Wie unterscheidet sich ein einfaches von einem komplexen Nachlassverfahren mit Auslandsbezug?

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Zusammenfassung

Ein einfaches Nachlassverfahren findet ausschließlich nach deutschem Recht statt und ist meist unkompliziert, während ein komplexes Verfahren bei Auslandsvermögen mehrere Rechtsordnungen, Gerichte und steuerliche Regelungen umfasst, was zu höheren Kosten und längeren Verfahrensdauern führen kann. Internationale Erbfälle erfordern oft ein Europäisches Nachlasszeugnis und eine frühzeitige rechtliche sowie steuerliche Beratung, um rechtliche Unsicherheiten und Doppelbesteuerung zu vermeiden. Vorausschauende Planung ist hier besonders wichtig.

Wenn ein Mensch stirbt, beginnt das sogenannte Nachlassverfahren - ein rechtlicher Prozess, bei dem festgestellt wird, wer was erbt und wie der Nachlass verteilt wird. Doch nicht jedes Nachlassverfahren verläuft gleich. Besonders wenn Vermögen im Ausland existiert, können sich die Dinge schnell verwickeln. Dieser Artikel erklärt Ihnen die wesentlichen Unterschiede zwischen einem einfachen und einem komplexen Nachlassverfahren.

Das einfache Nachlassverfahren im Inland

Ein einfaches Nachlassverfahren liegt vor, wenn der gesamte Nachlass in Deutschland liegt und keine besonderen Komplikationen auftreten. Das zuständige Nachlassgericht ist dabei immer das Amtsgericht, in dessen Bezirk die verstorbene Person ihren letzten Wohnsitz hatte.

Zuständigkeiten und Aufgaben des Nachlassgerichts

Das Nachlassgericht wird aktiv, wenn ein Todesfall gemeldet wird und der Nachlass wertvoller ist als die Beerdigungs­kosten. Zu seinen Haupt­aufgaben gehören:

  • Ermittlung und Feststellung der Erb:innen
  • Testaments­eröffnung nach dem Tod
  • Erteilung von Erbscheinen auf Antrag
  • Sicherungs­maßnahmen wie die Anordnung einer Nachlass­pflegschaft
  • Entgegennahme von Erklärun­gen wie die Erbaus­schlagung

Ablauf eines einfachen Nachlass­verfahrens

Das Nachlassverfahren beginnt mit einer Sterbefall­mitteilung, die über das Standesamt oder das Zentrale Testaments­register an das zuständige Nachlassgericht weitergeleitet wird. Dieser Prozess kann einige Wochen dauern. Aus der Mitteilung ergibt sich auch, ob und wo die verstorbene Person ein Testament oder einen Erbvertrag hinterlegt hat.

Das gesamte Verfahren läuft überwiegend schriftlich ab. “Das Nachlassverfahren ist dem Grunde nach ein schriftliches Verfahren”, heißt es in den Informationen des Amtsgerichts München[14].

Dokumente und Schritte im einfachen Nachlassverfahren

Für ein einfaches Nachlassverfahren benötigen Sie typischerweise:

  • Sterbeurkunde
  • Testament (falls vorhanden)
  • Personalausweis der Erb:innen
  • Eventuell Geburtsurkunden zur Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse

Nach der Testamentseröffnung können die gesetzlichen oder testamentarischen Erb:innen einen Erbschein beantragen. Dieser dient als amtlicher Nachweis des Erbrechts gegenüber Banken, Versicherungen und Behörden.

Das komplexe Nachlassverfahren bei Auslandsvermögen

Ein Nachlassverfahren wird komplex, wenn Auslandsbezug besteht. Dieser kann durch verschiedene Faktoren entstehen:

  • Vermögenswerte im Ausland (Immobilien, Bankkonten, Unternehmens­beteiligungen)
  • Wohnsitz des Erblassers im Ausland
  • Erb:innen mit Wohnsitz im Ausland
  • Unterschiedliche Staats­angehörigkeiten von Erblasser und Erb:innen

Die rechtlichen Herausforderungen

Die größte Schwierigkeit bei einem Nachlassverfahren mit Auslandsbezug ist das Zusammentreffen verschiedener Rechts­ordnungen. Jedes Land hat eigene erbrechtliche Vorschriften, die sich erheblich unterscheiden können.

“Befinden sich Vermögenswerte im Ausland, bringt der Erbfall besondere rechtliche Herausforderungen mit sich. Gleiches gilt, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte und zum Nachlass Vermögenswerte im Inland gehören”, erläutert die Notar­kammer Baden-Württemberg[2].

Ein besonderes Problem: Nach deutschem Recht errichtete letztwillige Verfügungen wie ein gemeinsames Ehegattentestament sind in manchen ausländischen Staaten unwirksam[7].

Das Problem der Nachlass­spaltung

In bestimmten Ländern kann es zu einer sogenannten Nachlass­spaltung kommen. Das bedeutet, dass Vermögenswerte in verschiedenen Ländern unterschiedlichen Rechts­ordnungen unterliegen.

Zu diesen Ländern gehören unter anderem:

  • Argentinien
  • Australien
  • Großbritannien
  • Kanada
  • USA
  • Türkei
  • Thailand[7]

Ein deutsches Testament oder ein deutscher Erbschein wird in diesen Ländern oft nicht anerkannt. “Ein nach deutschem Recht von einem deutschen Nachlassgericht ausgestellter Erbschein bringt einem nämlich vor ausländischen Behörden oder Gerichten insbesondere dann nichts, wenn die Erbfolge in dem ausländischen Staat nach dort geltendem Recht betrachtet wird”[8].

Die EU-Erbrechts­verordnung und das Europäische Nachlass­zeugnis

Um die Probleme bei Erbfällen mit Auslandsbezug zu verringern, gilt seit dem 17. August 2015 die Europäische Erbrechts­verordnung (mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark). Diese bietet zwei wesentliche Verbesserungen:

  1. Klare Regelung des anwendbaren Rechts: Grundsätzlich gilt das Erbrecht des Staates, in dem die verstorbene Person ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Durch eine Rechtswahl kann der Erblasser aber auch das Recht eines Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

  2. Einführung des Europäischen Nachlass­zeugnisses (ENZ): Das ENZ ist ein Dokument, das die Abwicklung internationaler Erbfälle erleichtert und in allen teilnehmenden EU-Staaten anerkannt wird.

“Das Europäische Nachlass­zeugnis verdrängt nicht den deutschen Erbschein. Für Erbfälle, die sich alleine im Inland abspielen und die keinerlei Bezug zum Ausland haben, verbleibt es für die Erben dabei, dass sie im Regelfall beim zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein nach den §§ 2353 ff. BGB beantragen müssen”[4].

Für Erbfälle mit Auslandsbezug innerhalb der EU ist das ENZ jedoch äußerst hilfreich und kann den Erbschein ersetzen. Es wird vom zuständigen Nachlassgericht in Deutschland ausgestellt und ist in allen EU-Staaten gültig.

Steuerliche Aspekte bei internationalen Erbfällen

Neben den erbrechtlichen Aspekten spielen auch steuerliche Fragen eine große Rolle. Da jedes Land seine eigenen Steuer­vorschriften hat, kann es zu mehrfacher Besteuerung kommen.

Die Doppel­besteuerungs­problematik

Wenn Vermögen sowohl in Deutschland als auch im Ausland vererbt wird, können beide Länder Erbschafts­steuer erheben. Deutschland hat mit einigen Ländern Doppel­besteuerungs­abkommen geschlossen, um eine doppelte Besteuerung zu vermeiden[11].

Ohne ein solches Abkommen besteht die Möglichkeit, ausländische Steuern auf die deutsche Erbschafts­steuer anzurechnen. Dies ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.

“Besteht der Nachlass ausschließlich aus Auslandsvermögen, wird die gesamte Auslands­steuer auf die deutsche Steuer angerechnet”[3]. Wenn der Nachlass sowohl aus Inlands- als auch aus Auslandsvermögen besteht, wird eine Aufteilung vorgenommen.

Praktische Tipps für Betroffene

Für Erblasser:innen mit Vermögen im Ausland

  1. Erstellen Sie eine detaillierte Vermögens­aufstellung, die auch Ihr Auslands­vermögen umfasst
  2. Treffen Sie eine klare Rechtswahl in Ihrem Testament, wenn Sie möchten, dass deutsches Recht angewendet wird
  3. Informieren Sie sich über die steuerlichen Folgen in den betroffenen Ländern
  4. Hinterlegen Sie Ihr Testament beim Nachlassgericht, um seine Auffindbarkeit sicher­zustellen
  5. Ziehen Sie recht­zeitig Fach­leute hinzu, idealerweise Notar:innen oder Anwält:innen mit Erfahrung im internationalen Erbrecht

Für Erb:innen bei Auslandsvermögen

  1. Prüfen Sie, welches Recht anwendbar ist - das des letzten Wohnsitzes der verstorbenen Person oder das durch Rechtswahl bestimmte Recht
  2. Beantragen Sie ein Europäisches Nachlass­zeugnis für Erbfälle innerhalb der EU
  3. Klären Sie die steuerlichen Pflichten in allen betroffenen Ländern
  4. Holen Sie sich professionelle Unterstützung von Fachleuten aus den jeweiligen Ländern

Wo liegen die größten Unterschiede?

Fassen wir die wesentlichen Unterschiede zwischen einem einfachen und einem komplexen Nachlassverfahren mit Auslandsbezug zusammen:

Einfaches Nachlassverfahren Komplexes Nachlassverfahren mit Auslandsbezug
Ein anwendbares Recht (deutsches Recht) Mehrere mögliche Rechts­ordnungen
Ein zuständiges Gericht Mehrere zuständige Gerichte möglich
Erbschein als Nachweis ausreichend Europäisches Nachlass­zeugnis oder ausländische Dokumente erforderlich
Klare Steuer­vorschriften Mögliche Doppel­besteuerung
Überschaubare Kosten Höhere Kosten durch Mehrfach­begutachtungen
Schnellere Abwicklung Längere Verfahrens­dauer

Die Komplexität eines Nachlassverfahrens mit Auslandsbezug führt oft zu höheren Kosten, längeren Verfahrens­dauern und mehr rechtlichen Unsicherheiten. Daher ist es besonders wichtig, sich frühzeitig beraten zu lassen und voraus­schauend zu planen.

Fazit: Vorausschauend planen bei Auslandsvermögen

Ein Nachlassverfahren mit Auslandsbezug stellt besondere Anforderungen an alle Beteiligten. Die Unter­schiede zum einfachen Nachlassverfahren sind erheblich und betreffen sowohl das anwendbare Recht als auch die praktische Durch­führung und steuerliche Aspekte.

Wenn Sie Vermögen im Ausland besitzen oder als Erb:in mit einem internationalen Erbfall konfrontiert sind, sollten Sie sich möglichst früh von Expert:innen beraten lassen. Die recht­zeitige Planung kann späteren Ärger vermeiden und dafür sorgen, dass Ihr Nachlass nach Ihren Wünschen geregelt wird - unabhängig davon, in welchem Land sich Ihr Vermögen befindet.