Können Ex-Partner:innen Ansprüche auf das Erbe geltend machen?

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Zusammenfassung

Nach einer rechtskräftigen Scheidung haben Ex-Partner:innen keine gesetzlichen Erbansprüche mehr, während des Trennungsjahres bleibt das Erbrecht jedoch bestehen. Bestehende Testamente oder Erbverträge sollten nach einer Trennung dringend überprüft und angepasst werden, um unerwünschte Erbansprüche auszuschließen. Indirekte Erbansprüche über gemeinsame Kinder sind möglich und können durch ein Geschiedenen­testament vermieden werden.

Nach einer Trennung oder Scheidung stellen sich viele Fragen - auch zum Thema Erbe. Können frühere Partner:innen nach dem Ende der Beziehung noch erben? Unter welchen Umständen bestehen Ansprüche? Und wie können Sie sicherstellen, dass Ihr Ver­mögen nicht an die Ex-Partnerin oder den Ex-Partner fällt? Dieser Artikel gibt Ihnen einen Überblick über die recht­liche Situation und praktische Empfehlungen.

Erbrechtliche Situation nach rechtskräftiger Scheidung

Nach einer rechtskräftigen Scheidung erlischt das gesetzliche Erbrecht zwischen Ex-Partner:innen vollständig. Dies bedeutet: Ohne besondere Verfügungen haben geschiedene Personen keine gesetzlichen Erbansprüche mehr gegeneinander[3][4].

Wichtig zu wissen:

  • Rechtskräftig ist eine Scheidung, wenn gegen den Scheidungsbeschluss keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden können[3].
  • Die Rechtskraft tritt sofort ein, wenn nach der Verkündung des Scheidungsbeschlusses ein Rechtsmittelverzicht erklärt wird[3].

Selbst wenn Sie während der bestehenden Ehe erben, hat Ihr:e (Ex-)Ehepartner:in keinen Anspruch auf dieses Erbe - die Erbschaft steht Ihnen allein zu[3][7].

Erbrechtliche Situation während der Trennung

Anders sieht die Situation aus, wenn Sie sich zwar getrennt haben, aber noch nicht geschieden sind:

Während des Trennungsjahrs und bis zur rechtskräftigen Scheidung bleibt das gesetzliche Erbrecht zwischen Ehepartner:innen bestehen[2][4][5]. Dies gilt selbst dann, wenn Sie dauerhaft getrennt leben.

Die einzige Ausnahme besteht in folgendem Fall:

  • Wenn zur Zeit des Todes die Voraussetzungen für die Scheidung bereits gegeben waren (in der Regel nach Ablauf des Trennungsjahres) UND
  • der verstorbene Ehepartner die Scheidung selbst beantragt oder einem Scheidungsantrag des anderen Ehegatten zugestimmt hatte[2][4][5].

Praxistipp: Um das Erbrecht möglichst früh auszuschließen, sollten Sie bei einer Trennung:

  1. Das Trennungsjahr konsequent einhalten
  2. Den Scheidungsantrag stellen oder dem Antrag Ihres Partners/Ihrer Partnerin zustimmen[4]

Pflichtteilsansprüche trotz Enterbung

Selbst wenn Sie Ihre:n getrennt lebende:n Ehepartner:in durch ein Testament enterben, bestehen während der Trennungsphase noch Pflichtteilsansprüche[5]. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Wichtig: Dem enterbten, getrennt lebenden Ehegatten stehen weiterhin Pflichtteilsansprüche zu, solange keine rechtskräftige Scheidung vorliegt[5].

Spezialfälle: Testamente und Erbverträge

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Sie während der Ehe gemeinsame Testamente oder Erbverträge errichtet haben:

  1. Gemeinschaftliche Testamente:
    Viele Ehepaare setzen ein gemeinschaftliches Testament (auch “Berliner Testament” genannt) auf, das den überlebenden Partner als Alleinerben einsetzt[1]. Nach einer Scheidung wird dieses grundsätzlich unwirksam, ABER nur, wenn der Verstorbene es nach der Scheidung nicht widerrufen oder geändert hat[1][4]. Bei Trennung sollten Sie daher bestehende Testamente überprüfen und anpassen.

  2. Erbverträge:
    Erbverträge sind oft schwieriger zu ändern als Testamente und können auch nach einer Scheidung verbindlich bleiben, wenn sie nicht ausdrücklich aufgehoben werden[1]. Hier ist besondere Vorsicht geboten!

  3. Explizite Begünstigung nach der Scheidung:
    Möchten Sie, dass Ihr:e Ex-Partner:in auch nach der Scheidung erbberechtigt bleibt, müssen Sie dies explizit in einem neuen Testament festlegen[1].

Die indirekte Erbberechtigung über gemeinsame Kinder

Oft übersehen wird eine mögliche indirekte Erbberechtigung der Ex-Partner:innen über gemeinsame Kinder:

Wenn Ihre gemeinsamen Kinder Sie beerben und später selbst kinderlos versterben, könnte Ihr Vermögen letztlich an Ihre:n Ex-Partner:in fallen - als gesetzliche:r Erbe:in des gemeinsamen Kindes[8]. Diesem Szenario können Sie mit einem sogenannten “Geschiedenen­testament” vorbeugen.

Praktische Maßnahmen für Ihre Vorsorge

Um unerwünschte Erbansprüche früherer Partner:innen zu vermeiden, empfehlen sich folgende Schritte:

  1. Nach der Trennung ein neues Testament errichten
    Enterben Sie darin ausdrücklich Ihre:n getrennt lebende:n Partner:in[5]

  2. Notariellen Erbverzicht vereinbaren
    Besonders sinnvoll, wenn Sie beide einvernehmlich ausschließen möchten, dass der jeweils andere erbt[4]

  3. Bei Trennung schnell handeln

    • Scheidungsantrag stellen und Zustimmung des Partners/der Partnerin einholen
    • Bestehende Testamente und Erbverträge überprüfen und anpassen[5]
  4. Geschiedenen­testament erstellen
    Schützen Sie Ihr Vermögen vor indirekten Erbansprüchen über gemeinsame Kinder[8]

Sonderfall: Erbe während bestehender Ehe

Unabhängig von der Trennung gilt: Erbt ein Ehepartner während der Ehe, gehört ihm die Erbschaft allein. Der andere Ehepartner hat auf das Erbe keinen Anspruch - dies gilt auch bei getrennt lebenden, noch nicht geschiedenen Paaren[3][7].

Fazit: Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • Nach rechtskräftiger Scheidung bestehen keine gesetzlichen Erbansprüche mehr
  • Während des Trennungsjahres bleibt das Erbrecht grundsätzlich bestehen
  • Das Erbrecht erlischt vorzeitig, wenn der verstorbene Partner die Scheidung beantragt oder einem Antrag zugestimmt hat
  • Gemeinsame Testamente und Erbverträge sollten nach Trennung überprüft und angepasst werden
  • Indirekte Erbansprüche über gemeinsame Kinder sind möglich und sollten bedacht werden

Bei Unsicherheiten empfiehlt sich eine rechtliche Beratung durch Fachan­wält:innen für Familien­recht oder Erb­recht, die Ihre persönliche Situation genau prüfen können.