Wie werden Schulden und Verbindlichkeiten im Testament geregelt?

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Zusammenfassung

Schulden und Verbindlichkeiten des Verstorbenen gehen im Erbfall auf die Erb:innen über, die grundsätzlich mit ihrem gesamten Vermögen haften. Um diese Haftung auf den Nachlass zu begrenzen, können Erb:innen Maßnahmen wie die Ausschlagung der Erbschaft, die Beantragung einer Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz ergreifen. Eine rechtzeitige Prüfung des Nachlasses und gegebenenfalls rechtliche Beratung sind essenziell, um finanzielle Risiken zu vermeiden.

Der Tod eines Menschen ist nicht nur emotional belastend - es können auch finanzielle Herausforderungen entstehen, wenn der Nachlass mit Schulden belastet ist. Haben Sie sich schon einmal gefragt, was mit den Schulden einer Person nach deren Tod geschieht? Die Antwort mag Sie überraschen: Schulden verschwinden nicht einfach, sondern werden vererbt. Als Erb:in können Sie unter Umständen mit Ihrem privaten Vermögen für die Verbindlichkeiten des Verstorbenen haften müssen.

Was geschieht mit Schulden nach dem Tod?

Wenn eine Person stirbt, geht ihr gesamtes Vermögen auf die Erb:innen über. Dieser Grundsatz der Gesamt­rechts­nachfolge ist im § 1922 BGB festgelegt. Dabei werden nicht nur Vermögens­werte wie Geld, Immobilien oder Wertgegenstände übertragen, sondern auch alle Schulden und Verbindlichkeiten[1]. Das kann für Erb:innen zu einer unerwarteten Belastung werden, besonders wenn sie nicht auf die finanziellen Verpflichtungen vorbereitet sind.

Welche Arten von Verbindlichkeiten gibt es im Nachlass?

Nachlassverbindlichkeiten lassen sich in drei Kategorien einteilen:

  1. Erblasser­schulden: Alle Schulden, die die verstorbene Person zu Lebzeiten hatte, beispielsweise:

    • Offene Kredite und Darlehen
    • Unbezahlte Rechnungen
    • Steuer­schulden
    • Miet- oder Leasingverpflichtungen
  2. Erbfall­schulden: Entstehen erst mit dem Tod, zum Beispiel:

    • Pflicht­teils­ansprüche
    • Vermächtnisse
    • Bestattungskosten
  3. Nachlass­erben­schulden: Verbindlichkeiten aus der Verwaltung des Nachlasses[2][4]

Die Haftung als Erb:in: Grundsatz und Umfang

Im deutschen Erbrecht gilt zunächst der Grundsatz der unbeschränkten Erbenhaftung. Das bedeutet, dass Erb:innen mit ihrem gesamten Vermögen für die Schulden des Erblassers einstehen müssen - nicht nur mit dem geerbten Vermögen, sondern auch mit ihrem eigenen Privatvermögen[4][5].

Ein Beispiel: Sie erben ein Haus im Wert von 200.000 Euro, auf dem noch ein Kredit von 250.000 Euro lastet. In diesem Fall müssten Sie nicht nur das geerbte Haus zur Schuldentilgung einsetzen, sondern auch noch 50.000 Euro aus Ihrem eigenen Vermögen beisteuern.

Bei einer Erben­gemeinschaft haften alle Mit­erb:innen gesamt­schuldnerisch für die Nachlassverbindlichkeiten. Gläubiger:innen können sich an jede:n einzelne:n Erb:in wenden und die gesamte Forderung verlangen[4].

Wie können Sie Ihre Haftung als Erb:in begrenzen?

Zum Glück sieht der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten vor, die Haftung zu begrenzen. Wichtig zu wissen: Sie müssen selbst aktiv werden, um diese Schutz­maßnahmen zu nutzen[4][5].

1. Ausschlagung der Erbschaft

Die radikalste Lösung ist die Ausschlagung der Erbschaft. Damit verzichten Sie vollständig auf das Erbe - sowohl auf Vermögen als auch auf Schulden. Hierfür haben Sie eine Frist von sechs Wochen nach Kenntnis vom Anfall der Erbschaft[3]. Die Ausschlagung muss persönlich beim Nachlassgericht erklärt werden oder in notariell beglaubigter Form erfolgen.

2. Nachlassverwaltung beantragen

Wenn Sie das Erbe nicht ausschlagen möchten, können Sie beim Nachlassgericht die Nachlassverwaltung beantragen. Ein vom Gericht bestellter Nachlassverwalter kümmert sich dann um die Begleichung der Schulden aus dem Nachlass­vermögen. Ihre Haftung beschränkt sich in diesem Fall auf den Nachlass[2][5].

3. Nachlassinsolvenz beantragen

Bei einem überschuldeten Nachlass können Sie auch die Nachlass­insolvenz beantragen. Dieses Verfahren ähnelt einer normalen Insolvenz und führt ebenfalls zur Beschränkung Ihrer Haftung auf den Nachlass[2][5].

4. Dürftigkeitseinrede erheben

Wenn der Nachlass nicht einmal ausreicht, um die Kosten der Nachlassverwaltung oder -insolvenz zu decken, können Sie die Dürftigkeits­einrede nach § 1990 BGB erheben. Damit wird Ihre Haftung ebenfalls auf den Nachlass beschränkt[5].

Vorsicht bei der Teilung des Nachlasses

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Sie einen Nachlass teilen. Nach der Teilung entfällt die Möglichkeit, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Sie könnten dann mit Ihrem Privatvermögen für die Schulden haftbar gemacht werden[2].

Nachlassverbindlichkeiten und Erbschaftsteuer

Bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer können Nachlassverbindlichkeiten als Abzugsposten berücksichtigt werden. Für bestimmte Ausgaben wie Bestattungs­kosten, Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal und Nachlassabwicklungskosten gilt ein Pauschal­betrag von 15.000 Euro, der ohne Nachweis abgezogen werden kann. Übersteigen die tatsächlichen Kosten diesen Betrag, müssen Sie Belege vorlegen[6].

Testament und Schuldenregelung: Was Sie beachten sollten

Durch eine vorausschauende Testaments­gestaltung können Sie Ihre Angehörigen vor unerwarteten Belastungen schützen.

Schulden im Testament berücksichtigen

Ein Testament sollte nicht nur regeln, wer welche Vermögenswerte erhalten soll, sondern auch, wie mit Schulden umgegangen werden soll. Sie können beispielsweise festlegen, dass bestimmte Vermögenswerte zur Tilgung von Schulden verwendet werden sollen.

Berliner Testament und Schulden

Beim sogenannten Berliner Testament setzen sich Ehepartner:innen gegenseitig als Allein­erb:innen ein, und die Kinder erben erst nach dem Tod des länger lebenden Elternteils. Das kann dazu führen, dass der überlebende Ehepartner mit den Schulden des Verstorbenen konfrontiert wird[1][3].

Praktische Tipps für Erb:innen

Wenn Sie eine Erbschaft erwarten oder bereits angetreten haben, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  1. Verschaffen Sie sich einen Überblick: Erstellen Sie ein vollständiges Verzeichnis über den Nachlass - einschließlich aller Schulden und Verbindlichkeiten.

  2. Fristen beachten: Die Sechs-Wochen-Frist für die Ausschlagung eines Erbes beginnt mit Kenntnis vom Anfall der Erbschaft. Handeln Sie rechtzeitig!

  3. Vorsicht bei überschuldetem Nachlass: Wenn der Nachlass mehr Schulden als Vermögen enthält, sollten Sie unverzüglich professionellen Rat einholen.

  4. Holen Sie sich rechtliche Beratung: Bei komplexen Nachlasssituationen ist die Beratung durch Fachanwält:innen für Erbrecht oder Notar:innen empfehlenswert.

  5. Haftungs­beschränkung aktiv beantragen: Die Begrenzung Ihrer Haftung auf den Nachlass erfolgt nicht automatisch - Sie müssen selbst tätig werden[4][5].

Wenn Erben selbst verschuldet sind

Ein besonderer Fall liegt vor, wenn Erb:innen selbst verschuldet oder sogar überschuldet sind. Hier besteht die Gefahr, dass Gläubiger:innen auf die geerbten Vermögenswerte zugreifen. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, die Erbschaft auszuschlagen oder andere rechtliche Gestaltungs­möglichkeiten zu prüfen[7].

Fazit: Vorsorge ist besser als Nachsorge

Als mögliche:r Erblasser:in können Sie durch eine durchdachte Testamentsgestaltung und finanzielle Vorsorge dazu beitragen, dass Ihre Angehörigen nicht mit unerwarteten Schulden belastet werden. Als potenzielle:r Erb:in sollten Sie sich frühzeitig über den Nachlass informieren und bei Bedarf die gesetzlichen Möglichkeiten zur Haftungs­beschränkung nutzen.

Die Entscheidung, wie Sie mit einem belasteten Erbe umgehen, sollte wohlüberlegt sein. Während die Ausschlagung einer Erbschaft endgültig ist, bieten die anderen Verfahren zur Haftungs­beschränkung die Möglichkeit, zumindest das geerbte Vermögen zu behalten, ohne mit dem eigenen Vermögen für die Schulden einstehen zu müssen.