Gelten für Unternehmensanteile oder Immobilien Sonderregeln in der gesetzlichen Erbfolge?
Unternehmensanteile und Immobilien unterliegen in der gesetzlichen Erbfolge keinen automatischen Sonderregeln, können jedoch durch testamentarische Regelungen wie Teilungsanordnungen gezielt zugewiesen werden, um Erbengemeinschaften und Konflikte zu vermeiden. Gesellschaftsverträge oder steuerliche Verschonungsregelungen können dabei eine wichtige Rolle spielen. Eine rechtzeitige Nachlassplanung mit fachkundiger Beratung ist essenziell, um den Erhalt von Vermögenswerten und Familienfrieden sicherzustellen.
Bei fast jeder zweiten Erbschaft wird eine Immobilie hinterlassen, und auch Unternehmensanteile stellen oft einen wertvollen Teil des Nachlasses dar. Die Vererbung dieser Vermögenswerte unterliegt besonderen Regelungen und kann für die Betroffenen große Bedeutung haben. Ohne Testament oder Erbvertrag greift die gesetzliche Erbfolge - doch gelten dabei Sonderregeln für Immobilien und Unternehmensanteile? Dieser Artikel beleuchtet, welche Besonderheiten zu beachten sind und ob bestimmte Erben Vorrechte genießen.
Die gesetzliche Erbfolge im Überblick
Wenn keine testamentarische Verfügung vorliegt, regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), wer erbt. Die Verwandten werden dabei in verschiedene Ordnungen eingeteilt:
- Erben erster Ordnung: Kinder und deren Nachkommen
- Erben zweiter Ordnung: Eltern des Verstorbenen und deren Nachkommen (Geschwister, Nichten, Neffen)
- Erben dritter Ordnung: Großeltern und deren Nachkommen
Ehepartner:innen und eingetragene Lebenspartner:innen haben ein gesetzliches Erbrecht neben den Verwandten. Der Anteil hängt vom Güterstand und der Ordnung der miterbenden Verwandten ab.[8]
Wichtig zu wissen: Solange Erben höherer Ordnung vorhanden sind, kommen Erben niedrigerer Ordnung nicht zum Zug. Bei mehreren Erbberechtigten derselben Ordnung bilden diese eine Erbengemeinschaft.[7]
Besonderheiten bei Unternehmensanteilen
Unternehmensanteile folgen im Erbfall grundsätzlich den allgemeinen Regeln des Erbrechts, weisen jedoch einige Besonderheiten auf.
Rechtliche Grundlagen für verschiedene Gesellschaftsformen
Die Vererblichkeit von Unternehmensanteilen ist je nach Gesellschaftsform unterschiedlich geregelt:
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GmbH-Anteile: Nach § 15 Abs. 1 GmbHG sind Anteile an einer GmbH grundsätzlich vererblich. Im Todesfall eines Gesellschafters geht der Gesellschaftsanteil automatisch auf die Erben über.[1]
-
AG-Aktien: Gemäß § 67 Abs. 1 AktG sind Aktien frei übertragbar und damit auch vererblich. Bei Inhaberaktien erfolgt die Vererbung durch Übergabe, bei Namensaktien ist eine Eintragung im Aktienregister erforderlich.[1]
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Personengesellschaften: Bei der OHG (§ 105 Abs. 2 HGB) und der KG (§ 161 Abs. 2 HGB) geht der Gesellschaftsanteil grundsätzlich auf die Erben über.[1]
Gesellschaftsvertragliche Einschränkungen
Beachten Sie: In vielen Fällen enthalten Gesellschaftsverträge Regelungen, die den Übergang der Anteile im Erbfall beschränken können. Dies kann beispielsweise sein:
- Zustimmungserfordernisse der anderen Gesellschafter
- Vorkaufsrechte für andere Gesellschafter
- Regelungen zur Einziehung der Anteile gegen Abfindung
Diese Einschränkungen können das gesetzliche Erbrecht überlagern und sind bei der Nachlassplanung zu berücksichtigen.[1]
Gestaltungsmöglichkeiten für Unternehmensanteile
Für Unternehmensanteile gibt es besondere erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten:
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Auflagen: Der Gesellschafter kann vorsehen, dass der Geschäftsanteil mit Auflagen belastet wird, z.B. zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen in Verbindung mit dem Gesellschaftsanteil.[4]
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Vor- und Nacherbfolge: Der Gesellschafter kann einen Vorerben und einen Nacherben bestimmen. Der Vorerbe wird zunächst Inhaber des Anteils, nach seinem Tod geht dieser aber nicht auf dessen Erben, sondern auf den festgelegten Nacherben über.[4]
Immobilien in der gesetzlichen Erbfolge
Immobilien stellen oft den wertvollsten Teil eines Nachlasses dar und unterliegen besonderen Herausforderungen im Erbfall.
Automatischer Eigentumsübergang und Grundbucheintragung
Nach dem Tod eines Erblassers geht die Immobilie automatisch auf die Erben über. Das Grundbuch muss anschließend berichtigt werden, indem der Erbe als neuer Eigentümer eingetragen wird.[5]
Für die Grundbucheintragung benötigen die Erben in der Regel einen Erbschein, es sei denn, es liegt ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag vor.
Erbengemeinschaft bei mehreren Erben
Wenn mehrere Personen erben, bilden sie eine Erbengemeinschaft. Die Immobilie gehört dann allen gemeinsam. Dies kann zu Schwierigkeiten führen, da:
- Entscheidungen über die Immobilie einstimmig getroffen werden müssen
- Ein einzelner Erbe seinen Anteil nicht eigenständig verkaufen kann
- Die Verwaltung der Immobilie erschwert wird
Hinweis: Bei Immobilien in einer Erbengemeinschaft kommt es häufig zu Streitigkeiten unter den Erben. Ohne klare Regelungen müssen Immobilien oft verkauft werden, um die Erbanteile auszahlen zu können.[3]
Teilungsanordnung und Vorrechte bestimmter Erben
Im deutschen Erbrecht gibt es keine automatischen Vorrechte bestimmter Erben auf Immobilien oder Unternehmensanteile. Allerdings können durch eine Teilungsanordnung oder andere testamentarische Regelungen Vorrechte geschaffen werden.
Die Teilungsanordnung als Lösungsweg
Eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) ermöglicht es dem Erblasser, bestimmte Vermögensgegenstände gezielt einzelnen Erben zuzuweisen, ohne die gesetzlichen Erbquoten zu ändern.[3]
Vorteile einer Teilungsanordnung:
- Sie verhindert die Zerstückelung wertvoller Vermögensgegenstände
- Die Immobilie oder das Unternehmen bleibt als Ganzes erhalten
- Schwierigkeiten einer Erbengemeinschaft werden vermieden
Bei einer Teilungsanordnung muss der begünstigte Erbe in der Regel einen Wertausgleich an die anderen Erben leisten, es sei denn, der Erblasser hat auch diesen ausgeschlossen.[3]
Beispiel für eine praktische Umsetzung
Ein Ehepaar mit zwei Kindern besitzt ein Einfamilienhaus und Anteile an einer GmbH. Die Eltern können durch eine Teilungsanordnung festlegen, dass die Tochter, die sich für das Unternehmen interessiert, die GmbH-Anteile erhält, während der Sohn das Haus bekommt. Die gesetzlichen Erbquoten bleiben dabei unberührt - jedes Kind erbt die Hälfte des Nachlasses.
Der Wert der zugewiesenen Gegenstände wird angerechnet. Ist der Wert der GmbH-Anteile höher als der des Hauses, muss die Tochter ihrem Bruder die Differenz ausgleichen.
Steuerliche Aspekte
Bei der Vererbung von Unternehmensanteilen und Immobilien spielen auch steuerliche Fragen eine wichtige Rolle:
Freibeträge bei der Erbschaftsteuer
Je nach Verwandtschaftsgrad gibt es unterschiedliche Freibeträge:
- Ehepartner:innen: 500.000 Euro
- Kinder: 400.000 Euro
- Enkel: 200.000 Euro
- Eltern und Großeltern: 100.000 Euro
- Entferntere Verwandte: 20.000 Euro[1]
Besondere Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen
Für Unternehmensanteile gelten unter bestimmten Voraussetzungen Verschonungsregelungen:
- Regelverschonung (85%): Bei Fortführung des Betriebs für mindestens fünf Jahre
- Optionsverschonung (100%): Bei Fortführung für mindestens sieben Jahre mit Steigerung der Lohnsumme[1]
Diese Regelungen sollen die Fortführung von Unternehmen und die Sicherung von Arbeitsplätzen gewährleisten.
Praktische Handlungsempfehlungen
Für eine sinnvolle Regelung Ihres Nachlasses sollten Sie folgende Punkte beachten:
Überprüfung von Gesellschaftsverträgen
Wenn Sie Unternehmensanteile besitzen, prüfen Sie, welche Regelungen der Gesellschaftsvertrag für den Erbfall vorsieht. Eventuell sind Anpassungen nötig, um Ihre Wünsche umzusetzen.
Testamentarische Regelungen treffen
Um Ihr Vermögen gezielt zu verteilen und die Bildung schwieriger Erbengemeinschaften zu vermeiden, sollten Sie ein Testament errichten. Darin können Sie:
- Eine Teilungsanordnung für Immobilien und Unternehmensanteile treffen
- Ersatzerben benennen
- Auflagen oder Bedingungen festlegen
Frühzeitige Übertragung erwägen
Statt der Vererbung können Sie auch eine lebzeitige Übertragung in Betracht ziehen:
- Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt bei Immobilien
- Schrittweise Übertragung von Unternehmensanteilen
- Nutzung der Schenkungsfreibeträge alle zehn Jahre
Fazit: Planung ist entscheidend
Die gesetzliche Erbfolge sieht keine speziellen Vorrechte bestimmter Erben an Unternehmensanteilen oder Immobilien vor. Ohne testamentarische Regelung werden diese Vermögenswerte Teil des Gesamtnachlasses und unter allen Erben aufgeteilt.
Um Immobilien oder Unternehmensanteile gezielt zu vererben und deren Erhalt zu sichern, ist eine frühzeitige Nachlassplanung unerlässlich. Eine Teilungsanordnung kann hierbei ein wertvolles Instrument sein, um klare Verhältnisse zu schaffen und den Familienfrieden zu wahren.
Die Kombination aus gesellschaftsrechtlichen, erbrechtlichen und steuerrechtlichen Aspekten macht die Nachlassgestaltung bei Unternehmensanteilen und Immobilien komplex. Eine fachkundige Beratung durch Notar:innen oder Fachanwält:innen für Erbrecht ist daher ratsam, um optimale Lösungen für Ihre persönliche Situation zu finden.