Welche Risiken bestehen, wenn Patchwork-Familien kein Testament erstellen?

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Zusammenfassung

Ohne Testament birgt die gesetzliche Erbfolge für Patchwork-Familien erhebliche Risiken, da Stiefkinder nicht erbberechtigt sind, der überlebende Partner in Konflikte mit den leiblichen Kindern geraten kann und steuerliche Nachteile entstehen. Alte Testamente oder Pflichtteilsansprüche können zusätzlich Probleme verursachen. Eine rechtzeitige und individuell gestaltete Nachlassregelung ist daher essenziell, um Streitigkeiten und ungewollte Folgen zu vermeiden.

Patchwork-Familien gehören heute zum Alltag vieler Menschen. Wenn Sie in einer solchen Familienstruktur leben, sollten Sie sich mit einem wichtigen Thema auseinander­setzen: der Nach­lass­regelung. Ohne Testament gelten gesetzliche Regelungen, die für Patchwork-Familien oft unpassend sind und zu unerwünschten Folgen führen können.

Was bedeutet "gesetzliche Erbfolge" für Patchwork-Familien?

Das deutsche Erbrecht orientiert sich an der klassischen Familien­situation, bei der Eltern ihre gemeinsamen Kinder großziehen. In einer Patchwork-Familie kann die gesetzliche Erbfolge jedoch zu erheblichen Problemen führen.

Stiefkinder erben nichts

Ohne Testament erben nur leibliche Kinder und Ehepartner. Stiefkinder haben keinen Anspruch auf ein Erbe, selbst wenn Sie jahrelang als Familie zusammen­gelebt haben[8]. Dies gilt auch, wenn Sie mit Ihrem Partner verheiratet sind. Die Kinder Ihres Partners gehen leer aus, sofern sie nicht von Ihnen adoptiert wurden[3][8].

Ein Beispiel verdeutlicht das Problem: Stirbt eine Mutter, die mit einem neuen Partner und dessen Kindern zusammen­lebt, erben nur ihre eigenen leiblichen Kinder und ihr Ehepartner. Die Stiefkinder erhalten nichts - auch wenn sie vielleicht jahrelang mit der Verstorbenen unter einem Dach gelebt haben.

Gefahr für den über­lebenden Partner

Ist Ihr Partner mit Ihren Kindern in einer Erben­gemeinschaft, kann dies zu schwierigen Situationen führen:

  • Der über­lebende Partner kann nicht allein über den Nach­lass verfügen
  • Bei jeder Entscheidung müssen sich alle Erben einigen[7]
  • Bei gemeinsamen Immobilien werden Ihre leiblichen Kinder Mit­eigentümer und könnten theoretisch das Wohn­recht Ihres Partners in Frage stellen[7]

Das Pflicht­teils­recht als Stolper­stein

Ein besonderes Risiko stellt das Pflicht­teils­recht dar. Selbst wenn Sie ein Testament errichten, können die gesetzlichen Regelungen Ihre Absichten durch­kreuzen.

Ungleich­behandlung durch Pflicht­teils­ansprüche

Wenn Sie ein Berliner Testament errichten (beide Ehepartner setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein), kann es zu Schwierigkeiten kommen:

Beispiel: Ein Mann hat zwei eigene Kinder, seine Frau hat ein Kind. Beim Berliner Testament beerben sich zunächst die Eheleute als Allein­erben. Wenn die Eheleute alle drei Kinder gleich behandeln und als Schluss­erben zu je 1/3 einsetzen wollen, entsteht folgendes Problem: Das eigene Kind der Frau kann nach ihrem Tod die Hälfte des Gesamt­nach­lasses als Pflicht­teil verlangen. Die Stief­geschwister erhalten dann jeweils nur 1/4[1].

Steuerliche Nach­teile beachten

Die Erbschaft­steuer behandelt Patchwork-Familien je nach Konstellation unterschiedlich:

Unverheiratete Patchwork-Partner haben Nach­teile

  • Eheleute können das Familien­heim steuer­frei erben und haben einen Frei­betrag von mindestens 500.000 Euro
  • Unverheirateten Patchwork-Partnern stehen dagegen nur erbschaft­steuerliche Frei­beträge von 20.000 Euro zu
  • Selbst bei einem einfachen Wohn­recht oder Nieß­brauch am Haus ist dieser Frei­betrag schnell auf­gebraucht
  • Alles darüber hinaus wird mit 30% besteuert[1]

Heirat verbessert die steuerliche Situation

Durch eine Heirat erhöht sich die steuerliche Situation deutlich:

  • Sowohl leiblichen Kindern als auch Stief­kindern stehen jeweils 400.000 Euro als Steuer­frei­betrag zu[1]

Probleme durch ältere Testamente

Ein weiteres Risiko: Alte Testamente können neue Nachlass­pläne blockieren.

Bindungs­wirkung früherer Testamente

Haben Sie mit einem früheren Ehe­partner ein gemein­schaftliches Testament (z.B. ein Berliner Testament) errichtet, können Sie in bestimmten Fällen erbrechtlich gebunden sein. Das bedeutet: Sie können möglicherweise kein wirksames neues Testament mehr errichten[1].

Diese Gefahr betrifft besonders verwitwete Partner. Nach dem Tod des früheren Ehe­partners können Sie an die gemeinsamen Verfügungen gebunden sein.

Streit­potenzial zwischen Stief­geschwistern

Ohne klare testamentarische Regelungen drohen Konflikte zwischen den verschiedenen Familien­zweigen.

Verteilungs­kämpfe und Rechtsunsicherheit

Besonders bei Immobilien können nach einem Todes­fall erhebliche Streitigkeiten zwischen Stief­geschwistern entstehen[7]. Fragen wie:

  • Wer darf in dem Haus wohnen bleiben?
  • Kann ein Verkauf erzwungen werden?
  • Wie werden Renovierungs­kosten aufgeteilt?

führen häufig zu langwierigen Auseinander­setzungen.

Praktische Beispiele aus dem Alltag

Folgende Situation zeigt die Problematik:

Eine Tochter pflegt zusammen mit ihrem Vater die eigene Mutter. Nach deren Tod macht sie keinen Pflicht­teil geltend und geht davon aus, später vom Vater zu erben. Dann heiratet der Vater neu und bestimmt seine neue Ehe­frau und deren Kinder zu seinen alleinigen Erben. Die neue Familie verbraucht das Vermögen. Nach dem Tod des Vaters bleibt der Tochter nur ein möglicherweise wert­loser Pflicht­teil[5].

Lösungs­möglichkeiten für Patchwork-Familien

Um diese Risiken zu vermeiden, haben Sie verschiedene Möglichkeiten:

Testament oder Erbvertrag

  • Verheiratete Patchwork-Partner können ihre Erbfolge in Einzel­testamenten, einem gemein­schaftlichen Testament oder einem Erbvertrag regeln
  • Unverheiratete Patchwork-Partner können kein gemein­schaftliches Testament errichten, sondern nur Einzel­testamente oder einen Erbvertrag[4]

Wichtige Überlegungen für Ihre Testament­gestaltung

Bei der Gestaltung Ihres Testaments sollten Sie folgende Fragen klären:

  • Sollen nur die eigenen Kinder oder auch die Kinder des Partners erben?
  • Wie kann der Partner lang­fristig abgesichert werden?
  • Wie lässt sich verhindern, dass ein Ex-Partner Zugriff auf das Vermögen erhält?
  • Bei Immobilien: Soll das Haus in der Substanz auf die Kinder übergehen oder soll der über­lebende Partner die Möglichkeit haben, es zu verkaufen?[7]

Fazit: Handeln Sie recht­zeitig

Die gesetzliche Erbfolge passt selten zu den Bedürfnissen von Patchwork-Familien. Ohne Testament können ungewollte Folgen eintreten:

  • Stief­kinder gehen leer aus
  • Der über­lebende Partner steht möglicherweise in Konflikt mit den Kindern
  • Steuerliche Nach­teile entstehen
  • Alte Testamente blockieren neue Regelungen

Eine recht­zeitige, individuelle Testament­gestaltung ist für Patchwork-Familien unerlässlich. Lassen Sie sich dabei von einer Fach­anwält:in für Erbrecht beraten, um eine maß­geschneiderte Lösung für Ihre spezifische Familien­situation zu finden.