Welche rechtlichen Folgen hat es, wenn kein Nachlassverfahren durchgeführt wird?

veröffentlicht am
aktualisiert am
Zusammenfassung

Wenn kein Nachlassverfahren durchgeführt wird, greift automatisch die gesetzliche Erbfolge, was zu ungewollten Erbverteilungen und Konflikten führen kann. Erb:innen haften unbegrenzt für Nachlassschulden, wenn sie nicht rechtzeitig Maßnahmen wie eine Erbausschlagung oder Haftungsbeschränkung ergreifen. Um Streit und finanzielle Risiken zu vermeiden, ist es wichtig, den Nachlass aktiv zu regeln und gegebenenfalls rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, stehen Angehörige vor vielen Heraus­for­derungen. Neben der Trauer müssen sie sich mit rechtlichen Angelegen­heiten ausein­ander­setzen. Das Nach­lass­ver­fahren regelt, wie das Vermögen der verstorbenen Person verteilt wird und wer für eventuell vorhandene Schulden aufkommen muss. Doch was passiert, wenn dieses Verfahren nicht durch­geführt wird? Welche recht­lichen Konse­quenzen drohen? Dieser Artikel gibt Ihnen wichtige Infor­mationen und Orien­tierung.

Grund­legende Infor­mationen zum Nach­lass­ver­fahren

Das Nach­lass­gericht wird tätig, wenn es um bestimmte Nach­lass­sachen geht. Zu diesen gehören unter anderem:

  • Ermitt­lung von Erb:innen
  • Verwahrung von letzt­willigen Verfügungen
  • Sicherung des Nach­lasses
  • Testa­ments­voll­streckung
  • Nach­lass­ver­waltung
  • Entgegen­nahme von Erklärungen (z.B. Erb­aus­schlagung)[6]

Zuständig ist das Amts­gericht am letzten Wohnort der verstorbenen Person. Das Nach­lass­gericht versucht fest­zu­stellen, ob ein Testament vorliegt und welche gesetz­lichen Erb:innen in Betracht kommen.[5]

Die gesetz­liche Erbfolge tritt auto­matisch ein

Ohne aktives Handeln greift die gesetz­liche Erbfolge. Dies bedeutet: Wenn keine letzt­willige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) vorliegt oder gefunden wird, bestimmt das Gesetz, wer erbt. Die Erb:innen werden in verschiedene Ordnungen eingeteilt:[1][5]

  1. Erste Ordnung: Kinder, Enkel und weitere Nach­kommen
  2. Zweite Ordnung: Eltern und deren Nach­kommen (Geschwister, Nichten, Neffen)
  3. Dritte Ordnung: Groß­eltern und deren Nach­kommen
  4. Vierte Ordnung: Urgroß­eltern und deren Nach­kommen
  5. Weitere Ordnungen: Entferntere Verwandte

Für Ehe­partner:innen gelten besondere Regelungen. Sie erben - abhängig vom Güter­stand und den vorhandenen Verwandten - einen bestimmten Anteil des Nach­lasses.[5]

Ungewollte Verteilung des Nach­lasses

Ohne Nach­lass­ver­fahren und ohne Testament können folgende Probleme auftreten:

  • Der Nachlass geht an unerwartete Erb:innen: Ohne Testament erben möglicherweise Menschen, die die verstorbene Person gar nicht bedenken wollte.[1][5]
  • Bei kinder­losen Paaren erbt der/die Partner:in nicht alles: Entgegen einer verbreiteten Annahme wird der/die Ehe­partner:in nicht auto­matisch alleinerbende Person. In der Regel erben sie nur 50 Prozent, der Rest geht an Verwandte.[1]
  • Unver­heiratete Lebens­partner:innen gehen leer aus: Sie werden von der gesetz­lichen Erbfolge überhaupt nicht berücksichtigt.[1]
  • Entfernte Verwandte könnten erben: In manchen Fällen geht das Erbe an weit entfernte Verwandte, die die verstorbene Person möglicherweise nicht einmal kannte.[5]
  • Der Staat als Erbe: Lassen sich keine Erb:innen ermitteln, fällt das Erbe an den Staat.[1][5]

Haftungs­risiken für Erb:innen

Ein fehlender aktiver Umgang mit dem Nach­lass kann gravierende finanzielle Folgen haben:

  • Unbegrenzte Haftung für Nach­lass­schulden: Nach § 1967 BGB haften Erb:innen unbe­schränkt für sämtliche Verbind­lichkeiten der verstorbenen Person. Dies bedeutet: Reicht der Nach­lass nicht aus, müssen Erb:innen mit ihrem Privat­vermögen für die Schulden aufkommen.[7]

  • Versäumnis von Fristen zur Haftungs­beschränkung: Erb:innen haben verschiedene Möglich­keiten, ihre Haftung zu beschränken:

    • Erb­aus­schlagung innerhalb von sechs Wochen[8]
    • Beantragung der Nach­lass­insolvenz[3][8]
    • Nach­lass­verwaltung[3]
    • Geltend­machung der Dürftig­keits­einrede[3]

Wenn diese Optionen nicht recht­zeitig genutzt werden, bleibt die unbe­schränkte Haftung bestehen!

Schwierig­keiten bei der Erb­ausein­ander­setzung

Ohne geordnetes Nach­lass­ver­fahren können folgende Probleme entstehen:

  • Konflikt­potenzial bei mehreren Erb:innen: Bilden mehrere Personen eine Erben­gemein­schaft, müssen sie die Verteilung des Nach­lasses selbst regeln. Dies kann zu erheb­lichen Konflikten führen.[5]

  • Schlecht nach­weis­bare Erben­stellung: Ohne Erbschein können Erb:innen Schwierig­keiten haben, sich gegenüber Banken, Behörden und anderen Stellen als recht­mäßige Erb:innen aus­zu­weisen.[5]

  • Vermögens­werte bleiben unentdeckt: Ohne eine systematische Ermitt­lung des Nach­lasses könnten Vermögens­gegen­stände übersehen werden.

Mögliche recht­liche Konse­quenzen

Bei unsach­gemäßem Umgang mit dem Nach­lass drohen weitere recht­liche Folgen:

  • Straf­recht­liche Verfolgung bei falschen Angaben: Wer vorsätzlich unrichtige Angaben im Nach­lass­ver­zeichnis macht, kann wegen falscher eides­statt­licher Versicherung bestraft werden (§ 156 StGB). Dies kann Geld­strafen oder sogar Freiheits­strafen nach sich ziehen.[2]

  • Zivil­recht­liche Ansprüche anderer Erb:innen: Pflicht­teils­berechtigte können Auskunft über Bestand und Wert des Nach­lasses verlangen. Bei falschen Angaben drohen Schadens­ersatz­ansprüche.[2]

  • Erb­unwürdig­keit: In bestimmten Fällen kann eine Person für erb­unwürdig erklärt werden, was zum Verlust des Erb­rechts führt.[6]

Was Sie tun sollten - praktische Handlungs­empfehlungen

Nach einem Todes­fall:

  1. Suchen Sie nach einem Testament: Durchsehen Sie die Unter­lagen der verstorbenen Person und geben Sie gefundene Testamente beim Nach­lass­gericht ab.[7]

  2. Informieren Sie sich über mögliche Schulden: Verschaffen Sie sich einen Über­blick über die finanzielle Situation der verstorbenen Person.

  3. Setzen Sie sich mit dem Nach­lass­gericht in Verbindung: Dies ist besonders wichtig, wenn kein Testament vorliegt oder die Erb­situation unklar ist.

  4. Prüfen Sie die Option der Erb­aus­schlagung: Bei über­schuldetem Nach­lass sollten Sie innerhalb von sechs Wochen handeln. Die Ausschlagungs­erklärung muss form­gerecht (nota­riell beglaubigt) beim Nach­lass­gericht abgegeben werden.[8]

  5. Beantragen Sie einen Erbschein: Dieser dient als offizieller Nachweis Ihrer Erben­stellung gegenüber Dritten.[5]

Vorsorge zu Lebzeiten:

  1. Erstellen Sie ein Testament: Legen Sie fest, wer was erben soll. Ein notarielles Testament bietet zusätz­liche Sicher­heit.

  2. Besprechen Sie Ihre Wünsche mit Ihren Angehörigen: Offene Kommu­nikation kann spätere Konflikte vermeiden.

  3. Dokumentieren Sie Ihr Vermögen: Erstellen Sie eine Über­sicht über Ihre Vermögens­werte, Konten, Versicherungen und Verbind­lichkeiten.

  4. Für Paare ohne Kinder: Treffen Sie testamentarische Regelungen, damit der/die Partner:in abgesichert ist.[1]

Die Bedeutung recht­licher Beratung

Die Folgen eines fehlenden Nach­lass­ver­fahrens können komplex und weit­reichend sein. Jeder Nach­lass ist individuell, und all­gemeine Infor­mationen können eine persön­liche Rechts­beratung nicht ersetzen.

Suchen Sie bei Unsicher­heiten recht­liche Unter­stützung: Anwält:innen für Erbrecht können Ihnen helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und teure Fehler zu vermeiden.

Die Ausein­ander­setzung mit dem Thema Nachlass erscheint oft belastend, doch eine recht­zeitige und sachkundige Regelung schafft Klarheit und verhindert spätere Probleme - sowohl für Sie als auch für Ihre Angehörigen.