Was ist bei der Enterbung von Familienmitgliedern zu beachten?

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Zusammenfassung

Die Enterbung schließt eine Person von der gesetzlichen Erbfolge aus, wobei nahe Angehörige wie Kinder, Ehepartner:innen und Eltern oft Anspruch auf einen Pflichtteil haben. Ein Pflichtteilsentzug ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich und muss im Testament konkret begründet werden. Für rechtssichere Lösungen empfiehlt sich eine fachanwaltliche Beratung, klare Formulierungen im Testament und gegebenenfalls ein notarieller Pflichtteilsverzicht.

Eine Enterbung ist für alle Beteiligten eine emotional belastende Angelegenheit. Sie möchten ein Familien­mitglied von Ihrem Erbe ausschließen oder sind selbst von einer Enterbung betroffen? Dieser Artikel beleuchtet, was bei der Enterbung zu beachten ist, welche Rechte trotz Enterbung bestehen und welche formalen Anforderungen erfüllt werden müssen.

Die rechtlichen Grund­lagen der Enterbung

Die Enterbung bezeichnet den Ausschluss einer Person von der gesetzlichen Erbfolge durch ein Testament oder einen Erbvertrag. Grundsätzlich können Sie als Erblasser:in frei bestimmen, wer Ihr Erbe antreten soll und wer nicht - dies wird als Testierfreiheit bezeichnet[1].

Sie können jemanden enterben, indem Sie:

  • diese Person ausdrücklich von der Erbfolge ausschließen
  • oder sie in Ihrem Testament einfach nicht erwähnen und andere Personen als Erb:innen einsetzen[2][4]

Wichtig: Eine Enterbung muss in der letztwilligen Verfügung grundsätzlich nicht begründet werden[2][4]. Sie können also jemanden enterben, ohne Gründe dafür anzugeben. Anders sieht es beim sogenannten Pflichtteils­entzug aus.

Das Pflichtteils­recht als Schutz für nahe Angehörige

Obwohl Sie frei entscheiden können, wen Sie als Erb:in einsetzen, hat der Gesetzgeber mit dem Pflichtteils­recht einen Mindest­schutz für enge Familien­angehörige geschaffen. Selbst bei einer vollständigen Enterbung haben bestimmte Personen Anspruch auf einen Pflicht­teil[1][3].

Wer ist pflichtteils­berechtigt?

Folgende Personen haben einen gesetzlichen Anspruch auf den Pflicht­teil:

  • Kinder und Enkel­kinder
  • Ehe­partner:innen oder eingetragene Lebens­partner:innen
  • Eltern (aber nur, wenn keine Kinder vorhanden sind)[1][5]

Geschwister haben keinen Anspruch auf einen Pflicht­teil, selbst wenn sie enterbt wurden[12].

Wie hoch ist der Pflicht­teil?

Der Pflicht­teil beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erb­teils[3][5][12]. Wie hoch der gesetzliche Erb­teil ist, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Für Kinder: Wenn es neben Kindern auch noch eine:n Ehe­partner:in gibt, erben die Kinder zusammen die Hälfte. Der Pflicht­teil jedes Kindes beträgt dann ein Viertel des Gesamt­nachlasses geteilt durch die Anzahl der Kinder.

  • Für Ehe­partner:innen:

    • Bei Kindern: Ein Viertel des Nach­lasses als gesetzlicher Erb­teil, der Pflicht­teil beträgt ein Achtel
    • Bei Erben 2. Ordnung (Eltern, Geschwister): Die Hälfte als gesetzlicher Erb­teil, der Pflicht­teil beträgt ein Viertel[9]

Der genaue Pflicht­teils­anspruch kann durch den gewählten Güter­stand (Zugewinn­gemeinschaft oder Güter­trennung) beeinflusst werden[12].

Arten der Enterbung und ihre Aus­wirkungen

Teilweise Enterbung

Bei einer teilweisen Enterbung wird der Erb­anteil einer Person reduziert, aber nicht vollständig entzogen. Die betroffene Person erhält dann weniger als ihr nach der gesetzlichen Erbfolge zustehen würde[1].

Vollständige Enterbung

Bei der vollständigen Enterbung wird die Person komplett vom Erbe ausgeschlossen. Ist diese Person pflichtteils­berechtigt, hat sie dennoch einen Anspruch auf ihren Pflicht­teil[3][5].

Beispiel: Eine Mutter enterbt ihren Sohn vollständig und setzt ihre Tochter als Allein­erbin ein. Der Sohn kann als pflichtteils­berechtigter Abkömmling seinen Pflicht­teil von der Schwester einfordern, der die Hälfte seines gesetzlichen Erb­teils beträgt.

Aus­wirkungen auf Nachkommen

Eine Enterbung wirkt sich auch auf die Nachkommen der enterbten Person aus. Wenn Sie beispielsweise Ihren Sohn enterben, werden automatisch auch dessen Kinder (Ihre Enkel) von der Erbfolge ausgeschlossen. Dies kann durch ausdrückliche Formulierungen im Testament verhindert werden[4].

Der Pflichtteils­entzug als besondere Form der Enterbung

Der Pflichtteils­entzug geht über die normale Enterbung hinaus: Hier verliert die enterbte Person auch den Anspruch auf den Pflicht­teil[8].

Gesetzliche Gründe für den Pflichtteils­entzug

Ein Pflichtteils­entzug ist nur unter sehr strengen Voraus­setzungen nach § 2333 BGB möglich, etwa bei:

  • Schweren Verfehlungen gegen den Erblasser
  • Böswilliger Verletzung von Unterhalts­pflichten
  • Rechtskräftiger Verurteilung zu mindestens einem Jahr Freiheits­strafe ohne Bewährung[1][5][8]

Wichtig: Ein einfacher Kontakt­abbruch berechtigt nicht zum Ausschluss vom Pflicht­teil[2].

Begründungs­pflichten beim Pflichtteils­entzug

Im Gegensatz zur normalen Enterbung muss der Pflichtteils­entzug im Testament individuell und konkret begründet werden[4][8]. Die bloße Behauptung eines Fehl­verhaltens reicht nicht aus. Nennen Sie möglichst konkrete Vorfälle, Daten und gegebenenfalls gerichtliche Urteile oder Anzeigen[4].

Strategien zur Reduzierung des Pflicht­teils

Wenn Sie verhindern möchten, dass bestimmte Angehörige einen Pflicht­teil erhalten, gibt es einige rechtliche Möglich­keiten:

Schenkungen zu Lebzeiten

Sie können Teile Ihres Vermögens bereits zu Lebzeiten an andere Personen verschenken. Beachten Sie jedoch: Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall können bei der Berechnung des Pflicht­teils berücksichtigt werden (Pflichtteils­ergänzungs­anspruch)[12].

Notarieller Pflichtteils­verzicht

Die sicherste Methode ist ein notarieller Pflichtteils­verzicht. Dabei verzichtet die betreffende Person vertraglich auf ihren Pflicht­teils­anspruch - meist gegen Zahlung einer Abfindung. Dieser Vertrag muss notariell beurkundet werden[2][5].

Wahl des günstigsten Güter­stands

Der eheliche Güter­stand kann Aus­wirkungen auf die Höhe des Pflicht­teils haben. In manchen Fällen kann die Güter­trennung vorteilhaft sein[5][10].

Berliner Testament

Bei einem Berliner Testament setzen sich Ehe­partner:innen gegenseitig als Allein­erb:innen ein und bestimmen, dass die Kinder erst nach dem Tod des länger lebenden Partners erben. Dies führt zur Enterbung der Kinder im ersten Erbfall, wodurch diese einen Pflichtteils­anspruch haben. Dieser kann durch entsprechende Klauseln im Testament eingeschränkt werden[10].

Praktische Umsetzung: Formulierungen im Testament

Für eine wirksame Enterbung im Testament können Sie folgende Formulierungen verwenden:

  • Ausdrückliche Enterbung: “Mein Sohn Max Mustermann soll nicht mein Erbe werden.” oder “Ich enterbe hiermit meine Tochter Emma Mustermann.”

  • Enterbung durch Nicht-Nennung: “Zu meinen Erben setze ich meine Tochter Lisa Mustermann und meinen Sohn Tom Mustermann zu gleichen Teilen ein.” (Nicht genannte Kinder sind damit enterbt)[4]

  • Bei Pflichtteils­entzug: “Ich entziehe meinem Sohn Max Mustermann den Pflicht­teil, weil er am 15.03.2024 tätlich gegen mich vorgegangen ist, was durch die Polizei­anzeige vom selben Tag dokumentiert ist.”[4][8]

Fazit: Was sollten Sie bei der Enterbung beachten?

Die Enterbung von Familien­mitgliedern will gut überlegt sein. In den meisten Fällen haben enterbte nahe Angehörige trotzdem einen Anspruch auf den Pflicht­teil in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erb­teils. Nur unter sehr engen Voraus­setzungen kann auch dieser Anspruch entzogen werden.

Praktische Empfehlungen:

  1. Lassen Sie sich bei komplexen Familien­situationen von Fachanwält:innen für Erbrecht beraten.
  2. Formulieren Sie Ihre Enterbungs­absicht klar und eindeutig im Testament.
  3. Beim Pflichtteils­entzug: Dokumentieren Sie die Gründe sorgfältig und führen Sie diese konkret im Testament auf.
  4. Erwägen Sie alternative Lösungen wie einen notariellen Pflichtteils­verzicht.
  5. Bedenken Sie die emotionalen Folgen einer Enterbung für alle Beteiligten.

Mit einer durchdachten und rechtssicheren Gestaltung können Sie Ihren letzten Willen so formulieren, dass er Ihren Wünschen entspricht und gleichzeitig rechtlich Bestand hat.