Welche Streitigkeiten können während des Nachlassverfahrens auftreten, und wie werden sie gelöst?

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Zusammenfassung

Nachlassstreitigkeiten entstehen häufig in Erbengemeinschaften, bei Pflichtteilsansprüchen oder durch unklare Testamente. Lösungen reichen von einvernehmlichen Vereinbarungen und Mediation bis hin zu gerichtlichen Verfahren wie Teilungs- oder Auskunftsklagen. Durch klare Testamente, offene Kommunikation und rechtzeitige Beratung lassen sich viele Konflikte im Vorfeld vermeiden.

Wenn ein Mensch stirbt, hinterlässt er nicht nur materielle Werte, sondern manchmal auch ungelöste Konflikte. Nach­lass­ver­fahren können von emotionalen Spannungen geprägt sein, die zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Streitigkeiten typischerweise auftreten und welche Wege zur Lösung bestehen.

Typische Konflikte in der Erben­gemein­schaft

Hinterlässt ein Erblasser mehrere Erb:innen, bilden diese eine Erben­gemein­schaft. Diese Konstellation führt häufig zu Konflikten, da alle Beteiligten gemeinsam über den Nachlass entscheiden müssen.

Häufige Streitpunkte:

  • Uneinigkeit über den Verkauf oder die Nutzung von Immobilien
  • Blockade der Aus­ein­ander­setzung durch einzelne Miterb:innen
  • Unterschiedliche Wert­vor­stellungen bei Nach­lass­gegen­ständen
  • Verschiedene Ansichten zur Verwendung des Nachlasses

Erben­gemein­schaften können zu “lang­jährigen Streitig­keiten” führen, besonders wenn einzelne Miterb:innen die Aus­ein­ander­setzung “auch ohne nach­voll­zieh­bare Gründe mutwillig blockieren” können[2].

Am einfachsten ist die Aufteilung, wenn der Erblasser nur Bargeld hinterlassen hat - obwohl selbst dabei Konflikt­potential besteht. Schwierig wird es, wenn (Wert-)Gegenstände oder Immobilien vorhanden sind und die Erb:innen unterschiedliche Vorstellungen haben[5].

Auseinandersetzungen um Pflicht­teils­ansprüche

Das Pflicht­teils­recht sichert bestimmten nahen Angehörigen einen Mindestanteil am Nachlass zu, selbst wenn sie durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurden.

Typische Konfliktfelder:

  • Aus­kunfts­ansprüche: Pflicht­teils­berechtigte haben Anspruch auf ein Nach­lass­ver­zeichnis[1][3]
  • Beleg­vorlage: Streit darüber, welche Unterlagen offengelegt werden müssen[3]
  • Fiktiver Nachlass: Schenkungen zu Lebzeiten, die den Pflicht­teils­anspruch mindern können[3]
  • Pflicht­teils­entziehung: Versuche des Erblassers, Angehörigen den Pflichtteil zu entziehen[8]

Laut den Such­ergeb­nissen kann ein Pflicht­teils­berechtigter gemäß § 2314 Absatz 1 Satz 1 BGB vom Erben die Erstellung eines Nach­lass­ver­zeichnisses verlangen. Kommt der Erbe dieser Pflicht nicht nach, kann der Pflicht­teils­berechtigte eine Aus­kunfts­klage einreichen[1].

Probleme bei der Testament­s­auslegung

Unklar formulierte Testamente sind häufig Auslöser für Nach­lass­streitig­keiten.

Typische Auslegungs­probleme:

  • Mehrdeutige oder wider­sprüch­liche Formulierungen
  • Unklare Ver­mächt­nisse
  • Zweifel an der Testier­fähig­keit

“Mit kaum einem Dokument kann ein Erblasser seinen Nachkommen mehr Ärger bereiten, als mit einem auslegungs­bedürft­igen Testament.”[4] Bei der Auslegung müssen Gerichte nicht nur den Wortlaut des Testaments betrachten, sondern auch “alle zugäng­lichen Umstände außerhalb der Testaments­urkunde” berück­sichtigen[4].

Lösungswege für Nach­lass­streitig­keiten

1. Einver­nehm­liche Einigung durch Erb­aus­ein­ander­setzungs­vertrag

Der beste und kosten­günstigste Weg ist eine freiwillige Vereinbarung zwischen allen Beteiligten.

Vorteile:

  • Individuelle Wünsche können berück­sichtigt werden
  • Geringere Kosten als bei gericht­lichen Verfahren
  • Schnellere Abwicklung möglich

Der Erb­aus­ein­ander­setzungs­vertrag regelt die Verteilung des gesamten Nachlasses. Für ihn ist “keine bestimmte Form vor­geschrieben. Trotzdem ist es ratsam, den Vertrag schriftlich fest­zu­halten.” Bei Immobilien oder Gesell­schafts­anteilen ist allerdings eine notarielle Beur­kundung erforderlich[7].

2. Mediation bei Erb­streitig­keiten

Bei festge­fahrenen Konflikten kann eine Mediation helfen, eine einver­nehm­liche Lösung zu finden.

So funktioniert die Mediation:

  • Eine neutrale Person (Mediator:in) vermittelt zwischen den Parteien
  • Die Interessen aller Miterb:innen werden offen­gelegt
  • Gemeinsame Suche nach einer für alle akzep­tablen Lösung

“Die Mediation soll die Interessen der Miterben offenlegen und ist darauf aus­gerichtet, den Nachlass im gegen­seitigen Einver­nehmen zu klären.”[2] Dieser Ansatz eignet sich besonders, bevor ein “kosten­trächtiger und kaum kalku­lierbarer Rechts­streit” begonnen wird[2].

3. Gericht­liche Lösungen

Wenn eine außer­gericht­liche Einigung nicht möglich ist, bleiben folgende Optionen:

Erb­aus­ein­ander­setzungs­klage (Teilungs­klage)

Was Sie wissen sollten:

  • Jede:r Miterb:in kann sie einreichen
  • Es wird ein konkreter Teilungs­plan benötigt
  • Das Gericht entscheidet über die Aufteilung des Nachlasses

Jeder Miterb:in hat gemäß §§ 2042 ff. BGB die Möglichkeit, “im Rahmen einer Erb­aus­ein­ander­setzungs­klage die Aufteilung des Nachlasses gericht­lich zu erzwingen”[6]. Diese Option ist das “letzte Mittel” zur Auflösung einer Erben­gemein­schaft[6].

Ablauf:

  • Einreichung beim zu­ständigen Nach­lass­gericht
  • Prüfung der Voraus­setzungen
  • Stellung­nahme­möglich­keit für alle Beteiligten
  • Gericht­liche Entscheidung zur Umsetzung des Teilungs­plans

Für Erbaus­ein­ander­setzungs­klagen ist das Nach­lass­gericht am letzten Wohnort des Erblassers zuständig. Bei einem Nachlasswert über 5.000 Euro wird das Landgericht zuständig und es besteht Anwalts­zwang[6].

Aus­kunfts­klagen und Stufen­klagen

Pflicht­teils­berechtigte können folgende Klagen einreichen:

  • Aus­kunfts­klage: Durchsetzung des Rechts auf Nach­lass­infor­mationen
  • Stufen­klage: Kombination aus Auskunfts­verlangen und anschließender Zahlungs­klage

Eine Stufen­klage des Pflicht­teils­berechtigten besteht aus der Forderung nach Auskunft, der Ver­pflichtung zur eidesstatt­lichen Ver­sicherung und der Zahlung des Pflicht­teils. Sie eignet sich besonders, “wenn die drei­jährige Ver­jährungs­frist für den Pflicht­teils­anspruch abzu­laufen droht”[1].

Praktische Tipps zur Vermeidung von Nach­lass­streitig­keiten

Vor­beugende Maßnahmen

Klares Testament erstellen:

  • Eindeutige Formulierungen verwenden
  • Fach­kundige Beratung einholen
  • Testament regel­mäßig aktualisieren

Offene Kommunikation pflegen:

  • Frühzeitige Gespräche mit möglichen Erb:innen führen
  • Erwartungen und Wünsche transparent machen

Nach­lass­ver­zeichnis anlegen:

  • Übersicht über Vermögens­werte und Verbind­lichkeiten erstellen
  • Aufbewahrungs­orte wichtiger Dokumente notieren

Vorgehen im Konfliktfall

Frühzeitig Rat einholen:

  • Spezialisierte Fach­anwält:innen für Erbrecht konsultieren
  • Gemeinsames Beratungs­gespräch vereinbaren

Kompromiss­bereit­schaft zeigen:

  • Eigene Position über­denken
  • Bereitschaft zum Entgegen­kommen signalisieren

Sachlich bleiben:

  • Trotz emotionaler Belastung auf Sach­ebene kommunizieren
  • Auf Vorwürfe und Schuld­zu­weisungen verzichten

Was Sie beachten sollten

Nach­lass­streitig­keiten sind oft komplex und emotional belastend. Die beste Lösung ist meist eine einver­nehm­liche Einigung - sei es durch direkte Verhand­lungen oder mit Hilfe einer Mediation.

Die gericht­liche Aus­ein­ander­setzung sollte nur als letzter Ausweg gewählt werden, da sie teuer, zeit­aufwendig und nerven­aufreibend sein kann. Laut den Such­ergeb­nissen kann eine Erb­aus­ein­ander­setzungs­klage “sehr kompliziert” sein und “sollte unbedingt Fach­anwält:innen für Erbrecht überlassen werden”[1].

Mit voraus­schauender Planung, klaren Regelungen und offener Kommunikation lassen sich viele Konflikte bereits im Vorfeld ver­meiden. Sollte es dennoch zu Streitig­keiten kommen, stehen verschiedene Lösungs­wege zur Verfügung, um zu einer gerechten Verteilung des Nachlasses zu gelangen.