Lebzeiten unter Nutzung des Schenkung­steuer­freibetrags (alle zehn Jahre neu verfügbar)
  • Zuweisung einer günstigeren Steuer­klasse für den Erben durch Adoption oder Heirat
  • Gegenseitige Erb­einsetzung bei Ehe- oder Lebens­partnern (Berliner Testament) mit Vermächt­nissen für die Kinder
  • Erb­einsetzung mehrerer Personen unter Aus­nutzung der Frei­beträge
  • Verlagerung von Vermögen in Anlage­klassen mit niedrigerer Besteuerung
  • Schenkung von Immobilien mit Nieß­brauchsrecht für den Schenker[1]

Praxis­tipps: So vermeiden Sie die steuer­lichen Fall­stricke

Für Erblasser:innen:

  1. Frühzeitige Nach­folge­planung: Planen Sie die Vermögens­über­tragung rechtzeitig und strategisch
  2. Nutzen Sie die Frei­beträge optimal: Über­tragen Sie Vermögen schritt­weise durch Schenkungen
  3. Dokumentieren Sie alle Vermögens­werte sorg­fältig, um späteren Streit zu vermeiden
  4. Lassen Sie sich steuerlich beraten, besonders bei großen Vermögen oder Unter­nehmens­anteilen

Für Erb:innen:

  1. Prüfen Sie den Nach­lass genau: Achten Sie auf versteckte Vermögens­werte und Schulden
  2. Bei Verdacht auf Schwarz­geld: Handeln Sie schnell und suchen Sie recht­lichen Rat
  3. Lassen Sie Immobilien­werte fach­männisch begut­achten, besonders seit der Neu­regelung 2023
  4. Prüfen Sie mögliche Steuer­befreiungen, besonders bei selbst­genutzten Immobilien
  5. Bei komplizierten Nach­lässen: Holen Sie sich steuer­lichen und recht­lichen Rat

Fazit: Durch­blick bei der Erbschaft­steuer

Die steuer­lichen Fall­stricke bei Erbschaften und Schenkungen sind viel­fältig und können erheb­liche finanzielle Aus­wirkungen haben. Die neue Bewertungs­methode für Immobilien, die komplexen Regeln für Betriebs­vermögen und der Umgang mit Schwarz­geld im Nachlass stellen besondere Heraus­forderungen dar.

Mit frühzeitiger Planung, fach­kundiger Beratung und einem guten Ver­ständnis der steuer­lichen Grund­lagen können Sie jedoch viele dieser Fall­stricke vermeiden. Besonders wichtig ist: Informieren Sie sich recht­zeitig und handeln Sie voraus­schauend - sowohl als mögliche:r Erb­lasser:in als auch als Erb:in.

Die Erbschaft­steuer ist ein komplexes Feld, das sich zudem stetig ändern kann. Politische Diskussionen über die Anpassung der Frei­beträge oder Änderungen bei der steuer­lichen Behandlung von Betriebs­vermögen können in Zukunft zu neuen Regelungen führen.