Können Stieftungen, Trusts und Vollmachten die gesetzliche Erbfolge komplett ersetzen?
Stiftungen, Trusts und Vollmachten können die gesetzliche Erbfolge in vielen Fällen ersetzen und bieten flexible Möglichkeiten zur Nachlassgestaltung, insbesondere für langfristigen Vermögenserhalt oder komplexe Vermögensstrukturen. Allerdings bleibt das Pflichtteilsrecht eine unvermeidbare Grenze, und steuerliche sowie rechtliche Aspekte erfordern sorgfältige Planung. Eine individuelle Beratung durch Fachleute ist daher essenziell, um die beste Lösung zu finden.
Bei der Nachlassplanung stehen Ihnen verschiedene rechtliche Instrumente zur Verfügung, die über ein einfaches Testament hinausgehen. Stiftungen, Trusts und Vollmachten bieten besondere Gestaltungsmöglichkeiten, um Vermögen langfristig zu sichern und zu verwalten. Doch können diese Instrumente die gesetzliche Erbfolge tatsächlich vollständig ersetzen? Dieser Artikel beleuchtet die Möglichkeiten und Grenzen dieser Gestaltungsoptionen.
Stiftungen als Nachlasslösung für die Ewigkeit
Was ist eine Stiftung?
Eine Stiftung ist eine Rechtsform, bei der Vermögen dauerhaft einem bestimmten Zweck gewidmet wird. Anders als bei vielen anderen Nachlassregelungen können Stiftungen theoretisch unbegrenzt fortbestehen. Sie können eine Stiftung sowohl zu Lebzeiten als auch von Todes wegen durch Testament oder Erbvertrag errichten lassen.
Die Stiftung ist vom System her “unsterblich” und kann nur in extremen Ausnahmefällen aufgelöst werden, etwa wenn das Gemeinwohl gefährdet oder die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist[1]. Dies unterscheidet sie grundlegend von herkömmlichen testamentarischen Anordnungen, die sich höchstens 30 Jahre halten können[1].
Arten von Stiftungen für die Nachlassplanung
Bei der Nachlassplanung mittels Stiftung stehen Ihnen zwei Grundtypen zur Verfügung:
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Gemeinnützige Stiftung: Dient dem Allgemeinwohl und genießt Steuervorteile. Die Steuerbefreiung gilt sowohl für die Gründung als auch für spätere Zustiftungen[4].
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Privatnützige Stiftung (z.B. Familienstiftung): Dient privaten Zwecken, oft der langfristigen Absicherung von Familienangehörigen. Diese Stiftungsform ist nicht von der Erbschaftsteuer befreit[4].
Vorteile der Stiftungslösung
- Langfristiger Vermögenserhalt: Ihre Vorstellungen über die Verwendung des Vermögens können ohne zeitliche Beschränkung verwirklicht werden[1].
- Schutz vor unerwünschten Zugriffen: Das Stiftungsvermögen ist vor dem Zugriff von Gläubigern verschuldeter Erben oder verschwenderischer Kinder geschützt[7].
- Steuervorteile bei Gemeinnützigkeit: Gemeinnützige Stiftungen sind von der Erbschaft- und Schenkungssteuer befreit[4].
Trusts als erbrechtliches Gestaltungsinstrument
Was ist ein Trust?
Ein Trust ist ein vor allem im angloamerikanischen Rechtsraum verbreitetes treuhänderisches Rechtsverhältnis, bei dem eine Person (Trustee) bestimmte Güter für andere Personen (Begünstigte) oder einen bestimmten Zweck verwaltet[8].
Die Grundstruktur eines Trusts basiert auf drei Beteiligten:
- Der Errichtende (Trustor, Settlor, Grantor)
- Der treuhänderische Verwalter (Trustee)
- Die Begünstigten (Beneficiaries)[8]
Rechtliche Einordnung in Deutschland
Aus deutscher Sicht wird ein testamentarischer Trust (testamentary trust) als letztwillige Verfügung betrachtet. Der Trustee wird dabei meist als Testamentsvollstrecker angesehen, während die Begünstigten als Vermächtnisnehmer oder Erben eingestuft werden[2].
Vor- und Nachteile von Trusts
Vorteile:
- Flexible Gestaltungsmöglichkeiten für komplexe Vermögensstrukturen
- Mögliche Einflussnahme auch nach dem Tod
Nachteile:
- Erbschaftsteuerpflicht auch für Trust-Vermögen[5]
- Rechtliche Unsicherheiten bei der Anwendung ausländischer Trust-Strukturen in Deutschland
Vollmachten für die Nachlassverwaltung
Arten von Vollmachten im Erbkontext
Vollmachten können die Handlungsfähigkeit nach einem Todesfall sichern, insbesondere wenn mehrere Erb:innen beteiligt sind:
- Postmortale Vollmacht: Gilt über den Tod hinaus und ermöglicht schnelle Handlungsfähigkeit[3].
- Vollmacht für die Erbengemeinschaft: Ein:e Miterb:in erhält die Befugnis, für alle zu handeln[6].
Einsatzmöglichkeiten bei der Nachlassplanung
Eine Vollmacht hält die Erbengemeinschaft handlungsfähig. Sie ermöglicht Bankgeschäfte, Vertragskündigungen und Behördengänge auch dann, wenn noch kein Erbschein vorliegt oder einzelne Miterb:innen schwer erreichbar sind[3].
Der Vorteil: Mit einer Vollmacht können wichtige Entscheidungen und Zahlungen zügig erledigt werden, ohne dass alle Erb:innen zustimmen müssen[6]. Dies spart Zeit und reduziert den Verwaltungsaufwand erheblich.
Grenzen der Vollmacht
Eine Vollmacht berechtigt nur zur Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses, nicht zur persönlichen Bereicherung[3]. Zudem kann sie grundsätzlich jederzeit widerrufen werden, was bei Konflikten in der Erbengemeinschaft zu Problemen führen kann.
Grenzen dieser Instrumente: Was nicht ersetzt werden kann
Das Pflichtteilsrecht als nicht umgehbare Hürde
Ein wesentlicher Punkt: Keines dieser Instrumente kann das gesetzliche Pflichtteilsrecht vollständig ausschalten. Wenn Sie Abkömmlinge, Eltern oder Ehepartner:innen von der Erbfolge ausschließen, können diese Personen trotzdem ihren Pflichtteil verlangen[4].
Auch bei der Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten auf Trusts oder Stiftungen können Pflichtteilsergänzungsansprüche bestehen[2]. Bei Trusts hängt die Frage, ob die 10-Jahresfrist für die Abschmelzung des Pflichtteils läuft, davon ab, ob der Errichter noch Einfluss auf das Vermögen hat[2].
Steuerliche Aspekte
Die steuerlichen Folgen sind je nach Gestaltung unterschiedlich:
Praktische Tipps zur Entscheidungsfindung
Wie können Sie entscheiden, welches Instrument für Ihre Nachlassplanung am besten geeignet ist? Hier einige Leitfragen:
- Was sind Ihre langfristigen Ziele? Möchten Sie Ihr Vermögen für gemeinnützige Zwecke einsetzen oder Ihre Familie absichern?
- Wie komplex ist Ihr Vermögen? Bei Unternehmensbeteiligungen oder internationalem Vermögen können Stiftungen oder Trusts sinnvoll sein.
- Wie viel Kontrolle möchten Sie behalten? Trusts und Stiftungen erlauben unterschiedliche Grade der Einflussnahme.
- Welche steuerlichen Aspekte sind für Sie relevant? Die Steuerfolgen unterscheiden sich erheblich je nach Gestaltung.
Besonders wichtig: Lassen Sie sich frühzeitig beraten. Die Errichtung von Stiftungen oder Trusts erfordert sorgfältige Planung und juristischen Sachverstand.
Fazit: Komplette Ersetzung möglich, aber mit Grenzen
Stiftungen, Trusts und Vollmachten bieten leistungsfähige Alternativen zur gesetzlichen Erbfolge. Eine vollständige Ersetzung ist grundsätzlich möglich, aber:
- Das Pflichtteilsrecht bildet eine kaum zu überwindende Grenze
- Die steuerlichen Folgen müssen genau bedacht werden
- Der Aufwand für Errichtung und Verwaltung ist höher als bei einem einfachen Testament
Für Menschen mit besonderen Vermögensverhältnissen oder speziellen Wünschen zur langfristigen Vermögensverwendung können diese Instrumente dennoch die beste Lösung darstellen. Eine Stiftung kann theoretisch “ewig” bestehen und Ihren Willen auch weit über Ihren Tod hinaus verwirklichen[1] - etwas, das mit einem herkömmlichen Testament nicht möglich wäre.
Bedenken Sie jedoch: Die optimale Nachlasslösung ist so individuell wie Ihre persönliche Situation. Eine fachkundige Beratung durch Erbrechtsspezialist:innen ist der erste Schritt auf dem Weg zur passenden Gestaltung.