Sollte ein Ehegattentestament bei Patchwork-Familien bevorzugt werden?

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Zusammenfassung

Ein klassisches Ehegattentestament ist für Patchwork-Familien oft ungeeignet, da es zu ungewollten Benachteiligungen und Konflikten führen kann. Stattdessen sind individuelle Lösungen wie Vor- und Nacherbschaft oder Vermächtnisse sinnvoll, um sowohl den Partner als auch alle Kinder gerecht zu berücksichtigen. Fachliche Beratung ist dabei entscheidend, um eine klare und faire Nachlassregelung zu schaffen.

In Deutschland sind rund 10% aller Familien Patchwork-Familien - mit steigender Tendenz. Wenn Partner mit Kindern aus früheren Beziehungen eine neue Familie gründen, entstehen besondere rechtliche Heraus­forderungen für die Nachlass­regelung. Das klassische Ehe­gatten­testament (oft als “Berliner Testament” bezeichnet) ist dabei in den meisten Fällen keine optimale Lösung. Es kann sogar zu ungewollten Benach­teiligungen führen. Für Patchwork-Familien sind in der Regel individuelle Testaments­lösungen besser geeignet, die alle Familien­mitglieder angemessen berück­sichtigen.

Warum die gesetzliche Erbfolge für Patchwork-Familien ungeeignet ist

Die gesetzliche Erbfolge basiert auf einem traditionellen Familien­modell und passt häufig nicht zu den Bedürfnissen von Patchwork-Familien. Ohne Testament ergibt sich folgende Situation:

  • Nach dem deutschen Erbrecht erben nur leibliche Kinder und Ehe­partner:innen vom Verstorbenen[2][5]
  • Stief­kinder haben kein gesetzliches Erbrecht gegenüber dem Stief­elternteil[9]
  • Die Höhe des Erbes für nicht-gemeinsame Kinder hängt davon ab, welcher Ehe­partner zuerst stirbt[9]

Das führt zu ungewollten Erbfolgen und Ungleich­behandlungen innerhalb der Familie. Ein Beispiel verdeutlicht dies:

Ehepartner Christian und Ariane haben gemeinsam ein Kind (Ben). Christian bringt aus erster Ehe ein Kind mit (Lea), Ariane ebenfalls (Markus). Stirbt Christian zuerst, erben Ariane (als Ehe­partnerin) und Lea (als leibliches Kind) von ihm. Markus geht leer aus. Stirbt später Ariane, erben Ben und Markus ihr Vermögen - Lea erhält nichts mehr[13].

Das klassische Ehe­gatten­testament: Warum es für Patchwork-Familien meist problematisch ist

Das klassische Ehe­gatten­testament (Berliner Testament) funktioniert so:

  • Die Ehe­partner setzen sich gegen­seitig als Allein­erben ein
  • Die Kinder erben erst nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehe­partners
  • Nach dem Tod des ersten Ehe­partners ist der Überlebende an die Verfügungen gebunden

In Patchwork-Konstellationen führt dies zu mehreren Problemen:

  1. Unterschiedliche Pflicht­teils­ansprüche: Je nachdem, welcher Elternteil zuerst verstirbt, haben die Kinder unterschiedliche Pflicht­teils­ansprüche, da Stief­kinder nur gegenüber ihrem leib­lichen Elternteil pflicht­teils­berechtigt sind[10].

  2. Hohes Risiko der Pflicht­teils­geltend­machung: Nach dem Tod des ersten Ehe­partners könnten dessen leibliche Kinder ihren Pflicht­teil einfordern, was den über­lebenden Ehe­partner finanziell belasten kann[10].

  3. Ungleich­behandlung im zweiten Erbfall: Selbst wenn beide Ehe­partner alle Kinder gleich­berechtigt als Schluss­erben einsetzen wollen, können die Pflicht­teils­ansprüche im zweiten Erbfall eine Gleich­behandlung verhindern[10].

  4. Bevor­zugung bestimmter Kinder durch Zufall: Die gesetzliche Erbfolge kann dazu führen, dass einige Kinder mehr erben als andere - abhängig davon, welcher Elternteil zuerst verstirbt[9].

Bessere Alternativen für Patchwork-Familien

Vor- und Nacherbschaft

Eine Möglichkeit ist die Regelung durch Vor- und Nacherbschaft:

  • Der über­lebende Ehe­partner wird zum Vorerben bestimmt
  • Die leiblichen Kinder werden zu Nacherben eingesetzt
  • Der Ehe­partner kann das Vermögen nutzen, nach seinem Tod geht es an die Nacherben[3][6][7]

Diese Lösung sichert den über­lebenden Ehe­partner ab und stellt gleich­zeitig sicher, dass das Vermögen später an die eigenen Kinder geht.

Vermächtnisse statt Allein­erbschaft

Eine weitere Möglichkeit ist die Kombination von Erb­einsetzungen mit Vermächtnis­anordnungen:

  • Die eigenen Kinder werden als Erben eingesetzt
  • Der über­lebende Ehe­partner erhält Vermächtnisse zur finanziellen Absicherung
  • Zusätzlich kann der Ehe­partner zum Testaments­vollstrecker bestimmt werden[7]

Dies schützt sowohl die eigenen Kinder als auch den Ehe­partner.

Einzeltestamente oder Erbvertrag

Weitere Optionen sind:

  • Einzel­testamente für jeden Ehe­partner, die aufeinander abgestimmt sind[1][3]
  • Erbvertrag (vor allem für unverheiratete Paare, aber auch für Ehe­paare möglich)[1][3][12]

Steuerliche Überlegungen für Patchwork-Familien

Bei der Testaments­gestaltung sollten auch steuerliche Aspekte beachtet werden:

  • Ehe­partner:innen: Freibetrag von 500.000 Euro
  • Leibliche Kinder und Stief­kinder (bei verheirateten Eltern): 400.000 Euro
  • Unverheiratete Partner:innen: nur 20.000 Euro
  • Kinder des unverheirateten Partners: nur 20.000 Euro[8]

Eine Heirat kann daher aus erbschaft­steuerlicher Sicht vorteilhaft sein, wenn Sie Ihre:n Partner:in und deren/dessen Kinder absichern möchten.

Praktische Tipps für die Testaments­gestaltung in Patchwork-Familien

1. Familien­situation analy­sieren

Machen Sie sich zunächst ein klares Bild Ihrer Familien­konstellation:

  • Sind Sie verheiratet oder leben unverheiratet zusammen?
  • Welche Kinder bringt jeder Partner mit?
  • Gibt es gemeinsame Kinder?
  • Sind Kinder noch minder­jährig?
  • Leben Ex-Partner noch und haben Sorgerecht?[8]

2. Ziele festlegen

Überlegen Sie genau, was Sie erreichen möchten:

  • Sollen alle Kinder gleich behandelt werden?
  • Sollen nur die eigenen Kinder berücksichtigt werden?
  • Wie soll der/die Partner:in abgesichert werden?
  • Wie können Sie verhindern, dass Ex-Partner am Vermögen partizipieren?[1][6]

3. Fachliche Beratung einholen

Die Testaments­gestaltung für Patchwork-Familien ist komplex:

  • Lassen Sie sich von Fachanwält:innen für Erbrecht beraten
  • Notarielle Beglaubigung kann sinnvoll sein, besonders bei komplizierten Konstellationen
  • Prüfen Sie steuerliche Aspekte mit Steuer­berater:innen[5][7][14]

4. Testament regelmäßig anpassen

Ein Testament ist keine einmalige Angelegenheit:

  • Überprüfen Sie Ihr Testament in regelmäßigen Abständen
  • Passen Sie es bei Änderungen der Familien­situation an
  • Achten Sie besonders auf alte, noch gültige Testamente aus früheren Ehen[6]

Besondere Konstellationen berücksichtigen

Noch nicht geschiedene Partner

Wenn Sie mit Ihrem neuen Partner zusammenleben, aber noch nicht von Ihrem Ex-Partner geschieden sind:

  • Unbedingt ein Testament erstellen, da Ihr Ex-Partner sonst weiterhin erbberechtigt ist
  • Beachten Sie, dass frühere gemeinsame Testamente oder Erbverträge noch wirksam sein können[3]

Unverheiratete Partner

Für unverheiratete Paare in Patchwork-Familien gilt:

  • Ein gemeinschaftliches Testament ist nicht möglich
  • Alternativen sind Einzel­testamente oder ein Erbvertrag
  • Deutlich geringere erbschaft­steuerliche Freibeträge beachten[1][8][12]

Fazit: Individuell planen statt Standard­lösungen

Ein klassisches Ehe­gatten­testament (Berliner Testament) ist für Patchwork-Familien meist nicht zu empfehlen. Stattdessen sollten maß­geschnei­derte Lösungen entwickelt werden, die die besonderen Familien­verhältnisse berücksichtigen.

Mit einer gut durchdachten Testament­sgestaltung können Sie sowohl Ihre:n Partner:in als auch alle Kinder angemessen absichern und Konflikte vermeiden. Angesichts der komplexen rechtlichen Situation ist fachkundige Beratung dabei fast immer sinnvoll.

Denken Sie daran: Eine klare erbrechtliche Regelung gibt nicht nur Ihnen Sicherheit, sondern kann auch späteren Familien­streit verhindern und allen Beteiligten Klarheit über Ihre Wünsche geben.