Was passiert, wenn der Nachlass die Erbschaftssteuer nicht decken kann?

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Zusammenfassung

Wenn der Nachlass die Erbschaft­steuer nicht decken kann, haften Erb:innen grundsätzlich mit ihrem Privat­vermögen. Sie können jedoch Maßnahmen wie die Ausschlagung der Erbschaft, ein Nachlass­insolvenz­verfahren oder die Nachlass­verwaltung ergreifen, um finanzielle Risiken zu begrenzen. Eine frühzeitige Prüfung des Nachlasses und fachkundige Beratung sind in solchen Fällen dringend zu empfehlen.

Ein Erbe bringt nicht nur Vermögenswerte, sondern möglicherweise auch Verpflichtungen mit sich. Besonders problematisch wird es, wenn der Nachlass nicht ausreicht, um die anfallende Erbschaft­steuer zu bezahlen. In dieser Situation müssen Sie als Erb:in mit wichtigen rechtlichen und finanziellen Folgen rechnen.

Die unbeschränkte Haftung für die Erbschaft­steuer

Im deutschen Erbrecht gilt ein folgenreicher Grundsatz: Als Erb:in haften Sie nicht nur mit dem geerbten Vermögen für die Verbind­lichkeiten des Nachlasses, sondern unter Umständen auch mit Ihrem Privat­vermögen[4]. Diese unbeschränkte Erben­haftung kann erhebliche finanzielle Folgen haben.

Bei der Erbschaft­steuer hat der Bundesfinanzhof eine klare Position bezogen: Die Erbschaftssteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit, für die Sie unbeschränkt haften[8]. Das heißt: Selbst wenn der Nachlass die Steuer nicht vollständig decken kann, müssen Sie als Erb:in die Differenz aus eigener Tasche bezahlen.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Sie erben eine Immobilie im Wert von 250.000 Euro, die mit einer Hypothek von 200.000 Euro belastet ist. Nach Abzug der Freibeträge müssen Sie 12.000 Euro Erbschaft­steuer zahlen. Der Nettonachlass beträgt aber nur 50.000 Euro. Trotzdem schulden Sie dem Finanzamt die vollen 12.000 Euro - notfalls müssen Sie die Immobilie verkaufen oder eigenes Geld einsetzen.

Rechtliche Grundlagen der Steuerhaftung

Nach § 20 Abs. 1 Erbschaft­steuer­gesetz haften Sie als Erb:in persönlich für die anfallende Erbschaftsteuer[8]. Das Finanzamt darf frei entscheiden, ob es die Steuerschuld bei Ihnen persönlich oder aus dem Nachlass einfordert[8].

Diese gesetzliche Regelung führt dazu, dass das Finanzamt einen unmittelbaren Anspruch gegen Sie hat - unabhängig davon, ob der Nachlass die Steuerschuld decken kann oder nicht. Die Steuerbehörde darf sogar in Ihr persönliches Vermögen vollstrecken, wie der Bundesfinanzhof bestätigt hat[8].

Ihre Handlungs­möglichkeiten bei unzureichendem Nachlass

Wenn der Nachlass die Erbschaft­steuer nicht decken kann, haben Sie verschiedene Handlungsoptionen:

1. Ausschlagung der Erbschaft

Sie können die Erbschaft innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall ausschlagen[5]. Diese Frist ist unbedingt einzuhalten! Bei einer Ausschlagung geht der Nachlass an die nächsten gesetzlichen Erb:innen über.

2. Nachlass­insolvenz­verfahren

Bei einem überschuldeten Nachlass können Sie ein Nachlass­insolvenz­verfahren beim zuständigen Amtsgericht beantragen[4]. Dies trennt Ihr Privatvermögen vom Nachlass und beschränkt Ihre Haftung.

3. Nachlass­verwaltung

Als weitere Option können Sie beim Nachlassgericht die Anordnung einer Nachlassverwaltung beantragen[4]. Dadurch wird Ihr Privatvermögen vom Nachlassvermögen getrennt und vor den Ansprüchen der Nachlassgläubiger:innen geschützt.

4. Dürftigkeits­einrede

Sie können die “Dürftigkeitseinrede” erheben, wenn der Nachlass für die Begleichung aller Verbindlichkeiten nicht ausreicht. Wichtig: Diese Einrede gilt nicht für die Erbschaftsteuer, für die Sie weiterhin unbeschränkt haften[8].

Entscheidende Fristen für Erb:innen

Schnelles Handeln ist geboten, wenn der Nachlass die Erbschaftsteuer nicht decken kann:

  • Ausschlagungs­frist: 6 Wochen nach Kenntnis vom Erbfall
  • Über­legungs­frist: In den ersten 3 Monaten nach Annahme der Erbschaft dürfen Sie die Erfüllung von Forderungen gegenüber Nachlassgläubiger:innen verweigern[5]
  • Inventar­erstellung: Um einen Überblick zu erhalten, sollten Sie umgehend ein Nachlassverzeichnis erstellen[5]

Besonderheiten bei mehreren Erb:innen

Bei mehreren Erb:innen gelten zusätzliche Regelungen:

  • Jede:r Mit­erb:in haftet für die Erbschaftsteuer des eigenen Erbteils
  • Jede:r Mit­erb:in kann unabhängig entscheiden, ob er oder sie die Erbschaft annimmt oder ausschlägt
  • Bei einer Erbengemeinschaft können die Erb:innen bis zur Teilung des Nachlasses die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten aus ihrem Privatvermögen verweigern - außer bei der Erbschaftsteuer[8]

Abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten

Bestimmte Kosten mindern die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer:

  1. Erblasser­schulden: Schulden, die bereits vor dem Tod bestanden haben[2]

  2. Erbfallkosten: Kosten der Bestattung, des Grabdenkmals und der Grabpflege[7]

  3. Regelungs­kosten: Kosten für die Abwicklung und Verteilung des Nachlasses[7]

Für die Erbfall- und Regelungskosten können Sie einen Pauschalbetrag von 15.000 Euro ohne Einzelnachweis abziehen[7]. Bei mehreren Erb:innen wird dieser Betrag anteilig aufgeteilt.

Steuerliche Freibeträge nutzen

Je nach Verwandtschaftsgrad stehen Ihnen unterschiedliche Freibeträge zu:

  • Ehepartner:innen: 500.000 Euro
  • Kinder: 400.000 Euro
  • Enkelkinder: 200.000 Euro
  • Geschwister, Nichten und Neffen: 20.000 Euro[1]

Beachten Sie: Nur der Teil des Erbes, der über den Freibetrag hinausgeht, wird besteuert. Besonders das Familienheim kann unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei an Ehepartner:innen oder Kinder vererbt werden[1].

Praktische Tipps für Erb:innen

Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, sollten Sie diese Schritte befolgen:

  1. Nachlassverzeichnis erstellen: Listen Sie alle Vermögenswerte und Schulden auf[5]

  2. Professionelle Beratung einholen: Bei einer komplexen Vermögenslage hilft fachkundige Unterstützung durch Steuerberater:innen oder Rechtsanwält:innen

  3. Steuerfreibeträge prüfen: Informieren Sie sich genau über die Ihnen zustehenden Freibeträge[1]

  4. Nachlass bewerten lassen: Bei wertvollen oder schwer einschätzbaren Vermögenswerten (Immobilien, Unternehmensbeteiligungen) kann eine professionelle Bewertung sinnvoll sein

  5. Ausschlagung rechtzeitig erwägen: Bei einem überschuldeten Nachlass ist die Ausschlagung oft der sicherste Weg, persönliche finanzielle Risiken zu vermeiden

Fazit

Wenn der Nachlass nicht ausreicht, um die Erbschaftsteuer zu decken, haften Sie als Erb:in grundsätzlich mit Ihrem Privatvermögen. Diese unbeschränkte Haftung kann zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.

Um unerwünschte Folgen zu vermeiden, sollten Sie schnell handeln: Verschaffen Sie sich einen Überblick über den Nachlass, prüfen Sie Ihre Optionen und ziehen Sie gegebenenfalls eine Ausschlagung in Betracht. Bei Unsicherheit ist eine frühzeitige rechtliche und steuerliche Beratung ratsam, um Ihre Interessen zu schützen und die optimale Vorgehensweise zu ermitteln.