Wie prüft der Notar Ihre Testierfähigkeit?
Der Notar prüft bei der Errichtung eines Testaments, ob die testierende Person geistig in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidungen zu verstehen. Dazu führt er ein persönliches Gespräch, beobachtet die Entscheidungsfähigkeit und dokumentiert seine Einschätzung. Bei Zweifeln kann er ärztliche Stellungnahmen einholen, um spätere Anfechtungen des Testaments zu vermeiden.
- Was bedeutet Testierfähigkeit?
- Die gesetzliche Prüfungspflicht des Notars
- Wie prüft der Notar Ihre Testierfähigkeit?
- Umgang mit Zweifeln an der Testierfähigkeit
- Grenzen der notariellen Prüfung
- Rechtliche Bedeutung für Erb:innen und Angehörige
- Praktische Empfehlungen
- Die Testierfähigkeit im Fallbeispiel
- Zusammenfassung: Was Sie mitnehmen sollten
Wenn Sie ein Testament errichten möchten, ist Ihre Testierfähigkeit eine grundlegende Voraussetzung für dessen Gültigkeit. Der Notar spielt hierbei eine entscheidende Rolle als neutrale Prüfinstanz. Seine Aufgabe ist es, Ihre Fähigkeit zur freien Willensbildung festzustellen, bevor er Ihren letzten Willen beurkundet. Doch wie geht der Notar dabei vor? Welche rechtlichen Pflichten hat er? Und welche Grenzen gibt es bei seiner Einschätzung? Dieser Artikel gibt Ihnen einen umfassenden Einblick in die Rolle des Notars bei der Prüfung der Testierfähigkeit.
Was bedeutet Testierfähigkeit?
Bevor wir die Rolle des Notars betrachten, sollten wir verstehen, was Testierfähigkeit überhaupt bedeutet.
Die Testierfähigkeit ist Ihre rechtliche Fähigkeit, ein Testament zu errichten, zu ändern oder aufzuheben. Sie ist in § 2229 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt und umfasst folgende Voraussetzungen:
- Sie müssen mindestens 16 Jahre alt sein
- Sie müssen geistig in der Lage sein, die Bedeutung und Tragweite Ihrer Testamentserrichtung zu verstehen
- Sie dürfen sich nicht in einem Zustand befinden, der Ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt
Wichtig zu wissen: Auch Menschen mit einer gesetzlichen Betreuung können testierfähig sein und ihren letzten Willen ohne Zustimmung der betreuenden Person verfassen.[6]
Die gesetzliche Prüfungspflicht des Notars
Der Notar hat eine gesetzlich verankerte Pflicht, Ihre Testierfähigkeit zu prüfen, bevor er Ihr Testament beurkundet. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Beurkundungsgesetz:
- Nach § 28 BeurkG muss der Notar seine Wahrnehmungen über Ihre Testierfähigkeit in der Niederschrift vermerken[1]
- Bei schwerkranken Personen muss der Notar diesen Umstand besonders festhalten und die Ergebnisse seiner Prüfung dokumentieren (§ 11 Abs. 2 BeurkG)[1]
- Ist der Notar überzeugt, dass Sie nicht testierfähig sind, muss er die Beurkundung ablehnen (§ 11 Abs. 1 BeurkG)[1]
Diese Regelungen dienen Ihrem Schutz und sollen sicherstellen, dass Ihr Testament später nicht wegen mangelnder Testierfähigkeit angefochten werden kann.
Wie prüft der Notar Ihre Testierfähigkeit?
In der Praxis vergewissert sich der Notar über Ihre Testierfähigkeit durch ein persönliches Gespräch. Dabei achtet er auf verschiedene Anzeichen:
- Er beurteilt, ob Sie die Tragweite Ihrer Entscheidungen einschätzen können
- Er prüft, ob Sie klar und zusammenhängend sprechen
- Er beobachtet, ob Sie Fragen verstehen und angemessen beantworten
- Er achtet auf Ihre Orientierung bezüglich Zeit, Ort und Situation
Der Notar dokumentiert seine Eindrücke dann in der Testamentsurkunde. Typischerweise findet sich dort ein Passus wie: “Der Notar hat sich in einem längeren Gespräch davon überzeugt, dass der Erblasser testierfähig ist.”[6]
Umgang mit Zweifeln an der Testierfähigkeit
Bei bestehenden Zweifeln an Ihrer Testierfähigkeit hat der Notar mehrere Möglichkeiten:
- Er kann weitere Unterlagen anfordern, zum Beispiel Krankenakten oder Vormundschaftsakten[1]
- Er kann mit Ihrer Einwilligung einen Facharzt für Psychiatrie hinzuziehen[1]
- Er kann das Gespräch vertiefen und auf bestimmte Aspekte genauer eingehen
Wenn die Zweifel nicht ausgeräumt werden können, aber auch nicht so schwerwiegend sind, dass der Notar von einer Testierunfähigkeit überzeugt ist, kann er die Beurkundung dennoch vornehmen.[1]
Praxistipp: Eine notarielle Beurkundung empfiehlt sich besonders, wenn Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen könnten, etwa bei hohem Alter oder schwerer Krankheit. So können spätere Streitigkeiten vermieden werden.[1]
Grenzen der notariellen Prüfung
Die Prüfung durch den Notar bietet keine absolute Garantie für die Wirksamkeit Ihres Testaments:
- Der Notar kann keine endgültige Entscheidung über Ihre Testierfähigkeit treffen[7]
- Seine Einschätzung kann in einem späteren Rechtsstreit in Frage gestellt werden
- Bei Anfechtung des Testaments kann der Notar als Zeuge gehört werden[1][3]
- Gerichte dürfen sich nicht allein auf die Aussagen des Notars verlassen[3]
Ein besonders wichtiger Aspekt: Der Notar ist kein Mediziner oder Psychiater. Seine Beurteilung basiert auf seiner juristischen Fachkenntnis und seinen persönlichen Eindrücken.
Rechtliche Bedeutung für Erb:innen und Angehörige
Für Erb:innen und Angehörige ist die Frage der Testierfähigkeit oft entscheidend, wenn es um die Gültigkeit eines Testaments geht:
- Wird ein Testament wegen angeblicher Testierunfähigkeit angefochten, liegt die Beweislast bei derjenigen Person, die sich auf die Testierunfähigkeit beruft[6]
- Bei notariellen Testamenten spricht zunächst eine Vermutung für die Testierfähigkeit, da der Notar diese geprüft hat
- Im Streitfall können folgende Beweismittel herangezogen werden:
- Medizinische Gutachten von Fachärzt:innen
- Aussagen von Zeug:innen
- Krankenakten des Erblassers
Ein Erbscheinsverfahren kann sich erheblich in die Länge ziehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit vorliegen und umfassende Sachverständigengutachten nötig werden.[6]
Praktische Empfehlungen
Um die Testierfähigkeit abzusichern und späteren Streitigkeiten vorzubeugen, können Sie folgende Maßnahmen ergreifen:
Für Erblasser:innen:
- Wählen Sie für die Errichtung Ihres Testaments einen Zeitpunkt, an dem Sie sich geistig fit fühlen
- Lassen Sie sich von Ihrem Hausarzt oder Facharzt eine aktuelle ärztliche Stellungnahme zu Ihrem Gesundheitszustand ausstellen
- Ziehen Sie bei der notariellen Beurkundung eine Vertrauensperson als Zeug:in hinzu (mit Zustimmung des Notars)
- Sprechen Sie offen mit dem Notar über mögliche gesundheitliche Einschränkungen
Für Angehörige:
- Begleiten Sie die erblassende Person zum Notartermin, wenn Sie eingeladen werden
- Achten Sie auf Anzeichen, die auf eine eingeschränkte Entscheidungsfähigkeit hindeuten könnten
- Sprechen Sie Bedenken bezüglich der Testierfähigkeit offen an, um spätere Probleme zu vermeiden
Die Testierfähigkeit im Fallbeispiel
Fallbeispiel: Frau Neumann, 82 Jahre alt, möchte ihr Testament ändern. Sie leidet an einer leichten Form der Demenz, hat aber noch klare Momente. Sie bittet ihre Tochter, sie zum Notar zu begleiten.
Vorgehen des Notars:
- Der Notar führt ein ausführliches Gespräch mit Frau Neumann
- Er bemerkt gelegentliche Gedächtnislücken und Konzentrationsschwierigkeiten
- Er bittet um eine Stellungnahme des behandelnden Neurologen
- Nach Vorlage des ärztlichen Attests kommt der Notar zu dem Schluss, dass Frau Neumann die Bedeutung ihres Testaments versteht
- Er dokumentiert seine Einschätzung und die ärztliche Stellungnahme in der Niederschrift
Durch dieses sorgfältige Vorgehen verringert der Notar das Risiko, dass das Testament später angefochten wird.
Zusammenfassung: Was Sie mitnehmen sollten
Der Notar hat eine wichtige Rolle bei der Überprüfung Ihrer Testierfähigkeit. Er muss sich davon überzeugen, dass Sie die Bedeutung Ihres Testaments verstehen und frei von unangemessenen Einflüssen handeln.
Die notarielle Prüfung bietet zwar keinen absoluten Schutz vor späteren Anfechtungen, erhöht aber die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr letzter Wille respektiert wird. Bei Zweifeln an der Testierfähigkeit kann der Notar zusätzliche Maßnahmen ergreifen, etwa die Hinzuziehung eines Facharztes.
Für Sie persönlich bedeutet dies: Wenn Sie ein Testament errichten möchten und Bedenken bezüglich Ihrer Testierfähigkeit bestehen könnten, ist der Gang zum Notar besonders ratsam. Seine fachkundige Prüfung und Dokumentation kann dazu beitragen, dass Ihr letzter Wille Bestand hat und späteren Streitigkeiten unter Ihren Erb:innen vorgebeugt wird.