Was geschieht mit dem Erbe, wenn keine lebenden Verwandten gefunden werden?

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Zusammenfassung

Wenn keine lebenden Verwandten vorhanden sind und kein Testament existiert, wird der Staat gemäß § 1936 BGB zum gesetzlichen Erben. Der Staat kann das Erbe nicht ausschlagen, haftet jedoch nur mit dem Nachlassvermögen für Schulden. Um dies zu vermeiden, sollten Sie frühzeitig ein Testament erstellen und selbst festlegen, wer Ihr Vermögen erhalten soll.

Der Gedanke, was mit unserem Nachlass geschieht, wenn wir gehen, beschäftigt viele Menschen. Besonders für Alleinstehende ohne nahe Angehörige stellt sich die Frage: Wer erbt eigentlich, wenn keine Verwandten mehr leben? Die Antwort mag überraschen: In solchen Fällen wird der Staat zum gesetzlichen Erben. Dieser Vorgang, auch als Fiskalerbschaft bezeichnet, folgt klaren gesetzlichen Regeln.

Wann wird der Staat zum Erben?

Der Staat tritt als Erbe auf, wenn folgende Situationen eintreten:

  • Es sind keine erbberechtigten Verwandten mehr am Leben[1][3]
  • Alle erbberechtigten Verwandten haben die Erbschaft ausgeschlagen[7]
  • Der Erblasser hat alle potentiellen Erben per Testament enterbt[7]
  • Alle gesetzlichen Erben haben auf ihr Erbe verzichtet[7]

In solchen Fällen greift § 1936 BGB, wonach das Bundesland erbt, in dem der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte[3]. War der letzte Wohnsitz eines deutschen Staatsbürgers im Ausland, wird die Bundesrepublik Deutschland zum Erben[3].

Die gesetzliche Erbfolge im Überblick

Bevor der Staat erbt, prüft das Nachlassgericht zunächst, ob es lebende Verwandte gibt. Die gesetzliche Erbfolge ist in einem Ordnungs­system geregelt:

Erben erster Ordnung

Hierzu gehören die Kinder und Enkel des Verstorbenen[6]. Sind keine Kinder vorhanden, erben die Enkel nach dem Repräsen­tations­prinzip[1].

Erben zweiter Ordnung

Wenn keine Erben erster Ordnung existieren, kommen die Eltern, Geschwister, Neffen und Nichten zum Zug[1][2]. Die Eltern erben zu gleichen Teilen. Sind sie bereits verstorben, gehen ihre Anteile an deren Kinder - also die Geschwister des Erblassers[1].

Erben dritter Ordnung

Erst wenn auch keine Erben zweiter Ordnung vorhanden sind, erben die Großeltern und deren Nachkommen (Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen)[2][5].

Ehegatten­erbrecht: Sonderfall bei der Erbfolge

Verheiratete haben eine besondere Position: Der überlebende Ehe­partner erbt neben den Verwandten. Bei kinderlosen Ehepaaren erhält der Partner in der Regel drei Viertel des Nachlasses - 50% als gesetzlichen Erb­anspruch plus 25% als Zugewinn­ausgleich[5]. Das letzte Viertel geht an Verwandte.

Der Ablauf einer Fiskalerbschaft

Wenn der Staat erbt, läuft das Verfahren nach einem bestimmten Muster ab:

  1. Das Amtsgericht sucht nach möglichen Erben[7]
  2. Werden keine Erben gefunden, informiert das Gericht die zuständige Nachlassbehörde des Bundeslandes[7]
  3. Das Bundesland wird zum gesetzlichen Erben[3]

Besonderheiten beim Staat als Erbe

Wenn der Staat erbt, gelten einige Besonderheiten:

Keine Ausschlagung möglich

Im Gegensatz zu privaten Erben kann der Staat das Erbe als gesetzlicher Erbe nicht ausschlagen[7]. Dies ist ein wichtiger Unterschied zur normalen Erbfolge.

Beschränkte Haftung für Schulden

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Staat für Nachlassverbindlichkeiten nur mit dem geerbten Vermögen haftet, nicht mit seinem eigenen Staatsvermögen[3]. Private Erben haften hingegen grundsätzlich auch mit ihrem eigenen Vermögen, wenn sie die Erbschaft annehmen.

Wie Sie die Staatserbschaft vermeiden können

Falls Sie nicht möchten, dass der Staat Ihr Vermögen erbt, haben Sie verschiedene Möglichkeiten:

Testament erstellen

Mit einem rechtsgültigen Testament können Sie selbst bestimmen, wer Ihr Vermögen erhält. Sie können beliebige Personen als Erben einsetzen - auch wenn diese nicht mit Ihnen verwandt sind[2].

Juristische Personen bedenken

Sie können auch gemeinnützige Orga­nisationen oder Vereine als Erben einsetzen. “Viele Menschen kennen die Möglichkeit gar nicht, die ihnen in Bezug auf ihren Nachlass zustehen”, erklärt Dr. Hermannstaller von der Landes­notar­kammer Bayern[2].

Frühzeitig planen

Besonders für Allein­stehende ohne Kinder ist eine früh­zeitige Nachlassregelung wichtig. So vermeiden Sie, dass Ihr Vermögen an den Staat oder an entfernte Verwandte geht, “die der Erblasser nicht einmal persönlich gekannt hat”[2].

Tipps für die Nachlassplanung ohne nahe Verwandte

Für Singles ohne Nachkommen ist ein Testament besonders wichtig, um zu bestimmen, wer das eigene Vermögen erben soll[1]. Hier einige praktische Hinweise:

  • Lassen Sie sich rechtlich beraten, um ein gültiges Testament zu erstellen
  • Bedenken Sie auch nicht­eheliche Partnerschaften oder enge Freunde
  • Prüfen Sie die steuerlichen Auswirkungen Ihrer Erbplanung
  • Erwägen Sie gemeinnützige Zwecke für Ihren Nachlass
  • Hinterlegen Sie Ihr Testament an einem sicheren Ort, z.B. beim Amtsgericht

Fazit

Ohne Testament oder nahe Verwandte wird der Staat zum gesetzlichen Erben. Um dies zu vermeiden und Ihr Vermögen nach Ihren Wünschen zu verteilen, ist eine rechtzeitige Nachlassplanung unerlässlich. Mit einem Testament können Sie selbst bestimmen, wer von Ihrem Lebenswerk profitieren soll - sei es eine nahestehende Person, eine gemeinnützige Organisation oder eine andere Einrichtung Ihrer Wahl.