Was passiert mit dem Unternehmen, wenn die Erb*innen nicht an der Führung interessiert sind?
Wenn Erb:innen ein Unternehmen nicht selbst führen möchten, können sie eine externe Geschäftsführung einsetzen, das Unternehmen verkaufen oder es auflösen. Unternehmer:innen sollten frühzeitig durch Testament, Erbvertrag oder Übertragung zu Lebzeiten klare Nachfolgeregelungen treffen, um Konflikte zu vermeiden. Fachkundige Beratung ist für beide Seiten essenziell, um die beste Lösung zu finden.
Das Erben eines Unternehmens stellt viele Menschen vor eine komplexe Herausforderung. Während einige Erb:innen sich mit dem Gedanken der Unternehmensfortführung anfreunden können, haben andere beruflich andere Pläne oder fühlen sich der Aufgabe nicht gewachsen. Der folgende Artikel zeigt auf, welche Möglichkeiten bei nicht gewünschter Unternehmensführung bestehen und wie Sie als Unternehmer:in bereits zu Lebzeiten vorsorgen können.
Die rechtliche Ausgangslage: Was passiert mit einem Unternehmen im Erbfall?
Wenn ein:e Unternehmer:in verstirbt, fällt das Unternehmen als Gesamtheit in den Nachlass. Nach § 1922 BGB geht das gesamte Vermögen des Erblassers auf den oder die Erb:innen über - sowohl das Privatvermögen als auch das Betriebsvermögen[7]. Dies geschieht nach dem Prinzip “alles oder nichts” - ein “Rosinenpicken” ist nicht möglich[7].
Wichtig zu wissen: Erb:innen haften persönlich für alle Verbindlichkeiten des Unternehmens[1]. Sie haben jedoch sechs Wochen Zeit, das Erbe auszuschlagen, wenn sie beispielsweise vermuten, dass das Unternehmen überschuldet ist[7].
Entscheiden sich die Erb:innen, das Erbe anzunehmen, haben sie sechs Monate Zeit zu entscheiden, ob sie das Unternehmen fortführen möchten oder nicht[4]. Diese Zeit sollten Sie nutzen, um einen umfassenden Überblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu erhalten.
Optionen für Erb:innen, die das Unternehmen nicht selbst führen möchten
Wenn Sie als Erb:in ein Unternehmen erhalten, aber nicht selbst führen möchten, stehen Ihnen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
1. Einsetzen einer externen Geschäftsführung
Sie können als Eigentümer:in des Unternehmens eine andere Person als Geschäftsführer:in einsetzen[7]. Dies können externe Expert:innen oder interne Nachfolger:innen aus dem Unternehmen sein. Sie behalten dabei die Eigentümerstellung und erhalten entsprechend Gewinnausschüttungen, überlassen jedoch die operative Führung anderen.
Laut einer Studie können sich etwa 9% der Familienunternehmen vorstellen, die Leitung an externe Dritte zu übergeben, wenn die Firma im Familienbesitz verbleibt[1].
2. Verkauf des Unternehmens
Eine weitere Option ist der Verkauf des Unternehmens[7]. Dies kann eine sinnvolle Lösung sein, wenn keine familieninterne Nachfolge möglich ist oder wenn Sie als Erb:in andere berufliche Interessen verfolgen.
Der Verkauf kann an:
- Andere Gesellschafter:innen oder Geschäftspartner:innen
- Konkurrenzunternehmen
- Investoren:innen
- Mitarbeiter:innen (Management-Buy-out)
erfolgen.
3. Auflösung des Unternehmens
Falls keine der anderen Optionen realisierbar erscheint, bleibt als letzte Möglichkeit die Auflösung des Unternehmens[7]. Dies bedeutet, dass das Betriebsvermögen verkauft und der Erlös unter den Erb:innen aufgeteilt wird.
Zu beachten: Die Auflösung sollte wirklich nur als letzte Option betrachtet werden, da dabei in der Regel weniger Vermögenswerte realisiert werden können als bei einem Verkauf des laufenden Betriebs und Arbeitsplätze verloren gehen.
Besondere Herausforderungen bei einer Erbengemeinschaft
Besonders komplex wird die Situation, wenn mehrere Erb:innen beteiligt sind. Eine Erbengemeinschaft gilt als “denkbar ungünstigste und konfliktreichste Rechtsform zur Fortführung eines Unternehmens”[1]. Dies liegt daran, dass:
- Alle Erb:innen automatisch Mitunternehmer:innen werden, ob sie wollen oder nicht[1]
- Entscheidungen nur gemeinsam getroffen werden können, was bei unterschiedlichen Vorstellungen zu Blockaden führen kann[9]
- Die Geschäftsführung an unterschiedlichen Vorstellungen über die Fortführung scheitern kann[1]
Besonderes Problem: Wurden einzelne nahe Angehörige nicht als Nachfolger:innen ausgewählt, können sich Pflichtteilsprobleme ergeben. Diese müssen häufig aus dem Unternehmen selbst finanziert werden und können den Bestand gefährden[3].
Vorsorgemaßnahmen für Unternehmer:innen
Als Unternehmer:in können Sie schon zu Lebzeiten Vorkehrungen treffen, um solche Probleme zu vermeiden:
Testament oder Erbvertrag mit klaren Nachfolgeregelungen
Ein Testament ist unerlässlich, um die Unternehmensnachfolge nach Ihren Wünschen zu regeln. Darin können Sie festlegen, wer das Unternehmen erhalten soll und unter welchen Bedingungen[12].
Alternative: Statt eines Testaments kann die Unternehmensnachfolge auch durch einen Erbvertrag geregelt werden. Der Vorteil: Der künftige Erbe ist Vertragspartner und der Vertrag kann nur mit dessen Zustimmung aufgehoben werden[15].
Übertragung zu Lebzeiten
Sie können Ihr Unternehmen bereits zu Lebzeiten an Ihre:n Wunschnachfolger:in übertragen[3]. Dies kann steuerlich vorteilhaft sein und ermöglicht einen gleitenden Übergang. Sie können sich dabei bestimmte Rechte vorbehalten oder eine schrittweise Übertragung vorsehen.
Die Übertragung kann erfolgen:
- Mit Abfindung für andere Erb:innen (Pflichtteilsverzicht)
- Ohne Abfindung (wobei dann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch entstehen kann, der über 10 Jahre hinweg jährlich um ein Zehntel schmilzt)[3]
Einsetzung eines Testamentsvollstreckers
Die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers ist empfehlenswert, besonders wenn Streitigkeiten zwischen den Erb:innen befürchtet werden[13]. Der Testamentsvollstrecker:
- Verwaltet die Erbschaft bis zur Teilung
- Bezahlt die Schulden des Erblassers
- Richtet Vermächtnisse aus
- Kann notwendige Anordnungen für die Weiterführung des Unternehmens treffen[13]
Praktische Schritte für Erb:innen
Wenn Sie als Erb:in plötzlich mit einem Unternehmen konfrontiert werden, sollten Sie folgende Schritte beachten:
-
Frist beachten: Sie haben sechs Wochen Zeit, um das Erbe anzunehmen oder auszuschlagen[7].
-
Bestandsaufnahme durchführen: Verschaffen Sie sich einen umfassenden Überblick über das Unternehmen - Vermögenswerte, Verbindlichkeiten, Verträge, Personal.
-
Rechtliche Beratung einholen: Konsultieren Sie eine:n Rechtsanwält:in mit Spezialisierung im Erb- und Gesellschaftsrecht.
-
Steuerliche Beratung suchen: Die Übernahme oder Veräußerung eines Unternehmens hat erhebliche steuerliche Auswirkungen, die Sie berücksichtigen sollten.
-
Entscheidung treffen: Basierend auf der gesammelten Information entscheiden Sie, ob Sie das Unternehmen:
- Selbst führen möchten
- Eine Geschäftsführung einsetzen möchten
- Verkaufen möchten
- Auflösen möchten
Besondere Situationen
Einzelunternehmen
Bei einem Einzelunternehmen unterscheidet man zwischen zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Auswirkungen. Zivilrechtlich kommt es darauf an, ob es sich beim verstorbenen Unternehmer um einen eingetragenen Kaufmann (e.K.) handelte oder nicht. War der Verstorbene kein eingetragener Kaufmann, wird das Unternehmen mit dem Tod aufgelöst. Bei einem eingetragenen Kaufmann geht das Unternehmen immer auf die Erb:innen über[4].
Gesellschaftsanteile
Bei Gesellschaftsanteilen (z.B. an einer GmbH) gelten besondere Regelungen. Die Unternehmensnachfolge lässt sich bei einer Gesellschaft nicht allein durch Testament oder gesetzliche Erbfolge bestimmen. Vielmehr müssen die gesellschaftsrechtlichen Regelungen beachtet werden[10].
Fazit
Das Erben eines Unternehmens, ohne es selbst führen zu wollen, stellt eine Herausforderung dar, bietet aber auch verschiedene Handlungsoptionen. Sowohl Unternehmer:innen als auch potenzielle Erb:innen sollten sich frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen.
Als Unternehmer:in können Sie durch vorausschauende Planung sicherstellen, dass Ihr Lebenswerk in guten Händen bleibt - auch wenn Ihre Erb:innen es nicht selbst weiterführen möchten oder können. Als Erb:in haben Sie verschiedene Möglichkeiten, mit dem geerbten Unternehmen umzugehen, ohne es selbst führen zu müssen.
In beiden Fällen gilt: Holen Sie sich frühzeitig fachkundigen Rat ein, um die beste Lösung für Ihre individuelle Situation zu finden.