Welche internationalen Abkommen regeln grenzüberschreitende Erbfälle?

Zusammenfassung

Internationale Abkommen wie das Haager Testaments­form­übereinkommen, die EU-Erbrechts­verordnung und bilaterale Verträge (z. B. mit der Türkei oder Iran) regeln grenz­überschreitende Erbs­fälle und schaffen Rechts­sicherheit. Sie ermöglichen eine klare Nachlass­regelung, etwa durch die Rechts­wahl des Heimat­rechts, und verhindern Form­mängel oder Nachlass­spaltungen. Eine frühzeitige Planung und fachliche Beratung sind entscheidend, um unerwünschte Komplikationen zu vermeiden.

Wenn Sie Vermögen im Ausland besitzen, internationale Familien­beziehungen haben oder selbst im Ausland leben, stehen Sie bei der Nachlass­regelung vor besonderen Heraus­forderungen. Verschiedene internationale Abkommen sorgen dafür, dass bei grenz­überschreitenden Erbs­fällen klare Regeln gelten. Diese Vereinbarungen helfen, Rechts­unsicherheiten zu vermeiden und bieten Ihnen Möglich­keiten, Ihren Nachlass nach Ihren Wünschen zu gestalten.

Das Haager Testaments­form­übereinkommen

Das Haager Testaments­form­übereinkommen (offiziell: “Haager Übereinkommen über das auf die Form der letztwilligen Verfügungen anzuwendende Recht”) wurde am 5. Oktober 1961 unterzeichnet und trat am 5. Januar 1964 in Kraft.[4] Dieses Abkommen spielt eine wichtige Rolle bei internationalen Erbs­fällen, wenn ein Testament nach dem Recht eines anderen Staates errichtet wurde.[1]

Zweck des Übereinkommens

Der Grund­gedanke dieses Abkommens ist einfach: Ein Testament soll nicht an bloßen Form­mängeln scheitern. Dies ist besonders hilfreich, da die Form­vorschriften für Testamente je nach Land unterschiedlich sein können.

Nach dem Haager Übereinkommen ist ein Testament form­gültig, wenn es dem Recht eines der folgenden Staaten entspricht:

  • dem Staat, in dem der Erblasser das Testament errichtet hat[4]
  • dem Staat, dessen Staats­angehörigkeit der Erblasser bei der Errichtung des Testaments oder bei seinem Tod besaß[4]
  • dem Staat, in dem der Erblasser seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bei der Errichtung des Testaments oder bei seinem Tod hatte[4]
  • bei Immobilien: dem Staat, in dem sich die Immobilie befindet[4]

Praktisches Beispiel

Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Anwendung: Ein Österreicher kann in Deutschland ein mündliches Testament errichten. Nach deutschem Recht wäre dieses Testament ungültig, weil hier eine schriftliche Form verlangt wird. Da ein mündliches Testament nach öster­reichischem Recht jedoch zulässig ist, wird es dank des Haager Übereinkommens auch in Deutschland anerkannt.[1]

Die meisten EU-Mitglieds­staaten haben dieses Abkommen ratifiziert, was für mehr Rechts­sicherheit bei internationalen Erbs­fällen sorgt.[1]

Die EU-Erbrechts­verordnung

Seit dem 17. August 2015 gilt die Europäische Erbrechts­verordnung (EU-ErbVO Nr. 650/2012), die ein einheitliches System für Erbfälle innerhalb der EU geschaffen hat.[3] Diese Verordnung betrifft sowohl innereuropäische als auch internationale Erbfälle mit Bezug zur Europäischen Union.[3]

Grundprinzip: Der gewöhnliche Aufenthalt

Das zentrale Prinzip der EU-Erbrechts­verordnung ist der “gewöhnliche Aufenthalt”. Das bedeutet: Die gesamte Erbfolge richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem die verstorbene Person zum Zeit­punkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte - unabhängig von der Staats­angehörigkeit oder dem Ort, an dem sich das Vermögen befindet.[2][3]

Ein Beispiel: Wenn eine deutsche Staats­bürgerin ihren Lebens­mittelpunkt nach Kroatien verlegt hat und dort verstirbt, gilt für ihren gesamten Nachlass das kroatische Erbrecht - auch für ihre Immobilie in Deutschland und ihr Bankkonto in Österreich.[2]

Die Möglichkeit der Rechtswahl

Die EU-Erbrechts­verordnung erlaubt es Ihnen jedoch, in Ihrem Testament das Recht Ihres Heimat­landes zu wählen. Diese Rechts­wahl muss in einer Verfügung von Todes wegen (Testament, gemeinschaftliches Testament, Erbvertrag) klar zum Ausdruck kommen.[2]

Wichtig für deutsche Staats­bürger:innen im Ausland: Eine Rechts­wahl zugunsten des deutschen Rechts kann sinnvoll sein, um die vertrauten erbrechtlichen Regelungen beizubehalten und unerwartete Überraschungen zu vermeiden.

Bilaterale Abkommen zwischen Staaten

Neben den übergreifenden internationalen Regelungen bestehen zwischen einzelnen Staaten noch spezielle zweiseitige Abkommen, die das Erbrecht regeln. Diese bleiben auch nach Inkraft­treten der EU-Erbrechts­verordnung wirksam.[5]

Deutsch-türkischer Konsular­vertrag

Für Erbfälle mit Bezug zur Türkei gilt der deutsch-türkische Konsular­vertrag. Er führt zu einer sogenannten Nachlass­spaltung:[7]

  • Bewegliches Vermögen (wie Bankkonten oder Wert­papiere) vererbt sich nach dem Recht der Staats­angehörigkeit des Erblassers.
  • Immobilien vererben sich nach dem Recht des Staates, in dem sie sich befinden.

Beispiel: Verstirbt eine türkische Staats­bürgerin mit Wohnsitz in Deutschland, vererbt sich ihr Bank­konto nach türkischem Recht. Ihr Grundstück in Deutschland wird jedoch nach deutschem Recht vererbt, während ihr Grundstück in der Türkei nach türkischem Recht übergeht.[7]

Deutsch-sowjetischer Konsular­vertrag

Der deutsch-sowjetische Konsular­vertrag enthält ähnliche Regelungen wie der deutsch-türkische Vertrag. Er gilt heute für viele Nachfolge­staaten der ehemaligen Sowjetunion.[7]

Deutsch-iranisches Niederlassungs­abkommen

Das deutsch-iranische Niederlassungs­abkommen enthält ebenfalls besondere Regelungen für Erbfälle zwischen Deutschland und dem Iran.[7]

Heraus­forderungen bei grenz­überschreitenden Erbfällen

Bei Erbfällen über Landes­grenzen hinweg können besondere Schwierig­keiten auftreten:

Unterschiedliche Erbrechts­systeme

Das Erbrecht unterscheidet sich von Land zu Land erheblich. In manchen Ländern gibt es strengere Pflicht­teils­rechte als in Deutschland, in anderen mehr Freiheit bei der Testaments­gestaltung. Auch die Regelungen zum gesetzlichen Erbrecht können sich stark unterscheiden.[2]

Steuerliche Fragen

Das internationale Erbschafts­steuerrecht umfasst die nationalen Regelungen zur steuerlichen Behandlung von Erbschafts­fällen mit Auslands­berührung.[6] Es kann zur doppelten Besteuerung kommen, wenn mehrere Staaten auf dasselbe Erbe zugreifen wollen.

Die meisten Staaten folgen einer Mischung aus zwei Prinzipien:[6]

  • Territorialitäts­prinzip: Besteuerung des im eigenen Staatsgebiet befindlichen Vermögens
  • Universalitäts­prinzip: Besteuerung der eigenen Staats­angehörigen mit ihrem welt­weiten Vermögen

Nachlass­spaltung

Ohne entsprechende Vorkehrungen kann es zu einer Nachlass­spaltung kommen. Das bedeutet, dass verschiedene Teile des Nachlasses nach unterschiedlichen Rechts­ordnungen vererbt werden.[7] Dies macht die Abwicklung komplizierter und kann zu ungewollten Ergebnissen führen.

Praktische Tipps für Ihre Nachlass­planung

Bei internationalen Bezügen sollten Sie einige wichtige Punkte beachten:

Gestalten Sie Ihren Nachlass aktiv

  • Treffen Sie eine klare Rechts­wahl: Als deutsche:r Staats­bürger:in im Ausland können Sie in Ihrem Testament festlegen, dass deutsches Erbrecht gelten soll.[2]
  • Achten Sie auf Form­vorschriften: Erstellen Sie Ihr Testament möglichst so, dass es nach mehreren Rechts­ordnungen gültig ist - idealerweise schriftlich und notariell beurkundet.
  • Berücksichtigen Sie unter­schiedliche Pflicht­teils­rechte: Informieren Sie sich, wie das Pflicht­teils­recht in den betroffenen Ländern ausgestaltet ist.

Wann Sie fachkundige Beratung einholen sollten

Fachliche Beratung ist besonders wichtig bei:

  • Immobilien­besitz im Ausland
  • Wohnsitz oder längerem Aufenthalt im Ausland
  • Ehe mit einem Partner oder einer Partnerin anderer Staats­angehörigkeit
  • Geschäfts­beziehungen mit internationalem Bezug

Ein Fach­anwalt oder eine Fach­anwältin für internationales Erbrecht kann Ihnen helfen, die komplexen Regelungen zu durchschauen und die für Sie passende Nachlass­regelung zu treffen.[7]

Vorausschauende Planung schafft Sicherheit

Bei grenz­überschreitenden Erbs­fällen ist eine frühzeitige und durch­dachte Planung besonders wichtig. Die verschiedenen internationalen Abkommen bieten Ihnen Rechts­sicherheit, aber auch Gestaltungs­spielräume, die Sie kennen und für sich verwenden sollten.[8]

Beginnen Sie rechtzeitig mit Ihrer Nachlass­planung und scheuen Sie sich nicht, fach­kundige Beratung in Anspruch zu nehmen. So können Sie sicher­stellen, dass Ihr Nachlass auch über Länder­grenzen hinweg nach Ihren Wünschen verteilt wird und Ihre Angehörigen vor rechtlichen Komplikationen bewahrt bleiben.