Wie lassen sich Erbstreitigkeiten bei mehreren Erbinnen oder Miteigentümerinnen vermeiden?

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Zusammenfassung

Erbstreitigkeiten lassen sich durch klare Regelungen und vorausschauende Planung vermeiden. Als Erblasser:in können Sie durch ein Testament, Teilungsanordnungen oder die Einsetzung einer Testamentvollstreckung Konflikte vorbeugen. Für Erb:innen sind offene Kommunikation, rechtliche Beratung und Kompromissbereitschaft entscheidend, um den Nachlass friedlich zu verwalten.

Wenn ein Nachlass auf mehrere Erb:innen oder Mit­eigen­tümer:innen verteilt wird, können schnell Konflikte entstehen. Besonders bei Immobilien, wertvollen Gegen­ständen oder ungleichen Familien­ver­hält­nissen drohen Aus­einander­setzungen, die oft Jahre dauern und viel Geld kosten. Mit kluger Vorsorge lassen sich solche Erb­streitig­keiten vermeiden oder zumindest ab­mildern. Dieser Artikel zeigt Ihnen, welche Möglich­keiten Sie haben - sei es als Person, die ihren Nachlass regeln möchte, oder als Erb:in, die in einer Gemein­schaft mit anderen steht.

Warum es überhaupt zum Streit kommt

Erb­streitigkeiten entstehen nicht aus dem Nichts. Die Erben­gemein­schaft wird oft als “Schick­sals­gemein­schaft” bezeichnet - nicht ohne Grund[3]. Sie ist keine freiwillige Zusammen­kunft, sondern die Mit­glieder werden zwangs­weise mit­einander verbunden[4]. Wenn der Nach­lass nicht durch ein Testament geregelt wurde, kommt die gesetz­liche Erb­folge zum Tragen, wodurch Personen mit unterschied­lichsten Interessen und Be­ziehungen zu­einander zu Mit­erb:innen werden können.

Typische Konflikt­ursachen sind:

  • Gemeinsame Verwaltungs­pflicht: Alle Mit­erb:innen müssen den Nach­lass gemeinsam verwalten und Ent­scheidungen zusammen treffen[1].
  • Unter­schiedliche Interessen: Während eine Person den Nach­lass zusammen­halten möchte, will eine andere vielleicht schnell ihren Erb­teil aus­bezahlt bekommen[1].
  • Un­gleiche Engagement-Bereitschaft: Manche kümmern sich intensiv um die Ver­waltung, andere halten sich komplett heraus[1].
  • Konflikte bei Immobilien: Bei der Frage nach Renovierungs­arbeiten, Ver­mietung oder Verkauf sind sich Mit­erb:innen häufig uneinig[5].
  • Verteilung persönlicher Gegen­stände: Wenn der verstorbene Mensch keine genauen An­ordnungen zur Auf­teilung getroffen hat, entstehen oft emotionale Konflikte[5].

Präventive Maßnahmen für Erb­lasser:innen

Als Person, die ihren Nach­lass regelt, haben Sie verschiedene Möglich­keiten, um Streitig­keiten unter Ihren Erb:innen vorbeugend zu verhindern.

1. Erben­gemein­schaften von Anfang an vermeiden

Die wirksamste Methode ist, gar nicht erst eine Erben­gemein­schaft entstehen zu lassen. Setzen Sie in Ihrem Testament eine einzige Person als Allein­erb:in ein[1][2]. Diese muss sich nicht mit anderen abstimmen und kann selbst­ständig Ent­scheidungen treffen. Anderen Personen, die Sie bedenken möchten, können Sie statt­dessen Ver­mächt­nisse aussetzen. Diese werden nicht Mit­erb:innen, erhalten aber trotzdem be­stimmte Vermögens­werte oder Geld­beträge[1][2].

Beispiel: Sie haben ein Haus und zwei Kinder. Statt beide zu gleichen Teilen als Erb:innen ein­zusetzen, machen Sie ein Kind zur Allein­erb:in und setzen für das andere Kind ein Ver­mächtnis in Höhe des halben Haus­wertes fest.

2. Vor­weg­genommene Erb­folge nutzen

Eine weitere Möglich­keit ist, wichtige Teile Ihres Ver­mögens bereits zu Leb­zeiten zu über­tragen[2]. Diese “vor­weg­genommene Erb­folge” hilft, den Nach­lass zu ver­kleinern und zu­künftige Streitig­keiten zu ver­meiden. Meistens handelt es sich um Schenkungen, wobei Sie sich bestimmte Rechte wie ein Nieß­brauch­recht vor­behalten können.

Achtung: Sichern Sie Ihre eigene Ver­sorgung bis zum Lebens­ende ab. Lassen Sie sich anwaltlich beraten, denn Fehler können zu finanziellen Schwierig­keiten führen[2].

3. Teilungs­anordnungen im Testament treffen

Wenn Sie mehrere Erb:innen einsetzen möchten, können Sie in Ihrem Testament genaue Teilungs­anordnungen festlegen[2]. Damit be­stimmen Sie konkret, welche:r Erb:in welche Gegen­stände oder Vermögens­werte erhalten soll.

4. Testament­vollstreckung anordnen

Die Einsetzung einer Testament­vollstreckerin oder eines Testament­vollstreckers kann Streit bereits im Keim ersticken[5]. Diese Person:

  • Verwaltet den Nachlass neutral und fach­kundig
  • Setzt die Verteilung nach Ihrem Willen um
  • Vermittelt zwischen ver­härteten Fronten
  • Kann bei Uneinigkeit Ent­scheidungen treffen[5]

Ein:e erfahrene:r Testament­vollstrecker:in kann auch bei der Berechnung von Pflicht­teils­ansprüchen helfen und so Auseinander­setzungen mit Pflicht­teils­berechtigten vermeiden[5].

5. Weitere Vorkehrungen im Testament

Zusätzlich können Sie folgende Maß­nahmen in Ihrem Testament fest­legen:

  • Teilungs­verbote: Verhindern für einen be­stimmten Zeit­raum die Auf­lösung der Erben­gemein­schaft[2]
  • Aufl­agen für Erb:innen: Knüpfen den Erb­anspruch an bestimmte Be­dingungen[2]
  • Schieds­verfahren: Legen fest, dass Streitig­keiten durch ein Schieds­gericht statt vor einem ordent­lichen Gericht ge­klärt werden[1]

Hand­lungs­optionen für Mit­erb:innen

Als Mit­erb:in stehen Sie vor der Heraus­forderung, mit anderen Personen gemeinsam Ent­scheidungen zu treffen. Diese Tipps helfen, Konflikte zu ver­meiden oder zu lösen:

1. Offene Kommunikation pflegen

Führen Sie früh­zeitig klare Gespräche über Wünsche und Er­wartungen. Versuchen Sie, emotionale Dis­kussionen zu ver­meiden und sach­lich zu bleiben. Bedenken Sie, dass Meinungs­verschiedenheiten in Erben­gemein­schaften schnell emotional werden können[3].

2. Professionelle Unter­stützung ein­holen

Bei komplexen Nach­lässen oder be­reits auf­kommenden Spannungen kann neutrale Beratung durch An­wält:innen oder Mediator:innen hilf­reich sein. Diese können zwischen den Parteien ver­mitteln und recht­liche Lösungs­wege auf­zeigen.

3. Erb­teil verkaufen

Möchten Sie lang­wierige Auseinander­setzungen ver­meiden, können Sie Ihren Erb­teil an Mit­erb:innen oder an Dritte ver­kaufen[4]. Dies beendet Ihre Mit­glied­schaft in der Erben­gemein­schaft und Sie erhalten Ihren Anteil aus­gezahlt.

4. Ein­vernehm­liche Erb­auseinander­setzung anstreben

Die beste Lösung ist eine ein­vernehmliche Auf­teilung des Nach­lasses durch eine Erb­auseinander­setzungs­vereinbarung[4]. Hier einigen sich alle Erb:innen darauf, wer welche Gegen­stände oder Werte erhält.

Besondere Konflikt­punkte: Immobilien

Da Immobilien häufig der größte Streit­punkt in Erben­gemein­schaften sind, verdienen sie besondere Auf­merksamkeit:

Möglich­keiten bei geerbten Immobilien

Als Mit­erb:in einer Immobilie haben Sie folgende Optionen:

  • Gemeinsame Nutzung: Alle Mit­erb:innen einigen sich auf eine Form der gemeinsamen Nutzung oder Ver­mietung
  • Übernahme durch eine:n Erb:in: Eine:r der Mit­erb:innen über­nimmt die Immobilie und zahlt die anderen aus
  • Verkauf und Geld­verteilung: Die Immobilie wird ver­kauft und der Erlös unter den Erb:innen auf­geteilt

Vorsorge bei Immobilien­besitz

Als Erb­lasser:in können Sie be­sondere Vor­kehrungen für Ihre Immobilie treffen:

  • Ein­räumung eines Wohn­rechts für bestimmte Personen
  • Konkrete Teilungs­anordnung mit genauer Fest­legung, wer die Immobilie erhalten soll
  • Ver­äußerungs­verbot für einen be­stimmten Zeit­raum

Rechtliche Rahmen­bedingungen

Für die Ver­waltung des Nach­lasses gibt es klare gesetz­liche Regelungen:

  • Gemeinschaft­liche Ver­waltungs­pflicht: Der Nach­lass muss von allen Erb:innen gemeinsam ver­waltet werden (§ 2038 BGB)[1]
  • Gemeinschaft­liche Verfügung: Über Nach­lass­gegen­stände können Erb:innen nur gemeinsam ver­fügen (§ 2040 BGB)[1]
  • Mit­wirkungs­pflicht: Jede:r Mit­erb:in muss bei ordnungs­gemäßen Ver­waltungs­maß­nahmen mit­wirken[1]

Checkliste: Erb­streitigkeiten vermeiden

Als Erblasser:in:

  • [ ] Testament errichten und regelmäßig aktualisieren
  • [ ] Möglichst nur eine:n Alleinerb:in einsetzen
  • [ ] Andere Personen durch Vermächtnisse bedenken
  • [ ] Testament­vollstreckung anordnen
  • [ ] Teilungs­anordnungen für wertvolle oder emotional bedeutsame Gegen­stände treffen
  • [ ] Wichtige Vermögens­teile bereits zu Lebzeiten übertragen

Als Erb:in:

  • [ ] Frühzeitig und offen kommunizieren
  • [ ] Bei Bedarf recht­liche Beratung einholen
  • [ ] Kompromiss­bereitschaft zeigen
  • [ ] Gemeinsame Interessen in den Vordergrund stellen
  • [ ] Bei Blockade­situationen über den Verkauf des Erb­anteils nachdenken

Fazit

Erb­streitigkeiten können viel Zeit, Geld und emotionale Kraft kosten. Mit guter Planung und klaren Regelungen lassen sich viele Konflikte bereits im Vorfeld vermeiden. Als Erb­lasser:in haben Sie zahl­reiche Möglich­keiten, Ihren Nach­lass so zu regeln, dass die Wahr­scheinlich­keit für Streit minimiert wird. Als Mit­erb:in können Sie durch konstruktives Verhalten und die Bereit­schaft zur Ver­ständigung dazu bei­tragen, dass der Nach­lass fried­lich auf­geteilt wird.

Denken Sie daran: Am Ende geht es nicht nur um materielle Werte, sondern auch um die Be­ziehungen zwischen den Hinter­bliebenen. Eine faire Nach­lass­planung und ein respekt­voller Umgang mit­einander sind die beste Vor­sorge für einen fried­lichen Erb­fall.