Wer erbt nach der gesetzlichen Erbfolge, wenn kein Testament vorhanden ist?

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Zusammenfassung

Die gesetzliche Erbfolge in Deutschland regelt, wer erbt, wenn kein Testament vorliegt. Vorrang haben die Kinder und deren Nachkommen (erste Ordnung), gefolgt von Eltern und Geschwistern (zweite Ordnung) sowie weiteren Verwandten. Ehepartner:innen erben zusätzlich, ihr Anteil hängt von der Verwandtschaft und dem Güterstand ab; ohne erbberechtigte Angehörige fällt der Nachlass an den Staat.

Wenn ein Mensch verstirbt und keine letztwillige Verfügung wie ein Testament oder einen Erbvertrag hinterlassen hat, bestimmt die gesetzliche Erbfolge, wer sein Vermögen erbt. Das deutsche Erbrecht regelt diese Fälle klar im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Die gesetzliche Erbfolge folgt dabei einem bestimmten System, das Verwandte nach ihrer Nähe zum verstorbenen Menschen berücksichtigt. Zusätzlich gibt es besondere Regelungen für Ehe­part­ne­r:in­nen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie die gesetzliche Erb­folge aufgebaut ist und welche Personen erbberechtigt sind.

Wann greift die gesetzliche Erbfolge?

Die gesetzliche Erbfolge kommt in folgenden Fällen zur Anwendung:

  • Wenn keine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) vorhanden ist
  • Wenn ein vorhandenes Testament ungültig ist
  • Wenn im Testament die gesetzliche Erbfolge bestimmt wurde

Laut Umfragen besitzen etwa zwei Drittel der Deutschen kein Testament[4]. In diesen Fällen regelt das Gesetz automatisch, wer was erbt.

Das System der gesetzlichen Erbfolge

Das deutsche Erbrecht teilt die erbberechtigten Verwandten in verschiedene Ordnungen ein. Dabei gilt: Erben einer höheren Ordnung schließen Erben niedrigerer Ordnungen vollständig aus[7]. Sind also Erben erster Ordnung vorhanden, erben Verwandte der zweiten oder dritten Ordnung nichts.

Die Erben erster Ordnung: Kinder und deren Nach­kom­men

Zu den Erben erster Ordnung zählen:

  • Die leiblichen Kinder des verstorbenen Menschen
  • Adoptiv­kinder (gleichgestellt mit leiblichen Kindern)
  • Uneheliche Kinder (gleichgestellt mit ehelichen Kindern)
  • Enkel und Urenkel, falls deren Eltern bereits verstorben sind

Bei mehreren Kindern wird der Nachlass zu gleichen Teilen aufgeteilt[2]. Ist ein Kind bereits verstorben, treten dessen Nach­kom­men an seine Stelle. Dieses Prinzip nennt man auch Eintritts­recht.

Beispiel: Eine verstorbene Person hinterlässt zwei Kinder. Ein Kind ist bereits verstorben und hat selbst zwei Kinder. In diesem Fall erhält das lebende Kind 1/2 des Nachlasses, die beiden Enkel­kinder jeweils 1/4.

Stief­kinder haben kein gesetzliches Erbrecht[2], außer sie wurden von dem verstorbenen Menschen adoptiert.

Die Erben zweiter Ordnung: Eltern und deren Nach­kom­men

Wenn keine Erben erster Ordnung vorhanden sind, erben:

  • Die Eltern des verstorbenen Menschen
  • Geschwister des verstorbenen Menschen und deren Nach­kom­men (wenn ein Elternteil bereits verstorben ist)

Leben beide Eltern noch, erben sie zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil verstorben, treten dessen Nach­kom­men (also die Geschwister des verstorbenen Menschen) an seine Stelle.

Beispiel: Eine verstorbene Person hinterlässt keine Kinder. Die Mutter lebt noch, der Vater ist bereits verstorben. Die verstorbene Person hat zwei Geschwister. In diesem Fall erbt die Mutter 1/2 des Nachlasses, die beiden Geschwister jeweils 1/4.

Die Erben dritter Ordnung und weitere Ordnungen

Falls weder Erben erster noch zweiter Ordnung vorhanden sind, kommen die Erben dritter Ordnung zum Zug:

  • Großeltern des verstorbenen Menschen
  • Onkel und Tanten sowie deren Nach­kom­men (Cousins und Cousinen)

Nach dem gleichen Prinzip gibt es auch Erben vierter und weiterer Ordnungen, die entferntere Verwandte umfassen.

Das Erbrecht des Ehe­part­ners oder der Ehe­part­ne­rin

Ehe­part­ne­r:in­nen haben eine besondere Stellung im Erbrecht. Sie gelten nicht als Verwandte, haben aber dennoch ein gesetzliches Erbrecht[6]. Der Ehe­part­ner oder die Ehe­part­ne­rin erbt immer neben den Verwandten, wobei die Höhe des Erbanteils von zwei Faktoren abhängt:

  1. Welche Verwandten erben mit? (Kinder, Eltern, etc.)
  2. In welchem Güterstand lebte das Ehepaar? (Zugewinn­gemein­schaft, Güter­trennung, Güter­gemein­schaft)

Erbanteil bei Zugewinn­gemein­schaft (Regelfall)

Die meisten Eheleute leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinn­gemein­schaft, wenn sie keinen Ehevertrag geschlossen haben.

  • Neben Erben erster Ordnung (Kindern): 1/2 des Nachlasses
  • Neben Erben zweiter Ordnung (Eltern, Geschwistern): 3/4 des Nachlasses

Erbanteil bei Güter­trennung

Bei vereinbarter Güter­trennung:

  • Neben einem Kind: 1/2 des Nachlasses
  • Neben zwei Kindern: 1/3 des Nachlasses
  • Neben drei oder mehr Kindern: 1/4 des Nachlasses
  • Neben Erben zweiter Ordnung: 1/2 des Nachlasses

Erbanteil bei Güter­gemein­schaft

Bei Güter­gemein­schaft erbt der Ehe­part­ner oder die Ehe­part­ne­rin neben den Kindern grundsätzlich 1/4 des Nachlasses[3].

Besonderheiten für kinderlose Ehepaare

Für kinderlose Ehepaare gelten besondere Regeln:

  • Neben Erben zweiter Ordnung (Eltern, Geschwistern) erbt der Ehe­part­ner oder die Ehe­part­ne­rin bei Zugewinn­gemein­schaft 3/4 des Nachlasses[6]
  • Die restlichen 1/4 gehen an die Eltern des verstorbenen Menschen oder deren Nach­kom­men

Beispiel: Eine verstorbene Person hinterlässt einen Ehe­part­ner, aber keine Kinder. Die Eltern leben noch. Das Paar lebte in Zugewinn­gemein­schaft. In diesem Fall erbt der Ehe­part­ner 3/4 des Nachlasses, die Eltern jeweils 1/8.

Gleichstellung von eingetragenen Lebens­part­ner­schaf­ten

Partner:innen einer eingetragenen Lebens­part­ner­schaft sind Ehe­gat­t:in­nen gleichgestellt und haben die gleichen Erbrechte[7]. Personen in nicht eingetragenen Lebens­gemein­schaf­ten haben dagegen kein gesetzliches Erbrecht. Sie können nur durch ein Testament als Erb:innen eingesetzt werden.

Wann erbt der Staat?

Wenn keine erbberechtigten Angehörigen (Verwandte oder Ehe­part­ne­r:in­nen) vorhanden sind oder alle das Erbe ausgeschlagen haben, erbt der Staat (§ 1936 BGB)[8]. Dies kommt in der Praxis allerdings selten vor.

Praktische Konsequenzen der gesetzlichen Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge kann zu Situationen führen, die der verstorbene Mensch vielleicht nicht gewollt hätte:

  • Es können Erben­gemein­schaf­ten entstehen, deren Mitglieder sich untereinander nicht kennen oder möglicherweise zerstritten sind[5]
  • Die räumliche Entfernung zwischen den Erb:innen kann die Erbausein­ander­setzung erschweren
  • Der über­lebende Ehe­part­ner oder die über­lebende Ehe­part­ne­rin wird in manchen Fällen überrascht, dass er oder sie nicht alleine erbt, sondern den Nachlass mit anderen Verwandten teilen muss[5]

Vorteile eines Testaments

Mit einem Testament können Sie die gesetzliche Erbfolge umgehen und selbst bestimmen, wer was erben soll. Dies kann besonders sinnvoll sein:

  • Wenn Sie bestimmte Personen begünstigen möchten
  • Wenn Sie Konflikte vermeiden möchten
  • Wenn Sie keine eigenen Kinder haben
  • Wenn Sie in einer nicht-ehelichen Lebens­gemein­schaft leben
  • Wenn Sie gemeinnützige Organisationen bedenken möchten

Checkliste: So ermitteln Sie die gesetzliche Erbfolge

Um herauszufinden, wer nach der gesetzlichen Erbfolge erbt, können Sie folgende Schritte durchführen:

  1. Klären Sie, ob ein gültiges Testament vorhanden ist
  2. Erstellen Sie einen Familien­stamm­baum mit allen relevanten Verwandten[4]
  3. Identifizieren Sie die Verwandten der ersten Ordnung (Kinder und deren Nach­kom­men)
  4. Falls keine Erben erster Ordnung vorhanden sind: Identifizieren Sie die Verwandten der zweiten Ordnung
  5. Beachten Sie den Güterstand, in dem die Ehe geführt wurde
  6. Berechnen Sie die jeweiligen Erbanteile

Sollte Ihnen die Ermittlung zu kompliziert sein, kann ein Fachanwalt oder eine Fachanwältin für Erbrecht Sie unterstützen.

Die gesetzliche Erbfolge sorgt dafür, dass immer jemand erbt. Ob diese Lösung Ihren persönlichen Wünschen entspricht, sollten Sie jedoch frühzeitig prüfen. Mit einem Testament können Sie Ihre eigenen Vorstellungen umsetzen und mögliche Konflikte vermeiden.