Wie lange haben gesetzliche Erben Zeit, ihren Anspruch geltend zu machen?

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Zusammenfassung

Gesetzliche Erb:innen haben sechs Wochen Zeit, eine Erbschaft auszuschlagen, ab dem Zeitpunkt, an dem sie vom Erbfall und ihrer Erbenstellung erfahren. Bei Auslandsbezug verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Nach Ablauf der Frist gilt die Erbschaft automatisch als angenommen, weshalb eine frühzeitige Prüfung des Nachlasses und gegebenenfalls rechtlicher Rat dringend empfohlen wird.

Nach dem Tod eines Menschen stehen die Erb:innen oft vor vielen Fragen und Entscheidungen. Eine der wichtigsten betrifft die zeitlichen Grenzen: Wie lange haben Sie als gesetzliche:r Erbe:in Zeit, Ihre Ansprüche geltend zu machen? Wann müssen Sie entscheiden, ob Sie eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen? Diese Fristen sind gesetzlich genau geregelt und ihre Kenntnis kann entscheidend für Ihre rechtliche Position sein.

Die Ausschlagungs­frist: Sechs Wochen für Ihre Entscheidung

Wenn Sie als Erbe:in berufen werden - sei es durch gesetzliche Erbfolge oder durch Testament - müssen Sie nicht zwingend das Erbe annehmen. Das deutsche Erbrecht gibt Ihnen das Recht, eine Erbschaft auszuschlagen.

Die Ausschlagungsfrist beträgt grundsätzlich sechs Wochen ab Kenntnis vom Anfall der Erbschaft.[1][2][3] In den meisten Fällen beginnt diese Frist mit dem Zeitpunkt, an dem Sie vom Tod des Erblassers und davon erfahren, dass Sie als Erbe:in vorgesehen sind.

Besonders wichtig: Wenn Sie innerhalb dieser sechs Wochen nichts unternehmen, gilt die Erbschaft automatisch als angenommen[1]. Dies kann bei einem überschuldeten Nachlass problematisch werden, da Sie dann mit Ihrem Privatvermögen für die Schulden des Erblassers haften könnten.

Verlängerte Fristen in besonderen Fällen

In bestimmten Situationen verlängert sich die Ausschlagungsfrist:

  • Sechs Monate gilt die Frist, wenn Sie sich zum Zeitpunkt des Erbfalls im Ausland aufhalten[1][2][3][4]
  • Sechs Monate gilt ebenfalls, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz ausschließlich im Ausland hatte[1][2][3]

Formerfordernis bei der Ausschlagung

Eine wirksame Ausschlagung erfordert die Einhaltung bestimmter Formvorschriften:

  • Die Ausschlagung muss persönlich beim zuständigen Nachlassgericht erklärt werden[6]
  • Alternativ können Sie die Ausschlagung in notariell beglaubigter Form einreichen
  • Eine formlose Erklärung, beispielsweise per Brief oder E-Mail, ist nicht ausreichend

Anfechtung einer Annahme oder Ausschlagung

Es kann vorkommen, dass Sie eine Entscheidung zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft rückgängig machen möchten. Dies ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Die Anfechtung einer Erbschafts­annahme oder -ausschlagung kann innerhalb von sechs Wochen erfolgen[1][2][3]. Diese Frist beginnt:

  • Bei einer Anfechtung wegen Drohung: mit dem Ende der Zwangslage
  • In allen anderen Fällen: mit der Kenntnis vom Anfechtungs­grund (z.B. bei Irrtum oder arglistiger Täuschung)

Auch hier gilt die verlängerte Frist von sechs Monaten, wenn Sie sich im Ausland aufhalten oder der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte[3][4].

Weitere wichtige Fristen im Erbrecht

Neben den Fristen zur Annahme und Ausschlagung gibt es weitere zeitliche Begrenzungen, die für Erb:innen relevant sein können:

Pflichtteilsansprüche

Wenn Sie als nahe:r Angehörige:r (z.B. Kind, Ehepartner:in) enterbt wurden, steht Ihnen ein Pflichtteil zu.

  • Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren ab Kenntnis vom Tod des Erblassers und der Sie beeinträchtigenden Verfügung[3][5][7]
  • Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich am Ende des Jahres, in dem Sie Kenntnis erlangt haben
  • Nach 30 Jahren verjährt der Anspruch in jedem Fall, unabhängig von Ihrer Kenntnis

Anfechtung eines Testaments

  • Ein Testament können Sie binnen einem Jahr anfechten[1][2][3]
  • Die Frist beginnt mit Ihrer Kenntnis vom Anfechtungs­grund
  • Spätestens 30 Jahre nach dem Erbfall ist keine Anfechtung mehr möglich[1][3]

Erbschafts­besitz

  • Ansprüche des tatsächlichen Erben gegen den Erbschafts­besitzer auf Herausgabe des Nachlasses und Auskunft über den Bestand der Erbschaft verjähren in 30 Jahren[1][2][3]

Praktische Hinweise für gesetzliche Erb:innen

Wann ist eine Ausschlagung sinnvoll?

Eine Ausschlagung der Erbschaft kann in folgenden Situationen vorteilhaft sein:

  • Wenn der Nachlass überschuldet ist und mehr Schulden als Vermögens­werte enthält
  • Wenn durch die Ausschlagung ein:e andere:r Erbe:in (z.B. Ihr:e eigene:r Abkömmling) begünstigt wird
  • Wenn Sie persönliche oder familiäre Gründe haben, die gegen eine Annahme sprechen

Alternativen zur Ausschlagung

Statt einer Ausschlagung können Sie auch:

  • Eine Nachlassinsolvenz beantragen, um Ihr Privatvermögen zu schützen[3][4]
  • Die Haftungs­beschränkung durch Nachlassver­waltung oder Nachlassinsolvenz­verfahren erwirken
  • Eine Dreimonatseinrede (§ 2014 BGB) erheben, die Ihnen Zeit verschafft, den Umfang des Nachlasses zu ermitteln[3]

Handlungs­empfehlungen

  1. Informieren Sie sich frühzeitig über den Zustand des Nachlasses - prüfen Sie, ob Vermögen oder Schulden überwiegen
  2. Notieren Sie sich das Datum, an dem Sie von der Erbschaft erfahren haben, um den Fristbeginn zu dokumentieren
  3. Kontaktieren Sie das zuständige Nachlassgericht bei Fragen zur Ausschlagung
  4. Suchen Sie rechtlichen Rat, wenn Sie unsicher sind - dies ist besonders bei größeren Nachlässen oder komplizierten Familien­verhältnissen ratsam

Hinweis zur Erbschaftssteuer: Vergessen Sie nicht, dass der Erwerb einer Erbschaft innerhalb von drei Monaten beim zuständigen Finanzamt angezeigt werden muss[3][4].

Fazit

Die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft muss gut überlegt sein. Die 6-Wochen-Frist (bzw. 6-Monats-Frist bei Auslandsbezug) gibt Ihnen einen begrenzten Zeitraum für diese wichtige Entscheidung. Versäumen Sie diese Frist, gilt die Erbschaft automatisch als angenommen, mit allen möglichen Konsequenzen.

Eine frühzeitige Beratung kann Ihnen helfen, die richtige Entscheidung zu treffen und keine Fristen zu versäumen. Bei Unsicherheiten wenden Sie sich an das zuständige Nachlassgericht oder spezialisierte Fachanwält:innen für Erbrecht, die Sie bei Ihren Entscheidungen unterstützen können.