Wie lange dauert ein Nachlassverfahren im Durchschnitt, und von welchen Faktoren hängt die Dauer ab?

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Zusammenfassung

Die Dauer eines Nachlass­verfahrens variiert stark und reicht von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren, abhängig von Faktoren wie der Komplexität des Nachlasses, der Anzahl und Einigkeit der Erb:innen sowie der Auslastung des Nachlass­gerichts. Eine sorgfältige Vorbereitung, voll­ständige Unter­lagen und frühzeitige Einigung unter den Beteiligten können das Verfahren erheblich beschleunigen. Fachliche Unterstützung ist bei komplexen Fällen empfehlenswert.

Wenn ein Mensch stirbt, beginnt für die Hinter­bliebenen nicht nur eine Zeit der Trauer, sondern auch ein oft komplexes Verfahren zur Regelung des Nachlasses. Viele Ange­hörige fragen sich: Wie lange dauert so ein Nachlass­verfahren eigentlich? Die Antwort darauf ist nicht einfach, denn die Zeit­spanne kann stark variieren. Aktuelle Erhebungen zeigen aller­dings deutliche Trends.

Typische Zeit­räume bei Nachlass­verfahren

Die Dauer eines Nachlass­verfahrens ist sehr unter­schiedlich und hängt von zahl­reichen Faktoren ab. Nach­folgende Durch­schnitts­werte geben Ihnen eine erste Orien­tierung:

  • Erste behördliche Schritte: Nach einem Sterbe­fall dauert es meist einige Wochen, bis dem Nachlass­gericht die erforderliche Todes­mitteilung zugeht und das Verfahren überhaupt erfasst ist[5].

  • Testaments­eröffnung: In den meisten Fällen dauert dieser Schritt mehr als einen Monat. Nur 17 Prozent der Fach­leute gaben in einer Umfrage eine Zeit von bis zu vier Wochen an. Mehr als ein Viertel berichtete sogar von durch­schnittlich drei Monaten oder länger[7].

  • Erbschein­erteilung: Bei einfachen Fällen rechnen Sie mit etwa 4 bis 6 Wochen. Wenn der Fall komplizierter ist, können daraus aber schnell mehrere Monate werden[6].

  • Unstreitige Erbscheins­verfahren: Selbst wenn alle Erb:innen sich einig sind und keine Konflikte bestehen, dauern diese Verfahren laut einer Fach­umfrage in über 40 Prozent der Fälle länger als 6 Monate[1].

  • Streitige Erbscheins­verfahren: Wenn es Unstimmig­keiten gibt, verlängert sich die Dauer erheblich. In etwa 70 Prozent der Fälle müssen Sie mit mehr als 12 Monaten rechnen. Mehr als 10 Prozent der befragten Fach­leute gaben sogar Bearbeitungs­zeiten von 2 Jahren oder mehr an[1].

  • Gesamtes Nachlass­verfahren: Je nach Komplexität des Falls sollten Sie mit einem Zeit­raum von mehreren Monaten bis hin zu mehreren Jahren rechnen[2]. In Einzel­fällen kann es sogar bis zu 5 Jahre dauern, selbst wenn grundsätzlich Einigkeit unter den Erb:innen besteht[8].

Faktoren, die die Verfahrens­dauer beein­flussen

Die Komplexität des Nachlasses

Je umfang­reicher und vielschichtiger ein Nachlass ist, desto mehr Zeit nimmt seine Abwicklung in Anspruch. Folgende Punkte verlängern das Verfahren:

  • Umfang­reiche Vermögens­werte: Wenn zum Nachlass Immobilien, Unter­nehmens­beteiligungen, Wert­papier­depots oder Vermögen im Ausland gehören
  • Schulden des Erblassers: Klärung von Verbindlich­keiten und eventuellen Ansprüchen von Gläubiger:innen
  • Spezielle Vermögens­gegenstände: Kunst­sammlungen, Antiquitäten oder andere Wert­gegen­stände, die erst geschätzt werden müssen

Die Anzahl und Einigkeit der Erb:innen

Die Anzahl der beteiligten Personen spielt eine große Rolle:

  • Viele Erb:innen: Je mehr Menschen am Erbe beteiligt sind, desto komplexer wird die Koordination
  • Streitig­keiten zwischen Erb:innen: Konflikte verlängern das Verfahren erheblich - in etwa 70% der Fälle auf mehr als 12 Monate[1]
  • Schwer erreich­bare Erb:innen: Wenn einzelne Erb:innen im Ausland leben oder nicht reagieren, verzögert sich alles[3]

Ein Reddit-Nutzer berichtet anschaulich: “Vom Tod bis zur Auszahlung vergingen knapp 5 Jahre, obwohl sich alle Erben von Anfang an einig waren und es bis zum Ende stress­frei ablief”[8].

Verfügbarkeit und Voll­ständigkeit von Dokumenten

Die Bereit­stellung aller notwendigen Unter­lagen ist ent­scheidend:

  • Testament: War es bereits beim Nachlass­gericht hinter­legt oder musste es erst einge­reicht werden?
  • Personen­stands­urkunden: Geburts­urkunden, Heirats­urkunden, Sterbe­urkunden
  • Nach­reichen von Unter­lagen: Müssen Dokumente erst beschafft werden, verzögert dies den Prozess[6]

Die Auslastung der Nachlass­gerichte

Ein Faktor, den Sie kaum beein­flussen können, ist die Arbeits­belastung bei den zuständigen Stellen:

  • Personal­mangel: Die Arbeits­gemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwalt­verein beklagt einen “Notstand” bei den Nachlass­gerichten[7]
  • Regionale Unterschiede: Je nach Standort variiert die Bearbeitungs­zeit erheblich
  • Saison­bedingte Schwankungen: Zu bestimmten Jahres­zeiten kann es zu Verzögerungen kommen

Art des Verfahrens

Je nach Art des Nach­lass­verfahrens ergeben sich unter­schiedliche Zeit­rahmen:

  • Testaments­eröffnung: Dauert in über 25% der Fälle drei Monate oder länger[7]
  • Erbschein­beantragung: Bei unkomplizierten Fällen 4-6 Wochen, kann sich aber deutlich verlängern[6]
  • Notar­ielle Nachlass­verwaltung: Der Notar hat in der Regel 6 Monate Zeit zur Bearbeitung[3]

Praktische Tipps zur Beschleunigung des Verfahrens

Sie können selbst einiges tun, um das Nachlass­verfahren zu beschleunigen:

Frühzeitige und voll­ständige Antrag­stellung

  • Unter­lagen sorgfältig vorbereiten: Sammeln Sie alle notwendigen Dokumente vorab
  • Frist­gerechte Einreichung: Beachten Sie alle gesetzlichen Fristen
  • Voll­ständigkeit prüfen: Ein voll­ständiger Antrag verkürzt die Bearbeitungs­zeit erheblich[6]

Professionelle Unter­stützung in Anspruch nehmen

  • Recht­zeitige Beratung: Ein:e Fach­anwält:in für Erbrecht kann Sie durch den Prozess leiten
  • Kosten abwägen: Professionelle Hilfe kostet zwar Geld, kann aber oft Zeit sparen und teure Fehler vermeiden
  • Selektiver Einsatz: Manche Aufgaben können Sie selbst erledigen, für komplexe Fragen holen Sie gezielt Rat ein[8]

Kommunikation mit allen Beteiligten

  • Offene Gespräche mit Mit­erb:innen: Streben Sie früh­zeitig eine Einigung an
  • Kontakt zum Nachlass­gericht: Fragen Sie nach, wenn ungewöhnlich lange keine Reaktion erfolgt
  • Erreich­barkeit sicher­stellen: Sorgen Sie dafür, dass Sie für Rück­fragen gut erreich­bar sind

Checkliste: Diese Unter­lagen beschleunigen das Verfahren

□ Sterbe­urkunde der verstorbenen Person
□ Testament oder Erbvertrag (falls vorhanden)
□ Personen­stands­urkunden aller Erb:innen
□ Nachweis über verwandt­schaftliche Verhältnisse
□ Übersicht über Vermögens­werte und Schulden
□ Kontakt­daten aller Erb:innen
□ Ggf. Vollmachten

Besondere Heraus­forderungen und deren Auswirkung auf die Verfahrens­dauer

Nachlass mit Auslands­bezug

Wenn Vermögen im Ausland existiert oder Mit­erb:innen nicht in Deutschland leben, verlängert sich das Verfahren oft erheblich:

  • Unter­schiedliche Rechts­systeme: In verschiedenen Ländern gelten andere Erb­rechts­regeln
  • Sprach­barrieren: Dokumente müssen möglicherweise übersetzt werden
  • Post­wege: Der Schrift­verkehr mit dem Ausland nimmt mehr Zeit in Anspruch

Unklare Testament­formulierungen

Ein unklares oder wider­sprüchliches Testament kann das Verfahren deutlich in die Länge ziehen:

  • Auslegungs­fragen: Das Nachlass­gericht muss den wirk­lichen Willen des Erblassers ermitteln
  • Anfechtungs­risiko: Unklare Formu­lierungen führen häufiger zu Streitig­keiten unter den Erb:innen

Fazit: Mit Geduld und guter Vorbereitung durch das Nachlass­verfahren

Die Dauer eines Nachlass­verfahrens lässt sich nicht pauschal bestimmen. Sie hängt von vielen Faktoren ab - von der Komplexität des Nachlasses über die Anzahl und Einigkeit der Erb:innen bis hin zur Arbeits­belastung der Nachlass­gerichte. Mit einfachen Fällen können Sie in wenigen Monaten rechnen, komplexere Situationen ziehen sich oft über ein Jahr oder länger hin.

Besonders hilfreich ist es, wenn Sie:

  • Alle Unter­lagen sorg­fältig und voll­ständig vorbereiten
  • Frühzeitig einen Konsens unter allen Erb:innen anstreben
  • Bei Bedarf fach­kundige Unter­stützung hinzu­ziehen
  • Realistische Zeit­erwartungen haben und Geduld mitbringen

Mit dieser Vorbereitung und dem Wissen um die typischen Zeit­rahmen können Sie das Nachlass­verfahren mit mehr Gelassen­heit angehen und unnötige Verzögerungen vermeiden.