Wie wird sichergestellt, dass neue Vermögenswerte im Testament berücksichtigt sind?
Um sicherzustellen, dass neue Vermögenswerte im Testament berücksichtigt werden, können Sie allgemeine Formulierungen wie “gesamter Nachlass” nutzen, Quoten für die Verteilung festlegen oder ein Ergänzungstestament erstellen. Bei umfassenden Änderungen ist ein neues Testament sinnvoll, insbesondere bei gemeinschaftlichen Testamenten mit Bindungsregelungen. Eine regelmäßige Überprüfung und klare Formulierung helfen, Ihren letzten Willen eindeutig umzusetzen.
- Weitsichtige Formulierungen im Testament nutzen
- Nachträgliche Anpassungen: Optionen für neue Vermögenswerte
- Besonderheiten bei gemeinschaftlichen Testamenten
- Praktische Tipps und Fallbeispiele
- Rechtliche Hintergründe verständlich erklärt
- Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist
- Abschließende Handlungsempfehlungen
Ihr Vermögen verändert sich im Laufe des Lebens - Sie kaufen vielleicht eine Immobilie, erben Wertgegenstände oder legen Geld in neuen Investitionsformen an. Doch was passiert mit diesen neuerworbenen Vermögenswerten, wenn Sie bereits ein Testament erstellt haben? Wie können Sie gewährleisten, dass auch später erworbene Güter in Ihrem Nachlass nach Ihren Wünschen verteilt werden?
Weitsichtige Formulierungen im Testament nutzen
Eine grundlegende Möglichkeit, künftige Vermögenswerte abzudecken, ist die Verwendung allgemeiner Formulierungen in Ihrem Testament.
Die Gesamtlösung: Mit umfassenden Formulierungen arbeiten
Wenn Sie Ihre Erb:innen nicht für bestimmte Vermögenswerte, sondern für Ihren gesamten Nachlass einsetzen, sind automatisch auch zukünftige Erwerbungen eingeschlossen. Beispielsweise könnten Sie formulieren: “Ich setze meine Tochter als Alleinerbin meines gesamten Nachlasses ein.” Damit erbt Ihre Tochter alles, was zum Zeitpunkt Ihres Todes zu Ihrem Vermögen gehört - unabhängig davon, wann Sie die einzelnen Güter erworben haben.
Mit Quoten statt Einzelgegenständen planen
Ein weiterer Ansatz ist die Verteilung nach Prozentsätzen oder Bruchteilen:
“Mein Sohn erhält 50% meines Nachlasses, meine Tochter 30% und mein Neffe 20%.”
Diese Methode funktioniert unabhängig davon, wie sich Ihr Vermögen entwickelt. Der Wert und die Zusammensetzung können sich ändern, die Verteilungsquoten bleiben gleich.
Nachträgliche Anpassungen: Optionen für neue Vermögenswerte
Manchmal möchten Sie bestimmte neu erworbene Gegenstände gezielt bestimmten Personen zuwenden. Hierzu haben Sie verschiedene Möglichkeiten.
Ergänzungstestament: Punktuelle Anpassungen vornehmen
Ein Ergänzungstestament ist eine praktische Lösung, wenn Sie nur einzelne neue Regelungen hinzufügen möchten, ohne Ihr gesamtes Testament neu zu verfassen. “Eindeutiger ist ein Ergänzungstestament, das sich Punkt für Punkt auf die einzelnen Regelungen des bisherigen Testaments bezieht”, rät ein Fachanwalt für Erbrecht.[1]
Beispiel: “In Ergänzung meines Testaments vom 15. Juni 2020 bestimme ich, dass meine im Jahr 2023 erworbene Ferienwohnung in Bad Reichenhall an meinen Sohn Michael fallen soll.”
Achten Sie bei Ergänzungstestamenten besonders auf klare Formulierungen ohne Interpretationsspielräume. Uneindeutige Anordnungen können zu kostspieligen Erbstreitigkeiten führen.[1]
Testament neu errichten: Der sicherste Weg
Die umfassendste Lösung ist die Neuerrichtung Ihres Testaments. Dies empfiehlt sich besonders, wenn:
- Sie mehrere wesentliche Änderungen vornehmen möchten
- Ihr aktuelles Testament bereits mehrfach ergänzt wurde
- Ihre familiäre oder vermögensmäßige Situation sich grundlegend geändert hat[7]
Bei der Neuerrichtung haben Sie zwei Möglichkeiten:
- Ausdrücklicher Widerruf: “Ich widerrufe hiermit alle früheren letztwilligen Verfügungen.”
- Impliziter Widerruf: Wenn Ihr neues Testament Ihre Erbfolge vollständig neu regelt, gilt ein früheres Testament automatisch als widerrufen, selbst wenn das neue Testament weniger Regelungen enthält als das alte.[8]
Beachten Sie: Bei der Neuerrichtung sollten Sie alle gewünschten Regelungen vollständig aufnehmen - auch jene, die Sie aus früheren Testamenten beibehalten möchten. Ein bloßes Aufbewahren alter Testamente reicht nicht aus, um deren Inhalt weitergelten zu lassen.[8]
Besonderheiten bei gemeinschaftlichen Testamenten
Haben Sie ein gemeinschaftliches Testament mit Ihrem:r Lebenspartner:in errichtet (z.B. ein “Berliner Testament”), gelten besondere Regeln für nachträgliche Änderungen.
Bindungswirkung beachten
Bei einem gemeinschaftlichen Testament, in dem sich Eheleute gegenseitig zum Alleinerben und ihre gemeinsamen Kinder als Schlusserben einsetzen, ist der Widerruf nach dem Tod des Erstversterbenden grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gilt nur dann nicht, wenn eindeutig ein anderer Wille im Testament formuliert wurde.[6]
Der überlebende Partner kann also in der Regel nicht einfach die Schlusserbeneinsetzung ändern, um neu erworbene Vermögenswerte anders zu verteilen.
Vorsorgeregelungen für künftige Flexibilität
Möchten Sie diese Bindungswirkung vermeiden, können Sie im gemeinschaftlichen Testament ausdrücklich festhalten, dass der überlebende Ehegatte das Testament widerrufen darf. Sie können diese Freiheit auch einschränken, indem Sie beispielsweise formulieren:
“Der überlebende Ehegatte darf das gemeinsame Testament widerrufen, aber nur für den Fall, dass nach dem neuen Testament das Vermögen innerhalb der Familie bleibt.”[6]
So kann das Erbe unter den Kindern nachträglich anders aufgeteilt werden - etwa wenn ein Kind besonderen Unterstützungsbedarf entwickelt oder neue Vermögenswerte hinzukommen.
Praktische Tipps und Fallbeispiele
Fallbeispiel: Neuerworbene Immobilie
Familie Schmidt hat ein Testament errichtet, in dem sie ihren Sohn Thomas als Alleinerben einsetzt. Später kaufen sie eine Ferienwohnung, die ihre Tochter Anna bekommen soll. Eine mögliche Lösung:
- Ergänzungstestament: “Thomas bleibt Alleinerbe unseres gesamten Nachlasses, mit Ausnahme der Ferienwohnung in Ostseebad Binz, die unsere Tochter Anna als Vermächtnis erhalten soll.”
Fallbeispiel: Wertvolle Sammlung
Ein Kunstliebhaber hat in seinem Testament seine Nichte als Erbeingesetzt. Später baut er eine wertvolle Briefmarkensammlung auf, die er einem Museum vermachen möchte.
- Lösung durch Neutestierung: “Ich setze meine Nichte Maria als Alleinerbin meines gesamten Nachlasses ein. Als Vermächtnis übertrage ich meine Briefmarkensammlung an das Stadtmuseum.”
Praktische Checkliste für Ihr Testament
- Regelmäßige Überprüfung: Sehen Sie Ihr Testament alle 2-3 Jahre und bei großen Lebensereignissen durch
- Vermögensliste führen: Dokumentieren Sie regelmäßig Ihre wesentlichen Vermögenswerte
- Allgemeine Formulierungen nutzen: Setzen Sie Ihre Erb:innen für “den gesamten Nachlass” ein
- Form beachten: Handschriftlich mit Datum und Unterschrift oder notariell beurkundet[5][7]
- Klarheit schaffen: Formulieren Sie eindeutig und ohne Interpretationsspielraum[1]
Rechtliche Hintergründe verständlich erklärt
Was passiert ohne Testament?
Ohne Testament gilt die gesetzliche Erbfolge. Dabei erben zunächst die engsten Verwandten, vor allem Kinder und Ehepartner:innen. Kinderlose Personen werden von ihren Eltern beerbt. Sind diese verstorben, erben die Geschwister.[7]
Formvorschriften bei Testamentsänderungen
Für Ergänzungen und Änderungen gelten dieselben Formvorschriften wie für das ursprüngliche Testament:
Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist
Die Hilfe einer Fachperson für Erbrecht ist besonders empfehlenswert, wenn:
- Sie ein komplexes Vermögen haben (mehrere Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, etc.)
- Sie ein gemeinschaftliches Testament ändern möchten
- Sie spezielle Wünsche für bestimmte Vermögensgegenstände haben
- Es familiäre Konfliktsituationen gibt, die Erbstreitigkeiten begünstigen könnten
Ein notarielles Testament bietet zusätzliche Vorteile: Es wird automatisch beim Nachlassgericht hinterlegt und die fachliche Beratung hilft, Formulierungsfehler zu vermeiden.
Abschließende Handlungsempfehlungen
Um neue Vermögenswerte in Ihrem Testament zu berücksichtigen, haben Sie verschiedene Möglichkeiten:
- Allgemein formulieren: Mit Quotes oder Gesamterbeneinsetzungen
- Ergänzen: Durch ein formelles Ergänzungstestament
- Neu testieren: Besonders bei umfassenden Änderungen sinnvoll
- Vorausschauend planen: Bei gemeinschaftlichen Testamenten Öffnungsklauseln einbauen
Die persönliche Lebenssituation, die Familienkonstellation und die Art Ihres Vermögens bestimmen, welche Vorgehensweise für Sie am besten geeignet ist. Wägen Sie ab, ob Sie Ihre Wünsche selbst formulieren können oder fachliche Unterstützung benötigen.
Bedenken Sie stets: Ein gut durchdachtes und aktuelles Testament gibt Ihnen die Gewissheit, dass Ihr Vermögen genau nach Ihren Vorstellungen verteilt wird - unabhängig davon, wie sich Ihre Vermögenssituation in Zukunft entwickelt.