Welche formalen Pflichten haben Zeugen bei einem Testament?
In Deutschland sind bei einem regulären handschriftlichen Testament keine Zeugen erforderlich, jedoch bei Nottestamenten (z. B. Drei-Zeugen-Testament) unter besonderen Umständen zwingend vorgeschrieben. Zeugen müssen gleichzeitig anwesend sein, den letzten Willen schriftlich festhalten, diesen dem Erblasser vorlesen und das Dokument unterschreiben. Sie dürfen nicht begünstigt sein, da Formfehler zur Unwirksamkeit des Testaments führen können.
- Grundsätzliches: Wann werden Zeugen bei einem Testament benötigt?
- Die verschiedenen Arten von Nottestamenten
- Wann darf ein Drei-Zeugen-Testament errichtet werden?
- Die formalen Pflichten der Zeugen im Detail
- Anforderungen an die Zeugen
- Gültigkeitsdauer eines Nottestaments
- Bedeutung von Zeugen bei regulären Testamenten
- Praktische Hinweise
- Rechtsfolgen bei Formfehlern
- Zeugen für die Beweiskraft
Bei der Erstellung eines Testaments stellen sich viele Menschen die Frage, ob und wann Zeugen notwendig sind und welche formalen Pflichten diese erfüllen müssen. Anders als bei manchen Rechtsordnungen im Ausland benötigen Sie für ein gewöhnliches handschriftliches Testament in Deutschland keine Zeugen. Dennoch gibt es Situationen, in denen Zeugen unverzichtbar sind - besonders bei Nottestamenten. Diese Übersicht klärt auf, wann Zeugen erforderlich sind und welche formalen Anforderungen sie erfüllen müssen.
Grundsätzliches: Wann werden Zeugen bei einem Testament benötigt?
In Deutschland gilt: Für ein reguläres eigenhändig geschriebenes Testament sind keine Zeugen erforderlich. Laut Gesetz reicht es aus, wenn das Testament vollständig handschriftlich vom Erblasser verfasst und unterschrieben wird - unabhängig davon, wer bei der Erstellung anwesend ist[4]. Auch bei einer notariellen Testamentserrichtung sind keine eigentlichen Zeugen vorgesehen, sondern lediglich der Notar als beurkundende Person[4].
Anders verhält es sich bei sogenannten Nottestamenten, die in besonderen Ausnahmesituationen errichtet werden, wenn ein normales Testament aufgrund äußerer Umstände nicht mehr möglich ist.
Die verschiedenen Arten von Nottestamenten
Das deutsche Erbrecht kennt verschiedene Formen von Nottestamenten, bei denen Zeugen eine wichtige Rolle spielen:
Das Bürgermeistertestament
Bei diesem Nottestament erklärt der Erblasser seinen letzten Willen zur Niederschrift des Bürgermeisters der Gemeinde, in der er sich aufhält. Der Bürgermeister muss dabei zwei Zeugen hinzuziehen, die selbst nicht vom Testament begünstigt sein dürfen[4].
Das Drei-Zeugen-Testament
In besonders dringenden Notfällen kann ein Testament auch vor drei Zeugen erklärt werden. Diese Form wird oft als “Drei-Zeugen-Testament” bezeichnet[1][3][4][11].
Das See-Nottestament
Eine Sonderform, die bei Seereisen Anwendung findet[7].
Wann darf ein Drei-Zeugen-Testament errichtet werden?
Ein Drei-Zeugen-Testament ist nur unter sehr engen Voraussetzungen gültig:
- Der Erblasser muss sich in naher Todesgefahr befinden[1][3][6][11]
- Die Todesgefahr muss objektiv so nah sein, dass ein Testament vor einem Notar oder Bürgermeister zeitlich nicht mehr möglich ist[3]
- Die Zeugen müssen von der akuten Todesgefahr überzeugt sein[6]
- Der Erblasser muss sich an einem schwer zugänglichen oder umständlich zu erreichenden Ort befinden (oft Krankenhäuser oder Pflegeheime)[3]
- Der Erblasser muss trotz der Notlage noch testierfähig sein[9][13]
Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil aus 2017 betont, dass ein Drei-Zeugen-Testament nur wirksam ist, wenn sich der Erblasser tatsächlich in akuter Todesgefahr befand oder die anwesenden Zeugen davon überzeugt waren[6].
Die formalen Pflichten der Zeugen im Detail
Für Zeugen bei einem Nottestament gelten strenge formale Anforderungen:
1. Pflicht zur gleichzeitigen Anwesenheit
Alle Zeugen müssen während der gesamten Testamentserrichtung gleichzeitig anwesend sein[5][13]. Diese Regel gilt ohne Ausnahme - selbst während der Corona-Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass die gleichzeitige Anwesenheit aller drei Zeugen zwingend erforderlich ist[5].
2. Pflicht zur Niederschrift
Die Zeugen müssen den letzten Willen des Erblassers schriftlich dokumentieren[3][13]. Sie ersetzen damit den Notar. Die Niederschrift kann von einem der Zeugen angefertigt werden, muss aber den Willen des Erblassers korrekt wiedergeben.
3. Pflicht zum Vorlesen und zur Bestätigung
Nach der Niederschrift muss das Dokument dem Erblasser vorgelesen werden, und dieser muss den Inhalt bestätigen[7][9][13]. Dies dient dazu, sicherzustellen, dass der niedergeschriebene Text tatsächlich dem Willen des Erblassers entspricht.
4. Pflicht zur Unterschrift
Alle Zeugen müssen das Dokument unterschreiben[4][9][13]. Die Unterschriften bestätigen, dass sie bei der Erklärung des letzten Willens anwesend waren und die Niederschrift dem Willen des Erblassers entspricht.
Anforderungen an die Zeugen
Nicht jede Person kann als Zeuge für ein Nottestament fungieren. Es gelten strenge Anforderungen:
- Die Zeugen dürfen nicht vom Testament begünstigt sein[1][4]
- Sie dürfen keine nahen Verwandten von begünstigten Personen sein[1]
- Die Zeugen müssen unabhängig sein[5]
Das OLG Köln hat in einem Fall entschieden, dass ein Nottestament unwirksam war, weil einer der Zeugen der Sohn der im Testament begünstigten Lebensgefährtin war[1].
Gültigkeitsdauer eines Nottestaments
Bedeutung von Zeugen bei regulären Testamenten
Auch wenn bei einem regulären handschriftlichen Testament in Deutschland keine Zeugen erforderlich sind, können Zeugen dennoch eine wichtige Rolle spielen:
Bei der Testamentsauslegung
Wenn ein Testament unklar formuliert ist, können Zeugen, die bei der Errichtung anwesend waren, zur Klärung des Erblasserwillens beitragen[4]. Beispielsweise wenn das Testament mehrdeutige Formulierungen enthält wie “mein Lieblings-Neffe” oder “das Tierheim”.
In anderen Rechtsordnungen
In manchen ausländischen Rechtsordnungen sind Zeugen bei der Testamentserrichtung zwingend vorgeschrieben. So verlangt beispielsweise das britische Recht (Section 9 Wills Act 1837) die Anwesenheit von zwei Zeugen, die die Echtheit durch ihre Unterschriften bestätigen müssen[10].
Praktische Hinweise
Wenn Sie in einer Notsituation ein Testament mit Zeugen errichten müssen, beachten Sie folgende Punkte:
- Wählen Sie als Zeugen möglichst neutrale Personen ohne Verbindung zu den Erben
- Stellen Sie sicher, dass alle drei Zeugen gleichzeitig anwesend sind
- Achten Sie darauf, dass einer der Zeugen den letzten Willen korrekt niederschreibt
- Lassen Sie das Niedergeschriebene dem Erblasser vorlesen und von diesem bestätigen
- Alle Zeugen müssen das Dokument unterschreiben
Rechtsfolgen bei Formfehlern
Die formalen Anforderungen an Nottestamente werden von Gerichten streng geprüft. Werden die formalen Pflichten der Zeugen nicht eingehalten, hat dies gravierende Folgen:
- Das Testament ist unwirksam
- Die gesetzliche Erbfolge tritt ein
- Testamentvollstreckungen oder andere Anordnungen werden nicht wirksam[6]
Wie das OLG Hamm 2017 entschied, kann eine durch ein Drei-Zeugen-Testament angeordnete Testamentvollstreckung unwirksam sein, wenn nicht festgestellt werden kann, dass sich der Erblasser tatsächlich in akuter Todesgefahr befand oder die Zeugen davon überzeugt waren[6].
Zeugen für die Beweiskraft
Auch wenn ein Testament unauffindbar ist, können Zeugen helfen, die Existenz eines Testaments nachzuweisen. Laut § 352 Abs. 3 S. 1 FamFG muss man zwar im Rahmen eines Antrags auf einen Erbschein dem Nachlassgericht “die Urkunde vorlegen, auf der das Erbrecht beruht”[12]. Ist dies nicht möglich, können Zeugen die Existenz und den Inhalt des Testaments bestätigen.
Bei einem regulären Testament in Deutschland ist die Anwesenheit von Zeugen zwar rechtlich nicht erforderlich, kann aber in Streitfällen über die Auslegung des Testaments oder bei einem verschollenen Testament von großem Nutzen sein.
In unsicheren Situationen empfiehlt sich immer die Beratung durch eine Fachperson für Erbrecht, um sicherzustellen, dass der letzte Wille rechtssicher dokumentiert wird.