Wie werden Sozialleistungen für behinderte Begünstigte im Ausland sichergestellt?
Die Sicherung von Sozialleistungen für Menschen mit Behinderungen im Ausland ist in Deutschland stark eingeschränkt und an strenge Voraussetzungen wie eine außergewöhnliche Notlage gebunden. Vermögen wird dabei meist angerechnet, und Schonvermögensregelungen gelten im Ausland oft nicht. Betroffene sollten frühzeitig Beratung suchen, Alternativen prüfen und ihre Situation sorgfältig planen, um mögliche Ansprüche geltend zu machen.
- Die Grundsituation: Herausforderungen bei Sozialleistungen im Ausland
- Unter welchen Bedingungen sind Ausnahmen möglich?
- Besondere Probleme für Menschen mit Behinderungen
- Vermögensanrechnung bei Sozialleistungen: Die Grundregeln
- Schonvermögen: Was bleibt Ihnen erhalten?
- Die Einkommens- und Vermögensabhängigkeit der Eingliederungshilfe: Ein Streitpunkt
- Antragstellung und Zuständigkeiten
- Praktische Tipps zum Umgang mit Vermögensfragen bei Auslandsaufenthalten
- Ausblick: Forderungen nach Verbesserungen
- Fazit
Menschen mit Behinderungen, die im Ausland leben möchten oder müssen, stehen vor besonderen Herausforderungen bei der Sicherung ihrer Sozialleistungen. Die aktuelle Rechtslage bildet erhebliche Hürden, führt jedoch nicht zu vollständiger Aussichtslosigkeit. Dieser Artikel beleuchtet die Möglichkeiten und Grenzen von Sozialleistungen im Ausland und zeigt auf, wie die Anrechnung von Vermögen sich auf Leistungsansprüche auswirkt.
Die Grundsituation: Herausforderungen bei Sozialleistungen im Ausland
Menschen mit Behinderungen, die im Ausland leben möchten oder müssen, stehen vor besonderen Herausforderungen bei der Sicherung ihrer Sozialleistungen. Der Grundsatz ist leider ernüchternd: Deutsche Staatsangehörige, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten grundsätzlich keine Sozialhilfeleistungen[6][10]. Dies betrifft auch die für Menschen mit Behinderungen oft lebenswichtigen Leistungen wie die Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege.
Praktisches Beispiel:
Frau Schmidt, die einen Rollstuhl nutzt und auf persönliche Assistenz angewiesen ist, möchte für ein Jahr in Spanien leben. Ihre Eingliederungshilfe und Pflegeleistungen kann sie nach aktueller Rechtslage nicht einfach “mitnehmen” - sie stünde im Ausland ohne ihre gewohnten Unterstützungsleistungen da.
Unter welchen Bedingungen sind Ausnahmen möglich?
Von der strengen Regelung kann nur in besonderen Fällen abgewichen werden. Laut § 24 SGB XII und § 101 SGB IX ist eine Unterstützung im Ausland nur möglich, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind[3][10]:
- Es liegt eine außergewöhnliche Notlage vor und
- Eine Rückkehr nach Deutschland ist nicht möglich aus einem der folgenden drei Gründe:
- Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss
- Längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit
- Hoheitliche Gewalt (beispielsweise Inhaftierung)
Praktisches Beispiel:
Herr Müller hat eine Muskelerkrankung und ist pflegebedürftig. Sein Sohn lebt in der Schweiz und hat dort das alleinige Sorgerecht für Herrn Müllers Enkelkind. Wenn Herr Müller in die Nähe seines Sohnes ziehen möchte, um bei der Erziehung zu helfen, und aufgrund seiner schweren Pflegebedürftigkeit eine Rückkehr nach Deutschland nicht zumutbar wäre, könnte dies als Ausnahmefall anerkannt werden.
Besondere Probleme für Menschen mit Behinderungen
Menschen mit Behinderungen sind oft täglich auf bestimmte Sozialleistungen angewiesen. Dazu gehören[1]:
- Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V)
- Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe (SGB IX)
- Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI)
- Leistungen der Eingliederungshilfe (6. Kapitel SGB XII)
- Leistungen der Hilfe zur Pflege aus Sozialhilfe (7. Kapitel SGB XII)
Bei Auslandsaufenthalten entstehen hier besondere Schwierigkeiten, da viele dieser Leistungen territorial gebunden sind. Häufig scheitert die Umsetzung eines Auslandsaufenthalts an der fehlenden oder nur sehr unzureichenden Möglichkeit, Teilhabeleistungen oder pflegerische Unterstützungsleistungen nach deutschem Sozialrecht auch im Ausland in Anspruch zu nehmen[1].
Vermögensanrechnung bei Sozialleistungen: Die Grundregeln
Bei der Beantragung von Sozialhilfeleistungen - auch im Ausland - gilt grundsätzlich: Wer Leistungen der Sozialhilfe nachfragt, hat vor der Gewährung sein verwertbares Vermögen einzusetzen[13]. Zum Vermögen zählen[2][7]:
- Bargeld und Bankguthaben
- Wertpapiere, Lebensversicherungen, Bausparverträge
- Immobilien und Grundstücke
- Wertvolle Besitztümer wie Schmuck oder Kunstgegenstände
Praktisches Beispiel:
Familie Bauer hat einen Sohn mit kognitiver Beeinträchtigung, der Eingliederungshilfe erhält. Die Familie besitzt ein kleines Ferienhaus in Italien im Wert von 80.000 Euro. Bei einem möglichen Umzug nach Italien müsste diese Immobilie grundsätzlich verwertet werden, bevor Sozialhilfeleistungen gewährt werden könnten.
Schonvermögen: Was bleibt Ihnen erhalten?
In Deutschland gibt es sogenanntes “Schonvermögen”, das bei der Sozialhilfe nicht angerechnet wird[2][7]:
- Barbeträge oder Geldwerte bis zu 10.000 Euro
- Ein angemessenes Kraftfahrzeug
- Angemessener Hausrat
- Eine selbstgenutzte, angemessene Immobilie
- Für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge
Beachten Sie: Bei Sozialhilfeleistungen im Ausland gelten diese Schonvermögensregelungen in der Regel nicht! Die Ausnahmeregelungen des § 90 Abs. 2 SGB XII finden bei Auslandsleistungen grundsätzlich keine Anwendung, außer wenn durch die Verwertung des Vermögens die außergewöhnliche Notlage nicht beseitigt werden kann[4][8].
Die Einkommens- und Vermögensabhängigkeit der Eingliederungshilfe: Ein Streitpunkt
Die Eingliederungshilfe ist für viele Menschen mit Behinderungen eine zentrale Unterstützungsleistung. Kritiker:innen bemängeln, dass die Einkommens- und Vermögensabhängigkeit dieser Hilfe eine Diskriminierung nach der UN-Behindertenrechtskonvention darstellt[5]. Es wird gefordert, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen faktischen Möglichkeiten haben sollten, im Ausland tätig zu sein wie Menschen ohne Behinderungen[1].
Antragstellung und Zuständigkeiten
Wenn Sie Sozialhilfeleistungen im Ausland beantragen möchten, beachten Sie folgende Punkte:
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Der Antrag muss bei der deutschen Auslandsvertretung (Botschaft oder Konsulat) im jeweiligen Aufenthaltsland gestellt werden[10].
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Zuständig für die Leistungsgewährung ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich Sie geboren sind. Wurden Sie im Ausland geboren, gibt es Sonderregelungen[3][6][10].
-
Es wird geprüft, ob Ansprüche gegenüber Behörden des Aufenthaltslandes bestehen. Sozialhilfeleistungen werden nicht erbracht, soweit sie vom Aufenthaltsland oder von anderen erbracht werden oder zu erwarten sind[3][10].
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Art und Maß der Leistungserbringung richten sich nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland[3].
Praktisches Beispiel:
Frau Yilmaz, geboren in Köln, hat eine Sehbehinderung und möchte zu ihrer Tochter in die Türkei ziehen. Für ihren Antrag auf Sozialhilfeleistungen im Ausland müsste sie sich an die deutsche Botschaft in Ankara wenden. Zuständig für die Bearbeitung wäre der überörtliche Sozialhilfeträger in Nordrhein-Westfalen. Die Botschaft würde ihren Antrag dorthin weiterleiten.
Praktische Tipps zum Umgang mit Vermögensfragen bei Auslandsaufenthalten
Wenn Sie als Mensch mit Behinderung einen Auslandsaufenthalt planen, können folgende Überlegungen hilfreich sein:
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Frühzeitige Planung und Beratung: Informieren Sie sich rechtzeitig vor dem geplanten Auslandsaufenthalt über Ihre Ansprüche und Möglichkeiten. Wenden Sie sich an spezielle Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen.
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Dokumente und Nachweise vorbereiten: Bereiten Sie alle notwendigen Unterlagen vor, die Ihre außergewöhnliche Notlage und die Unmöglichkeit einer Rückkehr nach Deutschland belegen können. Dazu können ärztliche Bescheinigungen, Gutachten und andere Nachweise gehören.
-
Alternative Unterstützungsstrukturen prüfen: Informieren Sie sich, welche Unterstützungsmöglichkeiten im Zielland existieren und wie Sie darauf zugreifen können. In manchen Ländern gibt es bilateral Abkommen, die den Zugang zu Leistungen erleichtern.
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Zeitlich begrenzte Auslandsaufenthalte: Bei vorübergehenden Auslandsaufenthalten können manchmal flexiblere Regelungen greifen als bei dauerhaftem Auslandsaufenthalt. Prüfen Sie, ob eine befristete Lösung für Ihre Situation passend sein könnte.
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Rechtsberatung in Anspruch nehmen: Die sozialrechtlichen Regelungen sind komplex - professionelle Beratung kann helfen, Ihre individuellen Möglichkeiten zu klären. Eine Rechtsberatung kann konkrete Wege aufzeigen, wie Sie Ihre Ansprüche geltend machen können.
Ausblick: Forderungen nach Verbesserungen
Organisationen, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einsetzen, fordern deutliche Verbesserungen[1]:
-
Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege sollten für einen vorübergehenden Auslandsaufenthalt nicht nur als Ausnahmefall und restriktiv bewilligt werden.
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Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sollten bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt auch außerhalb der Europäischen Union uneingeschränkt weiter erbracht werden.
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Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung sollten bei einem vorübergehenden Aufenthalt im EU-Ausland weiter erbracht werden können.
Das Ziel ist, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen faktischen Möglichkeiten haben, vorübergehend im Ausland tätig zu sein wie Menschen ohne Behinderungen[1].
Fazit
Die Sicherung von Sozialleistungen für Menschen mit Behinderungen im Ausland ist nach aktueller Rechtslage eine Herausforderung. Die strengen Voraussetzungen und die fehlende Anwendung der Schonvermögensregelungen erschweren es vielen Betroffenen, ihr Recht auf freie Wohnortwahl wahrzunehmen. Politische Initiativen fordern Verbesserungen, aber bis dahin bleibt Betroffenen nur eine sorgfältige Planung und gegebenenfalls der Rechtsweg, um ihre Ansprüche durchzusetzen.