In welcher Reihenfolge werden Verwandte nach der gesetzlichen Erbfolge berücksichtigt?

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Zusammenfassung

Die gesetzliche Erbfolge in Deutschland basiert auf dem Parentel­system, das Verwandte in Ordnungen einteilt: Erste Ordnung umfasst direkte Nach­kommen wie Kinder und Enkel, zweite Ordnung Eltern und Geschwister, und dritte Ordnung Groß­eltern sowie deren Nach­kommen. Verwandte einer näheren Ordnung schließen entferntere vollständig vom Erbe aus, während Ehe­partner:innen eine Sonder­stellung mit eigenem Erb­anspruch haben. Ein Testament kann sinnvoll sein, um persönliche Wünsche umzusetzen oder komplexe Familien­verhältnisse zu berücksichtigen.

Die gesetzliche Erbfolge regelt, wer erbt, wenn kein Testament vorliegt oder ein Testament ungültig ist. Das deutsche Erbrecht folgt dabei dem Parentel­system, das Verwandte nach ihrer Ab­stammung in verschiedene Ordnungen einteilt. Dieses System sorgt für eine klare Reihen­folge bei der Ver­teilung des Nach­lasses und kann für Sie und Ihre Familie große Be­deutung haben.

Das Parentel­system im Überblick

Das Parentel­system (vom lateinischen “parentes” für Eltern) ist die Grund­lage der gesetz­lichen Erb­folge in Deutschland. Es teilt Verwandte in Ordnungen ein, die fest­legen, wer be­vorzugt erben soll.

Grund­prinzip: Verwandte einer näheren Ordnung schließen Ver­wandte fernerer Ordnungen komplett vom Erbe aus. So erbt beispiels­weise ein einziges Kind (1. Ordnung) allein, auch wenn Eltern (2. Ordnung) des Ver­storbenen noch leben.

In den drei ersten Ordnungen gilt das Stamm­prinzip: Der Nach­lass wird nach Stämmen auf­geteilt, wobei jeder Stamm seinen An­teil gleich­mäßig erhält. Ein Stamm wird dabei durch die direkte Nach­kommen­linie gebildet.

Erben erster Ordnung: Die direkten Nach­kommen

Zur ersten Ordnung gehören alle Ab­kömmlinge des Erb­lassers:

  • Kinder (eheliche, nicht-eheliche und adoptierte Kinder)
  • Enkel­kinder
  • Urenkel­kinder

Wichtig zu wissen: Stief­kinder gehören nicht zu den gesetz­lichen Erben, sofern sie nicht adoptiert wurden.

Innerhalb der ersten Ordnung gilt das Repräsentations­prinzip: Lebt ein Kind noch, schließt es seine eigenen Kinder (also die Enkel des Erb­lassers) vom Erbe aus. Ist ein Kind bereits ver­storben, treten seine Nach­kommen an seine Stelle und teilen sich dessen Erb­anteil.

Beispiel zur ersten Ordnung:

Eine Mutter hinterlässt drei Kinder. Eines ihrer Kinder ist bereits ver­storben, hat aber zwei eigene Kinder (Enkel der Erb­lasserin) hinter­lassen.

  • Die zwei lebenden Kinder erhalten je 1/3 des Nach­lasses
  • Die zwei Enkel teilen sich zu gleichen Teilen den An­teil ihres ver­storbenen Eltern­teils (also je 1/6)

Erben zweiter Ordnung: Eltern und ihre Nach­kommen

Die Erben zweiter Ordnung kommen nur zum Zuge, wenn keine Erben erster Ordnung vor­handen sind. Zu ihnen zählen:

  • Eltern des Erb­lassers
  • Geschwister des Erb­lassers
  • Neffen und Nichten des Erb­lassers

Auch hier gilt das Stamm­prinzip: Leben beide Eltern­teile noch, erhält jeder die Hälfte des Nach­lasses. Ist ein Eltern­teil ver­storben, treten dessen Nach­kommen (also die Ge­schwister des Erb­lassers) an seine Stelle und teilen sich dessen Anteil.

Beispiel zur zweiten Ordnung:

Ein unverheirateter Mann ohne Kinder stirbt. Seine Mutter lebt noch, sein Vater ist bereits ver­storben. Der Ver­storbene hat zwei Geschwister.

  • Die Mutter erhält die Hälfte des Nach­lasses
  • Die zwei Geschwister teilen sich die andere Hälfte (also je 1/4 des Gesamt­nach­lasses)

Erben dritter Ordnung: Groß­eltern und ihre Nach­kommen

Sind weder Erben erster noch zweiter Ordnung vor­handen, kommen die Ver­wandten der dritten Ordnung zum Zuge:

  • Groß­eltern des Erb­lassers
  • Tanten und Onkel des Erb­lassers
  • Cousin:innen des Erb­lassers

Auch in der dritten Ordnung gilt das Stamm­prinzip: Leben alle vier Groß­eltern noch, erhält jeder 1/4 des Nach­lasses. Ist ein Groß­eltern­teil ver­storben, erben dessen Nach­kommen (also Onkel oder Tanten des Erb­lassers) seinen Anteil.

Beispiel zur dritten Ordnung:

Eine un­verheiratete Frau ohne Kinder verstirbt. Ihre Eltern und Geschwister sind bereits ver­storben. Von ihren Groß­eltern lebt noch eine Groß­mutter väter­licher­seits. Groß­vater väter­licher­seits hat keine weiteren Nach­kommen hinter­lassen. Die Groß­eltern mütter­licher­seits sind beide ver­storben, haben aber eine Tochter (Tante der Erb­lasserin) hinter­lassen.

  • Die noch lebende Groß­mutter erhält 1/4 des Nach­lasses
  • Da ihr ver­storbener Ehe­mann keine weiteren Nach­kommen hat, fällt sein 1/4 an die Groß­mutter, die somit insgesamt 1/2 erhält
  • Die Tante erhält die andere Hälfte des Nach­lasses (den Anteil der ver­storbenen Groß­eltern mütter­licher­seits)

Zusammen­spiel der Ordnungen: Das Aus­schluss­prinzip

Ein ent­scheidender Grund­satz des Parentel­systems ist das strikte Aus­schluss­prinzip:

  • Gibt es auch nur eine:n einzige:n Erb:in der ersten Ordnung, erben Ver­wandte der zweiten oder dritten Ordnung nichts.
  • Gibt es keine Erb:innen der ersten, aber mindestens eine:n Erb:in der zweiten Ordnung, erben Ver­wandte der dritten Ordnung nichts.

Dieses Prinzip kann dazu führen, dass ent­ferntere Ver­wandte leer aus­gehen, obwohl sie dem Erb­lasser vielleicht persönlich näher standen als die gesetz­lichen Erb:innen.

Die besondere Stellung der Ehe­partner:innen

Ehe­partner:innen nehmen eine Sonder­stellung ein, da sie keine Ver­wandten sind. Dennoch haben sie einen gesetz­lichen Erb­anspruch. Wie hoch dieser ist, hängt davon ab:

  • mit welchen Ver­wandten sie zusammen erben
  • in welchem Güter­stand die Ehe geführt wurde

Neben Erb:innen der ersten Ordnung erhält der:die Ehe­partner:in 1/4 des Nach­lasses, neben Erb:innen der zweiten Ordnung oder neben Groß­eltern die Hälfte.

Für ein­getragene Lebens­partner­schaften gelten die gleichen Regeln wie für Ehe­partner:innen.

Warum die gesetzliche Erbfolge nicht immer ideal ist

Die gesetzliche Erbfolge spiegelt nicht unbedingt die persönlichen Wünsche und Lebens­umstände wider. Bei folgenden Konstella­tionen sollten Sie über ein Testament nach­denken:

  • Sie leben in einer nicht-ehelichen Partner­schaft (Partner:innen haben keinen gesetz­lichen Erb­anspruch)
  • Sie möchten bestimmte Personen bevorzugen oder aus­schließen
  • Sie haben komplexe Familien­verhältnisse (z.B. Patch­work­familien)
  • Sie möchten verhindern, dass Ihr Nach­lass auf viele Erb:innen verteilt wird

Fazit: Das Parentel­system verstehen, um richtig zu handeln

Das Parentel­system mit seinen drei Ordnungen bildet das Rückgrat der gesetzlichen Erbfolge in Deutschland. Es folgt dem Grund­gedanken, dass das Vermögen in der Familie bleiben soll, wobei direkte Nach­kommen und nahe Ver­wandte bevorzugt werden.

Ob die gesetzliche Erbfolge für Ihre persönliche Situation passt, sollten Sie sorg­fältig prüfen. Falls nicht, können Sie durch ein Testament oder einen Erb­vertrag Ihre eigenen Vor­stellungen über Ihren Nach­lass fest­legen.

Sprechen Sie mit einer juristischen Fach­person, um Ihre individuellen Möglich­keiten zu besprechen und die für Sie optimale Regelung zu finden. So schaffen Sie Klarheit für sich selbst und vermeiden mögliche Konflikte unter Ihren Hinter­bliebenen.