Wie vermeidet man Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitenden Erbfällen?

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Zusammenfassung

Die Vermeidung von Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitenden Erbfällen erfordert sorgfältige Planung und gegebenenfalls fachkundige Beratung. Doppelbesteuerungsabkommen sind der effektivste Schutz, während bei fehlenden Abkommen die Anrechnung ausländischer Steuern (§ 21 ErbStG) oder Gestaltungsoptionen wie der Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht hilfreich sein können. Frühzeitige Maßnahmen wie die Nutzung von Freibeträgen, Vermögensumschichtung oder ein Testament mit Rechtswahl können die steuerliche Belastung zusätzlich reduzieren.

Bei Erbfällen mit internationalem Bezug kann es schnell zu einer mehrfachen steuerlichen Belastung kommen. Wenn Sie Vermögen im Ausland besitzen, Erben im Ausland haben oder selbst im Ausland leben, sollten Sie sich frühzeitig mit der Frage beschäftigen, wie eine Doppel­besteuerung vermieden werden kann. Der folgende Artikel zeigt Ihnen, welche Möglichkeiten das Steuerrecht bietet und wie Sie für Ihre persönliche Situation die beste Lösung finden.

Wann droht eine Doppel­besteuerung bei Erbschaften?

Eine Doppel­besteuerung bei Erbfällen tritt auf, wenn mehrere Staaten ein Besteuerungsrecht für denselben Nachlass beanspruchen. Dies kann in folgenden Situationen vorkommen:

  • Der Erblasser oder der Erbe hat Wohnsitze in mehreren Staaten
  • Das Vermögen liegt in unterschiedlichen Ländern
  • Es bestehen steuerliche Anknüpfungspunkte in verschiedenen Staaten[1]

Beispiel: Wenn eine in Deutschland lebende Person ein Ferienhaus in Spanien und ein Bankkonto in der Schweiz hinterlässt, könnten sowohl Deutschland als auch Spanien und die Schweiz Erbschaftsteuer erheben.

Unbeschränkte und beschränkte Steuer­pflicht verstehen

Für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang Deutschland Erbschaftsteuer erheben kann, ist die Frage der Steuer­pflicht entscheidend:

Unbeschränkt erbschaftsteuer­pflichtig ist ein Erbe in Deutschland, wenn:

  • Der Erblasser oder der Erbe einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat
  • Der Erblasser deutscher Staats­angehöriger ist und nicht länger als fünf Jahre im Ausland gelebt hat[5]

Bei unbeschränkter Steuer­pflicht wird das gesamte Welt­vermögen in Deutschland besteuert.

Beschränkte Erbschaftsteuer­pflicht besteht, wenn Inlands­vermögen nach § 121 Bewertungs­gesetz vererbt wird, etwa:

  • Grundstücke in Deutschland
  • Inländisches Betriebs­vermögen
  • Anteile an deutschen Kapital­gesellschaften[5]

Bei beschränkter Steuer­pflicht wird nur das in Deutschland befindliche Vermögen besteuert.

Doppel­besteuerungs­abkommen als wirksamer Schutz

Der beste Schutz gegen eine Doppel­besteuerung sind spezielle Doppel­besteuerungs­abkommen (DBA) im Bereich der Erbschaftsteuer. Diese regeln, welcher Staat in welchem Umfang besteuern darf und haben als völker­rechtliche Verträge Vorrang vor nationalem Recht[1].

Deutschland hat aktuell Erbschaftsteuer-DBA mit sechs Ländern:

  • Dänemark
  • Frankreich
  • Griechenland
  • Schweden (wobei Schweden keine Erbschaftsteuer mehr erhebt)
  • Schweiz
  • USA[2]

Wie funktioniert ein DBA im Erbschaftsteuerbereich?

DBA regeln typischerweise:

  • Welcher Staat das Besteuerungsrecht für bestimmte Vermögens­gegenstände hat
  • Wie eine mögliche Doppel­besteuerung vermieden wird (z.B. durch Anrechnung oder Freistellung)
  • Welche Sonderregeln für bestimmte Konstellationen gelten

Beispiel: DBA Deutschland-Schweiz im Detail

Das DBA zwischen Deutschland und der Schweiz enthält folgende wesentliche Regelungen:

  • Grundregel: Das Besteuerungsrecht liegt grundsätzlich bei dem Staat, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte[5].

  • Ausnahmen: Für bestimmte Vermögenswerte (etwa Immobilien) hat der Belegenheits­staat (der Staat, in dem die Immobilie liegt) das Besteuerungsrecht.

  • Sonder­besteuerungs­recht für Deutschland: In folgenden Fällen behält Deutschland ein Besteuerungsrecht:

    • Wenn der Erblasser in der Schweiz lebte, aber im Zeitpunkt seines Todes seit mindestens 5 Jahren eine ständige Wohn­stätte in Deutschland hatte
    • Wenn der Erblasser innerhalb der letzten fünf Jahre vor seinem Tod eine Wohn­stätte in Deutschland hatte (Abwanderer-Regelung)[5]

Praxis­beispiel: Eine deutsche Staats­angehörige lebt seit 3 Jahren in der Schweiz und verstirbt dort. Sie hinterlässt ein Haus in Deutschland und Bar­vermögen in der Schweiz. Nach dem DBA hat Deutschland das Besteuerungs­recht für das Haus und die Schweiz für das Bar­vermögen. Da die Erblasserin jedoch weniger als 5 Jahre in der Schweiz gelebt hat, könnte Deutschland nach der Abwanderer-Regelung auch das Schweizer Vermögen besteuern.

Vermeidung der Doppel­besteuerung ohne DBA

Wenn kein DBA besteht, gibt es nur begrenzte Möglichkeiten, eine Doppel­besteuerung zu vermeiden:

Anrechnung ausländischer Steuern nach § 21 ErbStG

Nach § 21 ErbStG kann die im Ausland gezahlte Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden, wobei folgende Einschränkungen gelten:

  • Die Anrechnung ist nur möglich, wenn das Auslands­vermögen auch in Deutschland der unbeschränkten Steuer­pflicht unterliegt
  • Die Anrechnung ist auf den Betrag der deutschen Steuer begrenzt, der auf das Auslands­vermögen entfällt
  • Es erfolgt keine Erstattung, wenn die ausländische Steuer höher ist als die deutsche Steuer[2]

Wichtig: Die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer kommt nur zur Anwendung, wenn kein DBA besteht oder dieses keine Regelung für den konkreten Fall enthält.

Besteht das Erbe teilweise aus Auslands­vermögen?

Besteht der Erwerb nur zum Teil aus Auslands­vermögen, gilt das Aufteilungs­gebot nach § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG. Die deutsche Erbschaftsteuer wird dann im Verhältnis des steuer­pflichtigen Auslands­vermögens zum steuer­pflichtigen Gesamt­vermögen aufgeteilt[2].

Beispiel: Ein Erbe erhält ein Grundstück in Österreich (Wert: 200.000 Euro) und ein Bank­guthaben in Deutschland (Wert: 300.000 Euro). Die deutsche Erbschaftsteuer auf das Gesamt­vermögen beträgt 30.000 Euro. Auf das Auslands­vermögen entfallen 2/5 der deutschen Steuer, also 12.000 Euro. Bis zu diesem Betrag kann die in Österreich gezahlte Erbschaftsteuer angerechnet werden.

Freibeträge bei internationalen Erbfällen optimieren

Bei der beschränkten Steuer­pflicht in Deutschland ergeben sich Nachteile gegenüber der unbeschränkten Steuer­pflicht:

  • Reduzierte Freibeträge: Bei beschränkter Steuer­pflicht werden die persönlichen Freibeträge nur anteilig gewährt
  • Eingeschränkter Abzug von Nachlass­verbindlichkeiten: Schulden können bei beschränkter Steuer­pflicht nur begrenzt abgezogen werden[7]

Antrag auf unbeschränkte Steuer­pflicht als Gestaltungs­option

In bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, bei beschränkter Steuer­pflicht einen Antrag auf unbeschränkte Steuer­pflicht zu stellen. Dies ist vor allem dann vorteilhaft, wenn:

  • Die persönlichen Freibeträge hoch sind (z.B. 400.000 Euro pro Kind)
  • Das in Deutschland befindliche Vermögen im Verhältnis zum gesamten Nachlass gering ist[3]

Beispiel: Eine in Polen lebende Tochter erbt von ihrem Vater ein Grundstück in Deutschland (Wert: 300.000 Euro) und eine Wohnung in Spanien (Wert: 200.000 Euro). Bei beschränkter Steuer­pflicht würde nur das deutsche Grundstück besteuert, aber mit reduzierten Freibeträgen. Bei unbeschränkter Steuer­pflicht würde zwar das gesamte Vermögen in Deutschland besteuert, aber der volle Freibetrag von 400.000 Euro wäre anwendbar, sodass keine Erbschaftsteuer anfiele[3].

Doppel­belastung durch Erbschaftsteuer und Einkommensteuer

Eine besondere Form der Doppel­belastung kann entstehen, wenn der Erwerb sowohl der Erbschaftsteuer als auch der Einkommensteuer unterliegt.

Steuer­ermäßigung nach § 35b EStG

Nach § 35b EStG kann auf Antrag eine Ermäßigung der Einkommensteuer gewährt werden, wenn:

  • Einkünfte der Einkommensteuer unterliegen
  • Diese Einkünfte im selben Veranlagungs­zeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungs­zeiträumen auch der Erbschaftsteuer unterlegen haben[4][6]

Wichtig: Die Steuer­ermäßigung nach § 35b EStG wird nur gewährt, wenn die Einkünfte der tariflichen Einkommensteuer unterliegen. Bei Einkünften, die dem Abgeltung­steuersatz von 25% unterliegen, ist keine Ermäßigung möglich[4].

Beispiel: Im Nachlass befinden sich rückständige Mieten in Höhe von 2.000 Euro. Diese unterliegen zunächst der Erbschaftsteuer als Teil des Nachlasses. Werden die Mieten später an den Erben ausgezahlt, unterliegen sie bei diesem der Einkommensteuer. Hier kann § 35b EStG zur Anwendung kommen, um die Doppel­belastung zu mildern[6].

Praktische Tipps für die Nachlass­planung bei internationalen Vermögen

Um Doppel­besteuerung bei internationalen Erbfällen zu vermeiden oder zu minimieren, beachten Sie bitte:

Frühzeitige Planung und Beratung

  • Lassen Sie Ihre individuelle Situation analysieren: Jeder internationale Erbfall ist anders. Eine fundierte steuerliche Beratung durch spezialisierte Steuer­berater:innen oder Rechts­anwält:innen ist unverzichtbar[1].

  • Prüfen Sie bestehende DBA: Informieren Sie sich über die Regelungen in den für Sie relevanten Doppel­besteuerungs­abkommen.

  • Dokumentieren Sie Ihren steuerlichen Status: Bei Wohnsitz­wechseln ist es wichtig, den Zeitpunkt und die Umstände genau zu dokumentieren.

Gestaltungs­optionen

  • Lebzeitige Schenkungen: Durch gezielte Schenkungen können Sie unter Umständen Freibeträge mehrfach nutzen und die steuerliche Belastung reduzieren.

  • Vermögens­umschichtung: Eine Umschichtung des Vermögens in Länder mit niedrigerer Erbschaftsteuer oder bestehenden DBA kann sinnvoll sein.

  • Testament mit Rechtswahl: Durch ein Testament können Sie nicht nur die erbrechtliche, sondern indirekt auch die steuerliche Situation beeinflussen[7].

Checkliste zur Vermeidung von Doppel­besteuerung

  • [ ] Ermittlung der Staaten mit möglichem Besteuerungs­anspruch
  • [ ] Prüfung der Steuergesetze in allen betroffenen Ländern
  • [ ] Recherche zu bestehenden Doppel­besteuerungs­abkommen
  • [ ] Analyse der steuerlichen Auswirkungen verschiedener Gestaltungs­optionen
  • [ ] Dokumentation aller relevanten Wohnsitze und Aufenthalte
  • [ ] Erstellung eines Testaments mit Rechtswahl
  • [ ] Regelmäßige Überprüfung der rechtlichen und steuerlichen Situation

Fazit

Die Vermeidung von Doppel­besteuerung bei internationalen Erbfällen erfordert eine sorgfältige Planung. Durch die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen und eine frühzeitige Beratung können Sie die steuerliche Belastung für Ihre Erb:innen erheblich reduzieren.

Am wirksamsten ist der Schutz durch Doppel­besteuerungs­abkommen, die jedoch nur mit wenigen Ländern bestehen. Ohne DBA bleibt nur die eingeschränkte Möglichkeit der Anrechnung ausländischer Steuern nach § 21 ErbStG.

Die Optimierung von Freibeträgen durch den Antrag auf unbeschränkte Steuer­pflicht sowie die Nutzung der Steuer­ermäßigung nach § 35b EStG bei Doppel­belastung mit Einkommensteuer sind weitere wichtige Instrumente zur Steuer­vermeidung.

Aufgrund der Komplexität des Themas und der individuellen Besonderheiten jedes Erbfalls ist eine fachkundige Beratung zu empfehlen. Mit einer guten Planung können Sie dafür sorgen, dass Ihr Nachlass nicht durch vermeidbare Steuern geschmälert wird.