Was passiert, wenn der Verstorbene keine direkten Nachkommen hinterlässt?

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Zusammenfassung

Wenn eine verstorbene Person keine direkten Nachkommen hinterlässt, erben zunächst die Eltern und Geschwister gemäß der gesetzlichen Erbfolge. Der überlebende Ehepartner oder die Ehepartnerin erhält je nach Güterstand und vorhandenen Verwandten einen Anteil am Nachlass, jedoch nicht automatisch alles. Kinderlose Menschen sollten ein Testament oder einen Erbvertrag erstellen, um ihren Nachlass individuell zu regeln und Überraschungen zu vermeiden.

Die gesetzliche Erbfolge regelt, wer das Vermögen einer verstorbenen Person erhält, wenn kein Testament vorliegt. Während viele Menschen davon ausgehen, dass der Ehepartner oder die Ehepartnerin automatisch alles erbt, ist dies ohne testamentarische Regelung nicht der Fall. Besonders bei Menschen ohne Kinder oder Enkel stellt sich die Frage, wer ihr Erbe antreten wird. Dieser Artikel erklärt, wie das Erbrecht für Eltern, Geschwister und entferntere Verwandte funktioniert.

Die gesetzliche Erbfolge im Überblick

Das deutsche Erbrecht folgt einem klaren Ordnungs­system, bei dem nähere Verwandte die entfernteren von der Erbfolge ausschließen. Nach Angaben einer YouGov-Umfrage von 2022 haben etwa 66 Prozent der Deutschen kein Testament[1]. In diesen Fällen greift die gesetzliche Erbfolge, die folgende Ordnungen vorsieht:

  • Erben 1. Ordnung: Kinder, Enkel und weitere direkte Nachkommen
  • Erben 2. Ordnung: Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen
  • Erben 3. Ordnung: Großeltern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen
  • Erben 4. Ordnung: Urgroßeltern und deren Abkömmlinge

Grundsätzlich gilt: Gibt es Erben einer höheren Ordnung, werden die Verwandten niedrigerer Ordnungen nicht berücksichtigt[5].

Wer erbt, wenn keine Kinder oder Enkel vorhanden sind?

Wenn eine verstorbene Person keine direkten Nachkommen hinterlässt, kommen die Erben 2. Ordnung zum Zug. Dies sind zunächst die Eltern des Erblassers oder der Erblasserin[7]. Leben beide Elternteile noch, erben diese zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil bereits verstorben, treten dessen Abkömmlinge (also die Geschwister der verstorbenen Person) an seine Stelle[2].

Beispiel:

  • Beide Eltern leben noch: Jeder Elternteil erbt 50% des Nachlasses
  • Mutter lebt noch, Vater verstorben: Die Mutter erbt 50%, die andere Hälfte verteilt sich unter den Geschwistern
  • Beide Eltern verstorben: Die Geschwister teilen sich den gesamten Nachlass zu gleichen Teilen

Falls ein Geschwister­teil bereits verstorben ist, erben dessen Kinder (die Nichten und Neffen der verstorbenen Person) den entsprechenden Anteil.

Das Ehe­gatten­erbrecht bei fehlenden direkten Nachkommen

Ehepartner:innen nehmen eine Sonder­stellung im Erbrecht ein. War die verstorbene Person verheiratet, erbt der oder die Über­lebende neben den Verwandten[1].

Wichtig zu wissen: Der Ehepartner oder die Ehepartnerin wird nicht automatisch Allein­erbe[4]. Ohne Testament oder Erbvertrag teilt sich der oder die Über­lebende den Nachlass mit anderen Berechtigten.

Bei kinderlosen Ehen und dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinn­gemeinschaft erhält der über­lebende Ehepartner oder die überlebende Ehepartnerin:

  • 3/4 des Nachlasses, wenn Eltern, Geschwister oder Großeltern vorhanden sind
  • Den gesamten Nachlass, wenn keine Verwandten bis zur dritten Ordnung vorhanden sind[5]

Leben die Eheleute in Güter­trennung, erhält der überlebende Ehepartner oder die überlebende Ehepartnerin nur die Hälfte des Nachlasses, wenn Verwandte der zweiten Ordnung vorhanden sind.

Besonders zu beachten: Unver­heiratete Partner:innen haben keinerlei gesetzlichen Erbanspruch[4], auch nicht nach langjähriger Beziehung.

Erbrecht entfernterer Verwandter

Sind keine Verwandten der ersten und zweiten Ordnung vorhanden, kommen die Erben der dritten Ordnung zum Zug - also die Großeltern des Verstorbenen sowie deren Kinder (Onkel und Tanten) und Enkel (Cousins und Cousinen)[7].

Nach diesem Prinzip geht es weiter mit der vierten Ordnung (Urgroßeltern und deren Nachkommen) und weiteren Ordnungen. Ab der vierten Ordnung erben nur noch diejenigen, die mit der verstorbenen Person am nächsten verwandt sind[5].

Der Staat wird erst dann zum Erben, wenn überhaupt keine Verwandten ermittelt werden können[5].

Pflicht­teils­ansprüche bei Kinderlosigkeit

Auch wenn Sie durch ein Testament die gesetzliche Erbfolge umgehen, haben bestimmte Personen Anspruch auf einen Pflicht­teil:

  • Eltern der verstorbenen Person
  • Ehepartner:innen oder eingetragene Lebens­partner:innen

Geschwister haben keinen Pflicht­teils­anspruch[2]. Wurden sie durch ein Testament enterbt, gehen sie leer aus. Dies gilt auch für alle entfernteren Verwandten wie Nichten, Neffen, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen.

Nachlass­planung für kinderlose Menschen

Ohne direkte Nachkommen ist eine bewusste Nachlass­regelung besonders sinnvoll. Die gesetzliche Erbfolge kann zu Situationen führen, in denen entfernte Verwandte oder der Staat erben - möglicherweise gegen Ihren Willen[3][4].

Möglichkeiten der individuellen Gestaltung:

  1. Testament erstellen

    • Bestimmen Sie selbst, wer Ihr Vermögen erhalten soll
    • Können Sie jederzeit ändern oder widerrufen
    • Eigenhändig geschrieben oder notariell beurkundet
  2. Erbvertrag abschließen

    • Verbindliche Alternative zum Testament
    • Bietet mehr Sicherheit, aber weniger Flexibilität
    • Erfordert notarielle Beurkundung[6]
  3. Schenkungen zu Lebzeiten

    • Vermögens­übertragung noch zu Lebzeiten
    • Kann steuerliche Vorteile bieten
    • Möglichkeit, Freunde oder gemeinnützige Organisationen zu bedenken

Checkliste für kinderlose Paare:

  • Klären Sie Ihre persönlichen Wünsche: Wer soll Ihr Vermögen erhalten?
  • Informieren Sie sich über die gesetzliche Erbfolge in Ihrem individuellen Fall
  • Lassen Sie sich beraten, idealerweise durch einen Fachanwalt oder eine Fachanwältin für Erbrecht
  • Erstellen Sie ein Testament oder einen Erbvertrag, wenn Sie von der gesetzlichen Erbfolge abweichen möchten
  • Überprüfen Sie regelmäßig, ob Ihre Verfügungen noch Ihren Wünschen entsprechen
  • Bedenken Sie Pflicht­teils­ansprüche von Eltern und Ehepartner:innen

Fazit

Ohne Testament oder Erbvertrag bestimmt die gesetzliche Erbfolge, wer erbt. Bei fehlenden direkten Nachkommen können Eltern, Geschwister oder entferntere Verwandte an Ihrem Nachlass beteiligt werden - manchmal mit überraschenden Ergebnissen.

Besonders für kinderlose Menschen und Paare ist es ratsam, den eigenen Nachlass aktiv zu gestalten. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihr Vermögen in die richtigen Hände kommt und nicht nach starren gesetzlichen Regeln verteilt wird. Ein Testament oder Erbvertrag gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihren letzten Willen nach Ihren persönlichen Vorstellungen zu gestalten.