Welche Konflikte entstehen häufig durch die gesetzliche Erbfolge?

veröffentlicht am
aktualisiert am
Zusammenfassung

Die gesetzliche Erbfolge führt häufig zu Konflikten, insbesondere bei unklaren Verwandtschaftsverhältnissen, in Patchworkfamilien oder durch die Ungleichbehandlung von Kindern und Pflichtteilsansprüchen. Auch Erbengemeinschaften bergen hohes Streitpotenzial, etwa bei der Verwaltung von Immobilien oder der Bewertung von Nachlassgegenständen. Eine klare Nachlassplanung durch ein rechtssicheres Testament und offene Kommunikation kann solche Streitigkeiten effektiv vermeiden.

Die gesetzliche Erbfolge tritt immer dann in Kraft, wenn keine andere Regelung wie ein Testament vorliegt. Obwohl sie eine klare Struktur bietet, führt sie häufig zu unerwarteten Rechtsfolgen und belastenden Konflikten unter den Hinterbliebenen. Mehr als die Hälfte der Deutschen setzt sich nicht mit dem Thema Testament auseinander, was nach einem Todesfall oft zu Spannungen führt. Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach endet fast jeder fünfte Erbschaftsfall in Deutschland im Streit[5].

Wenn kein Testament vorliegt: Tücken der gesetzlichen Erbfolge

Ohne Testament oder Erbvertrag greift automatisch die gesetzliche Erbfolge. Dies kann besonders in folgenden Situationen zu Problemen führen:

  • Bei unverheirateten Paaren: Lebens­partner:innen ohne Trauschein haben kein gesetzliches Erbrecht[5]
  • In Patchwork­familien: Komplexe Familien­strukturen werden von der gesetzlichen Erbfolge oft nicht angemessen berücksichtigt
  • Bei unklaren Verwandt­schafts­verhältnissen: Die Nachweispflicht kann zu langwierigen Auseinander­setzungen führen

Hat der verstorbene Mensch kein Testament hinterlassen, können die gesetzlichen Regelungen zu unerwarteten und manchmal als ungerecht empfundenen Ergebnissen führen. Besonders zwischen Geschwistern kommt es dann häufig zu Spannungen, etwa wenn es um die Pflege der Eltern oder finanzielle Zuwendungen zu Lebzeiten geht[1].

Streit um die grundsätzliche Erben­stellung

Ein zentraler Konfliktpunkt ist oft die Frage, wer überhaupt als Erbe in Betracht kommt und welchen Anteil jede Person erhält. Diese Frage kann jahrelange Auseinander­setzungen nach sich ziehen[2].

Häufige Konflikte entstehen durch:

  • Anfechtung von Testamenten: Ein Testament kann aus verschiedenen Gründen angefochten werden, etwa wegen vermeintlicher Demenz des Erblassers oder Formfehlern[1]
  • Erbschein­verfahren: Ein möglicher Erbe beantragt einen Erbschein, eine andere Person widerspricht diesem Antrag[1]
  • Unklare Testamente: Bei handschriftlichen Testamenten ohne notarielle Beurkundung gibt es oft Interpretations­spielraum[1]

In solchen Fällen kann eine Feststellungs­klage erforderlich sein, um die Erben­stellung gerichtlich zu klären. Man spricht dann vom sogenannten “Erb­präten­denten­streit”[8].

Heraus­forderungen in der Erben­gemeinschaft

Wenn mehrere Personen gemeinsam erben, entsteht automatisch eine Erben­gemeinschaft. Diese rechtliche Konstruktion birgt erhebliches Konflikt­potenzial:

Die Gesamthands­gemeinschaft als Streitquelle

Bei der Erben­gemeinschaft handelt es sich um eine Gesamthands­gemeinschaft, in der jeder Miterbe einen Bruchteil am Gesamt­nachlass hat. Vereinfacht ausgedrückt: Allen gehört alles gemeinsam. Dies führt zu komplizierten Verfügungs­beschränkungen[7]:

  • Jeder Miterbe kann jederzeit die Auseinander­setzung der Erben­gemeinschaft verlangen[2]
  • Für Verkauf oder Verwertung von Nachlass­gegenständen ist die Zustimmung aller erforderlich[7]
  • Auch Miterben mit kleinen Erbquoten haben Blockade­möglichkeiten[7]

Besonders heikel: Bei Immobilien im Nachlass müssen sich alle Erben über Nutzung, Vermietung oder Verkauf einig sein. Schon kleinste Meinungs­verschiedenheiten können zu jahre­langen Blockaden führen.

Ungleich­behandlung von Kindern und Verwandten

Grundsätzlich sieht das deutsche Erbrecht vor, dass alle Kinder eines Verstorbenen zu gleichen Teilen erben, wenn kein Testament vorliegt. Dies bedeutet:

  • Gesetzlich erhalten alle Kinder die gleiche Erbquote[3]
  • Bei zwei Kindern erbt jedes die Hälfte, bei drei Kindern jeweils ein Drittel usw.[3]

Historisch gab es jedoch Unterschiede zwischen ehelichen und nicht­ehelichen Kindern. Diese Ungleich­behandlung wurde inzwischen aufgehoben, sodass heute alle Kinder gleichgestellt sind[6].

Dennoch gibt es weiterhin Konflikt­potenzial:

  • Unter­schiedliche Leistungen zu Lebzeiten: Wenn Eltern einem Kind mehr finanzielle Unterstützung gegeben haben als anderen, kann dies zu Gefühlen der Benachteiligung führen
  • Pflege­leistungen: Hat ein Kind die Eltern gepflegt, erwartet es oft eine besondere Berücksichtigung im Erbe
  • Komplexe Familien­verhältnisse: In Patchwork­familien können Stiefkinder unterschiedlich behandelt werden

Konflikte durch Pflichtteils­ansprüche

Ein häufiger Streitpunkt sind Pflichtteils­ansprüche von Personen, die im Testament nicht oder nur geringfügig bedacht wurden:

  • Enterbte nahe Angehörige können Pflichtteils­ansprüche geltend machen[1]
  • Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils
  • Pflichtteils­berechtigte können vom Erben die Erstellung eines Nachlass­verzeichnisses fordern[8]

Kommen die Erben dieser Verpflichtung nicht nach, kann der pflichtteils­berechtigte Mensch eine Auskunfts­klage vor dem zuständigen Prozess­gericht erheben[8].

Weitere typische Streit­punkte im Erb­fall

Neben den genannten Haupt­konfliktfeldern gibt es weitere häufige Streit­themen:

Bewertungs­konflikte bei Vermögen und Nachlass­gegenständen

Oft ist unklar, welchen Wert bestimmte Nachlass­gegenstände haben:

  • Immobilien­bewertung: Besonders bei Häusern oder Wohnungen sind sich Erben über den tatsächlichen Wert häufig uneinig
  • Wert­gegenstände: Bei Schmuck, Kunst oder Antiquitäten können unterschiedliche Wert­vorstellungen zu Konflikten führen
  • Emotionaler Wert: Für manche Erben haben bestimmte Gegen­stände einen hohen emotionalen, aber geringen materiellen Wert

Auseinander­setzungen über Schulden und Kosten

Auch die Verteilung von Lasten führt häufig zu Streit:

  • Nachlass­schulden: Wer trägt welche Schulden des Verstorbenen?
  • Beerdigungs­kosten: Uneinigkeit über angemessene Bestattungs­form und -kosten
  • Verwaltungs­kosten: Wenn ein Erbe Verwaltungs­maßnahmen durchführt, gibt es oft Streit um die Mittragung der Kosten durch andere Erben[7]

Konflikte mit dem Testaments­vollstrecker

Hat der verstorbene Mensch einen Testaments­vollstrecker eingesetzt, kann auch dies zu Spannungen führen:

  • Unzufriedenheit mit Entscheidungen: Erben sind mit den Verwaltungs­entscheidungen des Testaments­vollstreckers nicht einverstanden
  • Kosten der Testaments­vollstreckung: Die Vergütung des Testaments­vollstreckers schmälert den Nachlass

Lösungs­ansätze bei Erb­streitigkeiten

Wenn es zum Konflikt kommt, gibt es verschiedene Wege zur Lösung:

Außer­gerichtliche Einigung

Vor einem teuren und langwierigen Gerichts­verfahren ist eine gütliche Einigung oft die bessere Alternative:

  • Mediation: Ein neutraler Vermittler kann helfen, eine für alle Beteiligten faire Lösung zu finden[4]
  • Verhandlungen: Durch direkte Gespräche oder mit Hilfe von Rechts­anwält:innen können realistische Lösungs­optionen erarbeitet werden[4]

Gerichtliche Klärung

Ist keine Einigung möglich, können streitige Punkte gerichtlich geklärt werden:

  • Feststellungs­klage: Zur Klärung der Erben­stellung[8]
  • Erbteilungs­klage: Ziel ist die vollständige Teilung des Nachlasses, allerdings ist diese kompliziert und selten erfolgreich[2][8]
  • Auskunfts­klage: Bei verweigerten Auskünften über den Nachlass[8]

Vorbeugung: Wie Sie Erb­streitigkeiten vermeiden können

Die beste Strategie ist, Konflikten von vornherein vorzubeugen:

  • Eindeutiges Testament erstellen: Ein klar formuliertes, rechtssicheres Testament verhindert viele Streitigkeiten[5]
  • Notarielle Beurkundung: Ein notariell beurkundetes Testament bietet mehr Rechtssicherheit als ein handschriftliches[1]
  • Offene Kommunikation: Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen über Ihre Wünsche und Vorstellungen
  • Frühzeitige Regelung: Warten Sie nicht bis zum letzten Moment, um Ihre Nachlass­angelegenheiten zu regeln

Denken Sie daran: Die Auseinander­setzung mit dem eigenen Tod ist nicht einfach, aber sie kann Ihren Angehörigen viel Leid ersparen. Ein durchdachtes Testament kann verhindern, dass Ihre Familie nach Ihrem Tod in Streit gerät.

Besonderheiten bei modernen Familien­formen

Die gesetzliche Erbfolge basiert auf traditionellen Familien­strukturen und wird der Vielfalt heutiger Lebens­formen oft nicht gerecht:

  • Unverheiratete Paare: Partner:innen ohne Trauschein haben kein gesetzliches Erbrecht
  • Patchwork­familien: Stiefkinder sind keine gesetzlichen Erben
  • Gleich­geschlechtliche Partnerschaften: Ohne Ehe oder eingetragene Lebens­partnerschaft gibt es kein gesetzliches Erbrecht

Für diese Konstellationen ist eine aktive Nachlass­planung besonders wichtig, um ungewollte Folgen der gesetzlichen Erbfolge zu vermeiden.

Mit einer sorgfältigen Planung und gegebenenfalls fachkundiger Beratung können Sie dafür sorgen, dass Ihr Nachlass nach Ihren Wünschen verteilt wird und Ihre Angehörigen vor belastenden Auseinander­setzungen bewahrt bleiben.