Was passiert, wenn gesetzliche Erben die Erbschaft ausschlagen?

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Zusammenfassung

Wenn gesetzliche Erben eine Erbschaft ausschlagen, geht der Erbteil an die nächsten Berechtigten über - entweder an Nachkommen, andere Verwandte oder Ersatzerben (bei einem Testament). Schlagen alle potenziellen Erben das Erbe aus, fällt es letztlich an den Staat, der es nicht ablehnen kann. Jede nachrückende Person hat erneut sechs Wochen Zeit, das Erbe anzunehmen oder auszuschlagen.

Bei einer Erbschaft denken viele Menschen an finanzielle Vorteile. Doch manchmal überwiegen die Schulden, oder es gibt andere Gründe, ein Erbe nicht anzunehmen. In diesem Fall können Sie als Erbe die Erbschaft ausschlagen. Doch was geschieht dann? Wer erbt stattdessen und welche Regeln gelten? Dieser Artikel erklärt, wie die Weitergabe des Erbes nach einer Ausschlagung funktioniert und welche Rolle der Staat dabei spielt.

Die rechtlichen Grundlagen der Erbausschlagung

Nach § 1942 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann jede erbberechtigte Person ein Erbe ohne Angabe von Gründen ausschlagen. Sie haben nach Kenntnis über den Erbfall sechs Wochen Zeit, um die Erbschaft auszuschlagen. Erfolgt in dieser Frist keine Ausschlagung, gilt das Erbe automatisch als angenommen[1].

Die Ausschlagung muss entweder:

  • persönlich beim Nachlassgericht erklärt werden, oder
  • von einem Notar beglaubigt und an das Nachlassgericht weitergeleitet werden[5]

Mit einer wirksamen Ausschlagung gilt die Erbschaft rechtlich als nie angefallen. Sie verlieren alle Rechte am Nachlass, sind aber auch von sämtlichen Verpflichtungen und Schulden befreit[4].

Wer erbt nach einer Ausschlagung?

Wenn Sie ein Erbe ausschlagen, stellt sich die Frage, wer stattdessen erbt. Das Gesetz sieht hier eine klare Regelung vor: Die Erbschaft fällt derjenigen Person zu, die erben würde, wenn Sie zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht gelebt hätten[3][4].

Bei testamentarischer Erbfolge

Wenn der Erblasser ein Testament hinterlassen hat, wird in folgender Reihenfolge geprüft:

  1. Ersatzerben: Hat der Verstorbene im Testament einen Ersatzerben für den Fall der Ausschlagung benannt? Dann erhält diese Person das Erbe[3][5].

  2. Anwachsung: Bei mehreren testamentarischen Erben wächst der Anteil des Ausschlagenden den übrigen testamentarischen Erben entsprechend ihrer Erbteile zu[6].

  3. Gesetzliche Erbfolge: Gibt es keine Regelung im Testament und keine anderen testamentarischen Erben, tritt die gesetzliche Erbfolge ein[3].

Bei gesetzlicher Erbfolge

Ist kein Testament vorhanden oder tritt die gesetzliche Erbfolge ein, gilt das sogenannte Ein­tritts­prinzip:

  1. Nach­kommen des Ausschlagenden: Wenn Sie als gesetzlicher Erbe ausschlagen, erben Ihre Kinder oder deren Nachkommen Ihren Erbteil[5][7].

  2. Geschwister oder andere Verwandte: Hat der Ausschlagende keine Nachkommen, erhöhen sich die Erbteile seiner Geschwister oder anderer Erben der gleichen Ordnung[5].

  3. Nächste Erbordnung: Sind in einer Erbordnung keine Erben mehr vorhanden, geht das Erbe an die nächste Erbordnung über.

Wichtig: Jede Person, die durch Ausschlagung eines anderen in die Erbenstellung rückt, wird zunächst nur vor­läufiger Erbe. Auch sie hat das Recht, das Erbe innerhalb von sechs Wochen auszuschlagen[6].

Der Staat als letzter Erbe

Sollten alle in Betracht kommenden Erben die Erbschaft ausschlagen, tritt der Staat als gesetzlicher Erbe ein. Diese Regelung stellt sicher, dass ein Nachlass nie ohne Erben bleibt[5][6].

Der Staat - genauer gesagt das Bundesland, in dem der Erblasser zuletzt gewohnt hat - übernimmt dann den gesamten Nachlass mit allen Vermögenswerten, aber auch mit allen Schulden. Eine Besonderheit: Im Gegensatz zu allen anderen Erben kann der Staat die Erbschaft nicht ausschlagen[6].

Praktisches Beispiel zur Verdeutlichung

Nehmen wir an, Person A verstirbt ohne Testament. Ihre gesetzlichen Erben wären:

  • Ihre Tochter B (Erbe 1. Ordnung)
  • Ihr Sohn C (Erbe 1. Ordnung)

Wenn die Tochter B das Erbe ausschlägt, gilt:

  • Wenn B eigene Kinder hat, erben diese ihren Anteil
  • Hat B keine Kinder, erhöht sich der Erbteil von Sohn C

Wenn sowohl B als auch C ausschlagen:

  • Erben zunächst die Kinder von B und C
  • Haben beide keine Kinder, erben die Eltern von A (Erben 2. Ordnung)
  • Gibt es keine Erben 2. Ordnung, folgen Großeltern usw.
  • Schlagen alle aus, erbt der Staat

Fristen und Verfahren bei mehrfacher Ausschlagung

Für jede Person, die als Erbe nachrückt, beginnt eine neue Sechs­wochen­frist zur Ausschlagung. Diese Frist startet:

  • mit der Kenntnis vom Tod des Erblassers bei gesetzlichen Erben
  • mit der Kenntnis von der eigenen Erbeinsetzung bei testamentarischen Erben[7]

Die Ausschlagungsfrist kann sich somit über mehrere Erbengenerationen hinziehen, was den Prozess der endgültigen Klärung der Erbfolge ver­längern kann.

Überlegungen für Ihre Entscheidung

Bevor Sie eine Erbschaft ausschlagen, sollten Sie:

  1. Einen Überblick über den Nachlass verschaffen (Vermögen und Schulden)
  2. Alternativen prüfen, wie etwa eine Nachlass­insolvenz, die Ihr Privatvermögen schützen kann[1]
  3. Sich über die Konsequenzen für Ihre Angehörigen bewusst sein, an die das Erbe weitergehen würde
  4. Im Zweifel rechtlichen Rat einholen

Beachten Sie: Beantragen Sie keinesfalls einen Erbschein, bevor Sie eine Entscheidung getroffen haben! Allein durch den Antrag gilt die Erbschaft bereits als angenommen[5].

Die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft ist endgültig und kann nur in bestimmten Ausnahmefällen rückgängig gemacht werden, etwa bei einem Irrtum über die Zusammen­setzung des Nachlasses[7].

Zusammenfassung der Erbfolge nach Ausschlagung

Die Erbschaft geht nach einer Ausschlagung in dieser Reihenfolge über:

  1. An testamentarisch bestimmte Ersatzerben
  2. Bei mehreren Erben an die Mit­erben (Anwachsung)
  3. An die Nachkommen des Ausschlagenden
  4. An andere Verwandte gemäß gesetzlicher Erbfolge
  5. Als letzte Instanz an den Staat

Die Ausschlagungs­kette kann sich über mehrere Generationen fortsetzen, bis jemand das Erbe annimmt oder der Staat als Erbe eintritt.

Das deutsche Erbrecht stellt somit sicher, dass kein Nachlass herrenlos bleibt und bietet gleichzeitig jedem potenziellen Erben die Freiheit, ein möglicherweise belastetes Erbe auszuschlagen.