Kann ein Testament nachträglich an einen anderen Ort verlegt werden?

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Zusammenfassung

Ja, ein Testament kann nachträglich an einen anderen Ort verlegt werden. Privat aufbewahrte Testamente können jederzeit ohne formelle Anforderungen verlegt werden, während bei amtlich verwahrten Testamenten eine Rücknahme oder ein Antrag auf Verlegung an ein anderes Nachlassgericht nötig ist. Es ist ratsam, Vertrauenspersonen über den neuen Aufbewahrungsort zu informieren oder die amtliche Verwahrung zu nutzen, um Sicherheit und Auffindbarkeit zu gewährleisten.

Nach dem Tod eines Menschen sind die Hinter­bliebenen mit vielen organisatorischen Aufgaben konfrontiert. Eine davon ist der Umgang mit dem Testament des verstorbenen Menschen. Doch gibt es zeitliche Vorgaben, innerhalb derer ein Testament beim Nach­lass­gericht eingereicht werden muss? Und welche Folgen hat eine verspätete Abgabe? Dieser Artikel klärt Sie über die rechtlichen Fristen und mögliche Konsequenzen auf.

Die Pflicht zur unverzüglichen Abgabe des Testaments

Wenn Sie nach dem Tod einer Person ein Testament finden oder bereits im Besitz eines solchen sind, besteht eine klare gesetzliche Verpflichtung: Das Testament muss unverzüglich beim Nach­lass­gericht abgeliefert werden. Diese sogenannte Ablieferungs­pflicht ist in § 2259 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verankert[7][11].

Was bedeutet “unverzüglich” in diesem Zusammenhang? Der Begriff beschreibt, dass Sie ohne schuldhaftes Zögern handeln müssen. Das heißt konkret:

  • Sie sollten das Testament so schnell wie möglich nach dem Auffinden oder nach Kenntnis vom Tod der Person beim zuständigen Nach­lass­gericht einreichen
  • Unnötige Verzögerungen sollten vermieden werden
  • Berechtigte Gründe für kurze Verzögerungen können sein: Organisation der Beerdigung, eigene Krankheit oder die Notwendigkeit, wichtige Dokumente zusammenzustellen

Was geschieht mit amtlich verwahrten Testamenten?

Anders verhält es sich bei Testamenten, die bereits zu Lebzeiten des Erblassers oder der Erblasserin beim Nach­lass­gericht in amtliche Verwahrung gegeben wurden. In diesem Fall müssen Sie nicht aktiv werden:

  1. Das Standesamt gibt die Todes­nachricht automatisch an das Zentrale Testaments­register der Bundes­notar­kammer weiter
  2. Das Testaments­register informiert dann das zuständige Nach­lass­gericht über die Existenz eines amtlich verwahrten Testaments
  3. Das Nach­lass­gericht leitet daraufhin eigenständig die Testaments­eröffnung ein[1]

Dieser Prozess dauert in der Regel wenige Tage bis einen Monat, in seltenen Fällen kann es bis zu einem halben Jahr dauern[5].

Folgen der Nichtablieferung eines Testaments

Die Missachtung der Ablieferungs­pflicht kann schwerwiegende rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben:

  • Schadens­ersatz­ansprüche: Wenn durch die verspätete oder unterlassene Abgabe des Testaments rechtmäßigen Erb:innen ein finanzieller Schaden entsteht, können diese Schadens­ersatz fordern[11][9]
  • Strafrecht­liche Konsequenzen: Eine vorsätzliche Nicht­ablieferung kann als Urkunden­unter­drückung strafbar sein[11][9]
  • Erb­unwürdigkeit: Im schlimmsten Fall kann die bewusste Zurück­haltung eines Testaments zur Erb­unwürdigkeit führen - dies bedeutet, dass die Person selbst nichts vom Nachlass erhält, auch wenn sie eigentlich erbberechtigt wäre[11][9]
  • Zwangs­maßnahmen: Das Gericht kann die Ablieferung anordnen und diese Anordnung mit Zwangs­mitteln durchsetzen[11]

Beispiel aus dem Alltag

Familie Müller trauert um ihren Vater, der kürzlich verstorben ist. Beim Aufräumen seiner Wohnung findet Tochter Lisa in einer Schublade ein handschriftliches Testament. Obwohl die Familie mitten in den Beerdigungs­vorbereitungen steckt, bringt Lisa das Testament innerhalb weniger Tage zum Nach­lass­gericht ihres Wohnorts. Sie handelt damit korrekt und vermeidet mögliche rechtliche Probleme für sich und ihre Familie.

Fristen nach der Testaments­eröffnung

Sobald das Testament beim Nach­lass­gericht eingegangen ist, wird die Testaments­eröffnung eingeleitet. Nach diesem offiziellen Akt beginnen weitere wichtige Fristen zu laufen:

Frist zur Ausschlagung des Erbes: 6 Wochen

Nach der Testaments­eröffnung haben alle benachrichtigten Erb:innen gemäß § 1944 BGB sechs Wochen Zeit, um zu entscheiden, ob sie das Erbe annehmen oder ausschlagen möchten. Befinden sich die Erb:innen zum Zeitpunkt der Testaments­eröffnung im Ausland, verlängert sich diese Frist auf sechs Monate[9][2].

Die Ausschlagung muss innerhalb dieser Frist persönlich zur Niederschrift des Nach­lass­gerichts oder in notariell beglaubigter Form erklärt werden. Ein einfacher Brief genügt nicht[2].

Was passiert, wenn die Ausschlagungsfrist versäumt wird?

Verstreicht die sechs­wöchige Frist, ohne dass Sie das Erbe ausschlagen, gilt das Erbe automatisch als angenommen. Dies kann problematisch sein, wenn der Nachlass überschuldet ist, da Sie dann mit Ihrem eigenen Vermögen für die Schulden des Erblassers oder der Erblasserin haften[2].

In bestimmten Fällen können Sie die Annahme des Erbes jedoch auch nach Frist­ablauf noch anfechten:

  • Bei Irrtum über Nachlassgegenstände
  • Bei Irrtum über die Anzahl der Erb:innen oder die Größe des Erbteils
  • Bei Irrtum über die Höhe der Nachlassverbindlichkeiten
  • Bei Irrtum über den Nachlasswert[2]

Weitere relevante Fristen im Erbrecht

Neben der unverzüglichen Ablieferungs­pflicht für Testamente und der sechs­wöchigen Ausschlagungs­frist gibt es im Erbrecht weitere wichtige Fristen:

  • Pflichtteilsansprüche: Diese müssen innerhalb von drei Jahren geltend gemacht werden, gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem die Pflichtteils­berechtigten von dem Eintreten des Erbfalls und der sie beein­trächtigenden Verfügung Kenntnis erlangt haben. Spätestens jedoch innerhalb von dreißig Jahren nach dem Erbfall[6]

  • Anfechtung der Erbschafts­annahme oder -ausschlagung: Hierfür haben Sie sechs Wochen Zeit ab Kenntnis des Anfechtungs­grundes[3]

  • Nachlassinsolvenz: Der Antrag auf Nachlassinsolvenz ist nicht mehr zulässig, wenn seit der Annahme der Erbschaft zwei Jahre vergangen sind[2]

Praktische Tipps für den Umgang mit Testamenten

Um Probleme zu vermeiden, empfehlen wir folgende Vorgehensweise:

  1. Testament sicher aufbewahren: Eigenhändige Testamente sollten möglichst beim zuständigen Nach­lass­gericht hinterlegt werden, damit sie im Zentral­register erfasst sind[4]

  2. Nach dem Todesfall schnell handeln: Reichen Sie gefundene Testamente zeitnah beim Nach­lass­gericht ein, um Ihrer gesetzlichen Pflicht nachzukommen

  3. Fachliche Beratung in Anspruch nehmen: Besonders bei komplexen Erbfällen oder Zweifeln über die Gültigkeit eines Testaments kann die Unterstützung durch eine Anwältin oder einen Anwalt für Erbrecht hilfreich sein[7]

  4. Fristen im Blick behalten: Notieren Sie sich nach der Testaments­eröffnung die sechs­wöchige Frist zur Ausschlagung des Erbes, falls Sie mit der Annahme einer überschuldeten Erbschaft rechnen müssen

Fazit

Die unverzügliche Abgabe eines aufgefundenen Testaments beim Nach­lass­gericht ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch wichtig für einen geordneten Erbvorgang. Ein zu langes Zögern kann rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben - bis hin zum eigenen Erb­ausschluss wegen Erb­unwürdigkeit.

Das Erbrecht kennt strikte Fristen, die unbedingt eingehalten werden sollten. Lassen Sie sich im Zweifelsfall rechtlich beraten, um keine Nachteile zu erleiden. Bei richtiger Vorgehensweise sorgen Sie dafür, dass der letzte Wille der verstorbenen Person respektiert wird und Sie selbst keine rechtlichen Risiken eingehen.