Wie prüft der Notar Ihre Testier­fähigkeit?

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Zusammenfassung

Der Notar prüft bei der Errichtung eines Testaments, ob die testierende Person geistig in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidungen zu verstehen. Dazu führt er ein persönliches Gespräch, beobachtet die Entscheidungsfähigkeit und dokumentiert seine Einschätzung. Bei Zweifeln kann er ärztliche Stellungnahmen einholen, um spätere Anfechtungen des Testaments zu vermeiden.

Wenn Sie ein Testament errichten möchten, ist Ihre Testier­fähigkeit eine grund­legende Voraus­setzung für dessen Gültig­keit. Der Notar spielt hierbei eine ent­scheidende Rolle als neutrale Prüf­instanz. Seine Auf­gabe ist es, Ihre Fähig­keit zur freien Willens­bildung fest­zustellen, bevor er Ihren letzten Willen be­urkundet. Doch wie geht der Notar dabei vor? Welche recht­lichen Pflichten hat er? Und welche Grenzen gibt es bei seiner Ein­schätzung? Dieser Artikel gibt Ihnen einen um­fassenden Einblick in die Rolle des Notars bei der Prüfung der Testier­fähigkeit.

Was bedeutet Testier­fähigkeit?

Bevor wir die Rolle des Notars be­trachten, sollten wir ver­stehen, was Testier­fähigkeit überhaupt bedeutet.

Die Testier­fähigkeit ist Ihre recht­liche Fähig­keit, ein Testament zu er­richten, zu ändern oder auf­zuheben. Sie ist in § 2229 des Bürger­lichen Gesetz­buchs (BGB) geregelt und umfasst folgende Voraus­setzungen:

  • Sie müssen mindestens 16 Jahre alt sein
  • Sie müssen geistig in der Lage sein, die Be­deutung und Trag­weite Ihrer Test­aments­errichtung zu ver­stehen
  • Sie dürfen sich nicht in einem Zustand be­finden, der Ihr Urteils­vermögen be­einträchtigt

Wichtig zu wissen: Auch Menschen mit einer gesetz­lichen Be­treuung können testier­fähig sein und ihren letzten Willen ohne Zu­stimmung der be­treuenden Person verfassen.[6]

Die gesetz­liche Prüfungs­pflicht des Notars

Der Notar hat eine gesetz­lich ver­ankerte Pflicht, Ihre Testier­fähigkeit zu prüfen, bevor er Ihr Testament be­urkundet. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Be­urkundungs­gesetz:

  • Nach § 28 BeurkG muss der Notar seine Wahr­nehmungen über Ihre Testier­fähigkeit in der Nieder­schrift ver­merken[1]
  • Bei schwer­kranken Personen muss der Notar diesen Umstand be­sonders fest­halten und die Er­gebnisse seiner Prüfung doku­mentieren (§ 11 Abs. 2 BeurkG)[1]
  • Ist der Notar über­zeugt, dass Sie nicht testier­fähig sind, muss er die Be­urkundung ablehnen (§ 11 Abs. 1 BeurkG)[1]

Diese Regelungen dienen Ihrem Schutz und sollen sicher­stellen, dass Ihr Testament später nicht wegen mangelnder Testier­fähigkeit an­gefochten werden kann.

Wie prüft der Notar Ihre Testier­fähigkeit?

In der Praxis ver­gewissert sich der Notar über Ihre Testier­fähigkeit durch ein persön­liches Gespräch. Dabei achtet er auf verschiedene Anzeichen:

  • Er be­urteilt, ob Sie die Trag­weite Ihrer Ent­scheidungen ein­schätzen können
  • Er prüft, ob Sie klar und zu­sammen­hängend sprechen
  • Er beobachtet, ob Sie Fragen ver­stehen und an­gemessen be­antworten
  • Er achtet auf Ihre Orientierung bezüglich Zeit, Ort und Situation

Der Notar doku­mentiert seine Ein­drücke dann in der Testament­s­urkunde. Typischer­weise findet sich dort ein Passus wie: “Der Notar hat sich in einem längeren Gespräch davon über­zeugt, dass der Erb­lasser testier­fähig ist.”[6]

Umgang mit Zweifeln an der Testier­fähigkeit

Bei be­stehenden Zweifeln an Ihrer Testier­fähigkeit hat der Notar mehrere Möglich­keiten:

  • Er kann weitere Unter­lagen an­fordern, zum Beispiel Kranken­akten oder Vor­mundschafts­akten[1]
  • Er kann mit Ihrer Ein­willigung einen Fach­arzt für Psychiatrie hinzu­ziehen[1]
  • Er kann das Gespräch ver­tiefen und auf be­stimmte Aspekte ge­nauer ein­gehen

Wenn die Zweifel nicht ausgeräumt werden können, aber auch nicht so schwer­wiegend sind, dass der Notar von einer Testier­unfähigkeit über­zeugt ist, kann er die Be­urkundung dennoch vornehmen.[1]

Praxis­tipp: Eine notarielle Be­urkundung empfiehlt sich be­sonders, wenn Zweifel an der Testier­fähigkeit be­stehen könnten, etwa bei hohem Alter oder schwerer Krank­heit. So können spätere Streitig­keiten ver­mieden werden.[1]

Grenzen der notariellen Prüfung

Die Prüfung durch den Notar bietet keine absolute Garantie für die Wirk­samkeit Ihres Testaments:

  • Der Notar kann keine end­gültige Ent­scheidung über Ihre Testier­fähigkeit treffen[7]
  • Seine Ein­schätzung kann in einem späteren Rechts­streit in Frage gestellt werden
  • Bei An­fechtung des Testaments kann der Notar als Zeuge gehört werden[1][3]
  • Gerichte dürfen sich nicht allein auf die Aussagen des Notars ver­lassen[3]

Ein be­sonders wichtiger Aspekt: Der Notar ist kein Mediziner oder Psychiater. Seine Be­urteilung basiert auf seiner juristischen Fach­kenntnis und seinen persön­lichen Ein­drücken.

Rechtliche Bedeutung für Erb:innen und An­gehörige

Für Erb:innen und An­gehörige ist die Frage der Testier­fähigkeit oft ent­scheidend, wenn es um die Gültig­keit eines Testaments geht:

  • Wird ein Testament wegen an­geblicher Testier­unfähigkeit an­gefochten, liegt die Beweis­last bei der­jenigen Person, die sich auf die Testier­unfähigkeit beruft[6]
  • Bei notariellen Testamenten spricht zunächst eine Vermutung für die Testier­fähigkeit, da der Notar diese geprüft hat
  • Im Streit­fall können folgende Beweis­mittel heran­gezogen werden:
    • Medizinische Gut­achten von Fach­ärzt:innen
    • Aussagen von Zeug:innen
    • Kranken­akten des Erb­lassers

Ein Erb­scheins­verfahren kann sich erheblich in die Länge ziehen, wenn hin­reichende Anhalts­punkte für eine Testier­unfähigkeit vor­liegen und um­fassende Sach­verständigen­gutachten nötig werden.[6]

Praktische Empfehlungen

Um die Testier­fähigkeit ab­zusichern und späteren Streitig­keiten vor­zubeugen, können Sie folgende Maß­nahmen ergreifen:

Für Erb­lasser:innen:

  • Wählen Sie für die Errichtung Ihres Testaments einen Zeit­punkt, an dem Sie sich geistig fit fühlen
  • Lassen Sie sich von Ihrem Haus­arzt oder Fach­arzt eine aktuelle ärzt­liche Stellung­nahme zu Ihrem Gesundheits­zustand aus­stellen
  • Ziehen Sie bei der notariellen Be­urkundung eine Vertrauens­person als Zeug:in hinzu (mit Zu­stimmung des Notars)
  • Sprechen Sie offen mit dem Notar über mögliche gesundheit­liche Ein­schränkungen

Für An­gehörige:

  • Begleiten Sie die erb­lassende Person zum Notar­termin, wenn Sie eingeladen werden
  • Achten Sie auf Anzeichen, die auf eine ein­geschränkte Ent­scheidungs­fähigkeit hin­deuten könnten
  • Sprechen Sie Be­denken bezüglich der Testier­fähigkeit offen an, um spätere Probleme zu vermeiden

Die Testier­fähigkeit im Fall­beispiel

Fall­beispiel: Frau Neumann, 82 Jahre alt, möchte ihr Testament ändern. Sie leidet an einer leichten Form der Demenz, hat aber noch klare Momente. Sie bittet ihre Tochter, sie zum Notar zu begleiten.

Vor­gehen des Notars:

  1. Der Notar führt ein aus­führliches Gespräch mit Frau Neumann
  2. Er bemerkt ge­legentliche Gedächtnis­lücken und Konzentrations­schwierigkeiten
  3. Er bittet um eine Stellung­nahme des behandelnden Neurologen
  4. Nach Vor­lage des ärzt­lichen Attests kommt der Notar zu dem Schluss, dass Frau Neumann die Bedeutung ihres Testaments versteht
  5. Er doku­mentiert seine Ein­schätzung und die ärzt­liche Stellung­nahme in der Nieder­schrift

Durch dieses sorg­fältige Vor­gehen ver­ringert der Notar das Risiko, dass das Testament später an­gefochten wird.

Zusammen­fassung: Was Sie mit­nehmen sollten

Der Notar hat eine wichtige Rolle bei der Über­prüfung Ihrer Testier­fähigkeit. Er muss sich davon über­zeugen, dass Sie die Bedeutung Ihres Testaments ver­stehen und frei von unan­gemessenen Ein­flüssen handeln.

Die notarielle Prüfung bietet zwar keinen absoluten Schutz vor späteren An­fechtungen, erhöht aber die Wahr­scheinlich­keit, dass Ihr letzter Wille respektiert wird. Bei Zweifeln an der Testier­fähigkeit kann der Notar zusätz­liche Maß­nahmen ergreifen, etwa die Hinzu­ziehung eines Fach­arztes.

Für Sie persönlich bedeutet dies: Wenn Sie ein Testament errichten möchten und Be­denken bezüglich Ihrer Testier­fähigkeit bestehen könnten, ist der Gang zum Notar besonders ratsam. Seine fach­kundige Prüfung und Doku­mentation kann dazu bei­tragen, dass Ihr letzter Wille Bestand hat und späteren Streitig­keiten unter Ihren Erb:innen vor­gebeugt wird.