Wie hoch ist der gesetzliche Erbteil des Ehegatten im Vergleich zu den Kindern?

veröffentlicht am
aktualisiert am
Zusammenfassung

Der gesetzliche Erbteil des Ehepartners hängt in Deutschland vom Güterstand und der Anzahl der Kinder ab. In der Zugewinngemeinschaft erbt der Ehepartner die Hälfte des Nachlasses, während bei Gütertrennung und Gütergemeinschaft der Anteil je nach Kinderzahl variiert (z. B. 1/2 bei einem Kind oder 1/4 bei drei Kindern). Ohne Kinder steigt der Erbanteil des Ehepartners, wobei die genaue Aufteilung von Verwandten zweiter Ordnung abhängt.

Der gesetzliche Erbteil des Ehegatten wird durch zwei wesentliche Faktoren bestimmt: den während der Ehe geltenden Güterstand und die Anzahl der Kinder des Verstorbenen. Diese Regelungen sind im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert und greifen immer dann, wenn keine ander­weitigen Verfügungen durch Testament oder Erbvertrag getroffen wurden. Die verschiedenen Güterstände führen zu deutlich unter­schiedlichen Erbquoten für den über­lebenden Ehepartner.

Der gesetzliche Güterstand: Die Zu­gewinn­gemeinschaft

Wenn Sie mit Ihrem Ehepartner keinen notariellen Ehevertrag geschlossen haben, leben Sie automatisch im gesetzlichen Güterstand der Zu­gewinn­gemeinschaft. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf das spätere Erbrecht.

Bei der Zu­gewinn­gemeinschaft gilt:

  • Der über­lebende Ehepartner erbt grundsätzlich ein Viertel (1/4) des Nachlasses
  • Hinzu kommt ein pauschaler Zu­gewinn­ausgleich von einem weiteren Viertel
  • Insgesamt erhält der Ehepartner somit die Hälfte (1/2) des gesamten Nachlasses
  • Die zweite Hälfte des Nachlasses wird unter den Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt

Beispiel: Ein Ehepaar mit zwei Kindern lebt in Zu­gewinn­gemeinschaft. Nach dem Tod eines Ehegatten erhält der über­lebende Partner die Hälfte des Nachlasses, jedes der beiden Kinder erbt jeweils ein Viertel.

Diese pauschale Erhöhung des Erbteils um ein weiteres Viertel dient dazu, lang­wierige Streitigkeiten und komplizierte Berechnungen des tatsächlichen Zu­gewinns zu vermeiden.[6]

Güter­trennung: Erbteil abhängig von der Kinderzahl

Haben Sie und Ihr Ehepartner durch einen notariellen Ehevertrag Güter­trennung vereinbart, sieht das Erbrecht anders aus. Der entscheidende Unterschied: Der Erbteil des Ehegatten hängt direkt von der Anzahl der Kinder ab.

Bei Güter­trennung gelten folgende Erbquoten:

  • Neben einem Kind: Ehepartner erbt die Hälfte (1/2), das Kind die andere Hälfte
  • Neben zwei Kindern: Ehepartner erbt ein Drittel (1/3), jedes Kind erhält ebenfalls ein Drittel
  • Neben drei oder mehr Kindern: Ehepartner erbt ein Viertel (1/4), die restlichen drei Viertel werden unter allen Kindern aufgeteilt[4]

Diese Regelung soll sicher­stellen, dass der über­lebende Ehepartner und die Kinder möglichst gleich­berechtigt erben. Je mehr Kinder vorhanden sind, desto kleiner wird der Erbteil des Ehegatten.[2]

Güter­gemeinschaft: Einheitlicher Erbteil unabhängig von der Kinderzahl

Der Güterstand der Güter­gemeinschaft, der ebenfalls durch notariellen Ehevertrag begründet werden muss, führt zu einem einheitlichen Erbanteil für den über­lebenden Ehepartner - unabhängig von der Kinderzahl:

  • Der Ehepartner erbt stets ein Viertel (1/4) des Nachlasses
  • Die restlichen drei Viertel (3/4) werden unter den Kindern aufgeteilt[1]

Im Vergleich zur Güter­trennung ist der Erbteil des Ehegatten bei der Güter­gemeinschaft somit konstant und nicht von der Anzahl der Kinder abhängig.[7]

Wenn keine Kinder vorhanden sind: Erben zweiter Ordnung

Hat das Ehepaar keine Kinder oder sind diese nicht erb­berechtigt (z.B. aufgrund eines Erb­verzichts), kommen die Verwandten der zweiten Ordnung ins Spiel. Dies sind die Eltern des Verstorbenen und deren Nach­kommen (also Geschwister des Verstorbenen).

Je nach Güterstand ergibt sich folgende Aufteilung:

  • Zu­gewinn­gemeinschaft: Der Ehepartner erbt drei Viertel (3/4) des Nachlasses, ein Viertel geht an die Verwandten zweiter Ordnung
  • Güter­trennung: Der Ehepartner erbt die Hälfte (1/2) des Nachlasses, die andere Hälfte erhalten die Verwandten zweiter Ordnung
  • Güter­gemeinschaft: Der Ehepartner erbt ein Viertel (1/4) des Nachlasses, drei Viertel gehen an die Verwandten zweiter Ordnung[1][3]

Diese unter­schiedlichen Regelungen verdeutlichen, wie stark der gewählte Güterstand das spätere Erbrecht beeinflusst.

Pflichtteil des Ehegatten: Mindest­beteiligung am Nachlass

Wurde der Ehepartner durch Testament oder Erbvertrag enterbt, steht ihm dennoch ein gesetzlicher Pflichtteil zu. Dieser beträgt grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils:

  • Bei Zu­gewinn­gemeinschaft: 1/4 des Nachlasses (die Hälfte von 1/2)
  • Bei Güter­trennung neben einem Kind: 1/4 des Nachlasses (die Hälfte von 1/2)
  • Bei Güter­trennung neben zwei Kindern: 1/6 des Nachlasses (die Hälfte von 1/3)
  • Bei Güter­trennung neben drei oder mehr Kindern: 1/8 des Nachlasses (die Hälfte von 1/4)
  • Bei Güter­gemeinschaft: 1/8 des Nachlasses (die Hälfte von 1/4)[1]

Anschauliche Beispiele aus der Praxis

Beispiel 1 - Zu­gewinn­gemeinschaft:
Familie Müller lebt ohne Ehevertrag im gesetzlichen Güterstand der Zu­gewinn­gemeinschaft und hat zwei gemeinsame Kinder. Nach dem Tod des Ehemannes erbt seine Frau automatisch die Hälfte des Nachlasses (1/4 Grund­erbteil plus 1/4 pauschaler Zu­gewinn­ausgleich). Die beiden Kinder erhalten jeweils ein Viertel des Nachlasses.

Beispiel 2 - Güter­trennung:
Das Ehepaar Schmidt hat Güter­trennung vereinbart und drei Kinder. Nach dem Tod der Ehefrau erbt ihr Mann ein Viertel des Nachlasses, die drei Kinder teilen sich die verbliebenen drei Viertel zu gleichen Teilen (jedes Kind erhält also 1/4 des Gesamtnachlasses).

Beispiel 3 - Güter­gemeinschaft:
Ehepaar Wagner hat im Ehevertrag Güter­gemeinschaft vereinbart und ein gemeinsames Kind. Nach dem Tod des Mannes erbt seine Frau ein Viertel des Nachlasses, das Kind erhält drei Viertel.[2][4]

Handlungs­empfehlungen für Ihre persönliche Situation

  1. Prüfen Sie Ihren aktuellen Güterstand: Falls Sie sich nicht sicher sind, in welchem Güterstand Sie leben, können Sie dies in Ihrer Heirats­urkunde nach­schauen oder beim zuständigen Standesamt erfragen.

  2. Beratung in Anspruch nehmen: Besonders bei komplexen Familien­konstellationen empfiehlt sich die Beratung durch eine:n Rechts­anwält:in mit Schwerpunkt Erbrecht.

  3. Testament oder Erbvertrag erwägen: Wenn Sie mit der gesetzlichen Erbfolge nicht ein­verstanden sind, sollten Sie eine letzt­willige Verfügung errichten.

  4. Pflichtteilsrechte berücksichtigen: Bedenken Sie, dass der Pflichtteil nicht durch Testament oder Erbvertrag umgangen werden kann, sofern keine wirksamen Pflichtteils­verzichts­erklärungen vorliegen.

  5. Güterstand anpassen: Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Ehepartner, ob ein Wechsel des Güterstands für Ihre Erbsituation vorteilhaft sein könnte.

Übersichtliche Vergleichstabelle der Erbteile

Güterstand Neben 1 Kind Neben 2 Kindern Neben 3+ Kindern Ohne Kinder
Zu­gewinn­gemeinschaft 1/2 1/2 1/2 3/4
Güter­trennung 1/2 1/3 1/4 1/2
Güter­gemeinschaft 1/4 1/4 1/4 1/4

Diese Übersicht zeigt deutlich, dass der Güterstand der Zu­gewinn­gemeinschaft in den meisten Fällen für den über­lebenden Ehepartner den größten Erbteil sichert.

Wichtige Voraussetzungen für das Ehegattenerbrecht

Damit der über­lebende Ehepartner überhaupt erben kann, muss zum Zeitpunkt des Todes eine rechtsgültige Ehe bestanden haben. Das Ehegattenerbrecht entfällt, wenn:

  • Die Ehe rechtskräftig geschieden wurde
  • Die Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt wurde
  • Ein Scheidungsantrag bereits gestellt und diesem zugestimmt wurde[2]

Hinweis: Lebten die Ehepartner zum Todeszeit­punkt lediglich getrennt, ohne dass die Scheidung eingeleitet war, besteht weiterhin ein Anspruch auf den gesetzlichen Erbteil.

Das Ehegattenerbrecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, bei dem viele Faktoren zusammenspielen. Wenn Sie sich unsicher sind, wie die gesetzliche Erbfolge in Ihrem individuellen Fall aussieht, sollten Sie fach­kundigen Rat einholen, um für sich und Ihre Familie die bestmögliche Lösung zu finden.