Wer trägt die Beweislast bei einer Anfechtung des Testaments?

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Zusammenfassung

Bei der Anfechtung eines Testaments trägt grundsätzlich diejenige Person die Beweislast, die die Unwirksamkeit des Testaments behauptet, etwa wegen Testierunfähigkeit oder Willensmängeln wie Irrtum, Täuschung oder Drohung. Ausnahmen bestehen bei undatierten Testamenten oder nachgewiesener zeitweiliger Testierunfähigkeit, wo sich die Beweislast zugunsten der testamentarischen Erb:innen umkehren kann. Eine rechtzeitige Sicherung von Beweismitteln und fachkundige Beratung sind entscheidend für den Erfolg.

Bei der Anfechtung eines Testaments stellt sich die entscheidende Frage: Wer muss was beweisen? Die Verteilung der Beweislast kann über den Ausgang eines Erbstreits entscheiden. Dieser Artikel erklärt übersichtlich und verständlich, bei wem die Beweislast in verschiedenen Anfechtungssituationen liegt.

Grund­sätz­liches zur Beweis­last im Erb­recht

Die Beweislast bezeichnet die Verantwortung, einen bestimmten Sachverhalt vor Gericht nachzuweisen. Bei Erbstreitigkeiten kann die Frage, wer etwas beweisen muss, den Ausgang des Verfahrens maßgeblich bestimmen.

Wichtig zu wissen: Im deutschen Erbrecht gilt, dass derjenige, der einen für ihn günstigen Umstand behauptet, diesen auch beweisen muss. Diese Grundregel wirkt sich bei der Testamentsanfechtung unterschiedlich aus - je nach Anfechtungsgrund.

Beweis­last bei An­fech­tung wegen Testier­un­fähig­keit

Grund­satz: Ver­mu­tung der Testier­fähig­keit

Wer behauptet, ein Testament sei wegen Testierunfähigkeit unwirksam, trägt hierfür die Beweislast. Das Gesetz geht nämlich davon aus:

Jede Person ab 16 Jahren gilt grundsätzlich als testierfähig, bis das Gegenteil bewiesen ist.[1][2]

Die Beweislast liegt somit bei der Person, die sich auf die Testierunfähigkeit beruft - meist sind das die gesetzlichen Erb:innen, die durch das Testament benachteiligt werden.[1]

Anfor­de­rungen an den Beweis

Der Nachweis der Testierunfähigkeit muss zur vollen Überzeugung des Gerichts geführt werden. Bei nicht ausräumbaren Zweifeln muss das Gericht von der Testierfähigkeit ausgehen.[1]

Für die Praxis bedeutet das:

  • Ein ärztliches Attest allein reicht oft nicht aus
  • Meist sind umfangreiche neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten erforderlich[1]
  • Auch eine bestehende gesetzliche Betreuung begründet nicht automatisch Testierunfähigkeit[2]

Beson­derer Fall: Un­da­tier­tes Testa­ment

Bei undatierten Testamenten gilt eine wichtige Ausnahme:

Wenn feststeht, dass der Erblasser während des in Betracht kommenden Zeitraums der Testamentserrichtung zumindest zeitweise testierunfähig war, kehrt sich die Beweislast um.[2]

In diesem Fall müssen diejenigen, die aus dem Testament Rechte herleiten wollen (also die testamentarischen Erb:innen), beweisen, dass das Testament in einem Zeitraum erstellt wurde, in dem Testierfähigkeit vorlag.[2]

Beweis­last bei "lichten Zwi­schen­räu­men"

Bei Personen mit phasenweiser geistiger Klarheit (“lucida intervalla”) gelten besondere Regeln:

  • Ist eine grundsätzliche Testierunfähigkeit nachgewiesen, muss derjenige, der sich auf die Gültigkeit des Testaments beruft, beweisen, dass es in einem “lichten Zwischenraum” errichtet wurde[1]
  • Bereits die ernsthafte Möglichkeit eines lichten Zwischenraums kann ausreichen, um den ersten Anschein der Testierunfähigkeit zu erschüttern[2]
  • Die letztendliche Beweislast für das Vorliegen eines lichten Zwischenraums trägt jedoch derjenige, der Rechte aus dem Testament für sich herleitet[2]

Beweis­last bei An­fech­tung wegen Wil­lens­män­geln

Irr­tum, Täu­schung oder Dro­hung

Bei einer Anfechtung wegen Willensmängeln wie Irrtum, Täuschung oder Drohung liegt die Beweislast ebenfalls bei der anfechtenden Person.[4]

Beispiel: Wenn Sie als gesetzliche:r Erb:in behaupten, der Erblasser sei über wesentliche Eigenschaften einer bedachten Person getäuscht worden, müssen Sie diese Täuschung nachweisen.

Echt­heit des Testa­ments

Anders sieht es bei Zweifeln an der Echtheit des Testaments aus:

  • Die Beweislast für die Echtheit des Testaments trägt grundsätzlich derjenige, der für sich aus dem Testament Rechte herleiten will[7]
  • Diese Beweislast umfasst sowohl die Echtheit des gesamten Textes als auch der Unterschrift[7]
  • Bei Änderungen im Testament trägt derjenige die Beweislast, der aus diesen Änderungen Rechte herleiten möchte[7]

Falls sich trotz aller Bemühungen der Sachverhalt nicht aufklären lässt, geht dies zulasten derjenigen Person, die die Beweislast trägt.[7]

Prak­ti­sche Nach­weis­mög­lich­kei­ten

Testier­un­fähig­keit nach­wei­sen

Um Testierunfähigkeit zu beweisen, können folgende Nachweise hilfreich sein:

  • Ärztliche Gutachten und Krankenakten
  • Zeugenaussagen von Pflegepersonal, Ärzt:innen, Angehörigen
  • Verhaltensauffälligkeiten in zeitlicher Nähe zur Testamentserrichtung
  • Widersprüche zwischen Testament und früheren Äußerungen des Erblassers[5]

Wil­lens­män­gel nach­wei­sen

Für den Nachweis von Willensmängeln können dienen:

  • Zeugenaussagen über Drohungen oder Täuschungen
  • Dokumente, die den Irrtum belegen
  • Nachweis der Beeinflussung durch Dritte
  • Ungewöhnliche Testamentsgestaltung, die auf fehlenden eigenen Willen hindeutet[4]

Prak­ti­sche Tipps für Be­trof­fe­ne

Wenn Sie ein Testament anfechten möchten, beachten Sie folgende Ratschläge:

  1. Handeln Sie zügig - Anfechtungsfristen können ablaufen
  2. Sammeln Sie Beweise - je früher, desto besser
  3. Dokumentieren Sie alles - ärztliche Berichte, Zeugenaussagen
  4. Bewahren Sie Vergleichsproben für Schriftgutachten auf, falls die Echtheit in Frage steht[7]
  5. Suchen Sie fachkundige Beratung - ein auf Erbrecht spezialisierter Rechtsbeistand kann die Erfolgsaussichten realistisch einschätzen

Für testamentarische Erb:innen, die ein Testament verteidigen möchten:

  1. Sichern Sie das Original des Testaments
  2. Sammeln Sie Belege für die Testierfähigkeit
  3. Identifizieren Sie Zeug:innen, die den Testierwillen bestätigen können

Be­son­dere Fall­kon­stel­la­tio­nen

Notarielles Testament

Bei notariellen Testamenten hat die Beurteilung der Testierfähigkeit durch den Notar oder die Notarin nur Indizwirkung - sie steht dem Beweis des Gegenteils nicht entgegen.[1]

Gemein­schaft­liches Testament

Bei gemeinschaftlichen Testamenten kann die Anfechtung besonders komplex sein, da die Unwirksamkeit einer Verfügung Auswirkungen auf die Wirksamkeit des gesamten Testaments haben kann.[4]

Fazit: Die richtige Strategie wählen

Die Verteilung der Beweislast kann über Erfolg oder Misserfolg einer Testamentsanfechtung entscheiden:

  • Bei behaupteter Testierunfähigkeit liegt die Beweislast grundsätzlich beim Anfechtenden
  • Bei Zweifeln an der Echtheit beim testamentarischen Erben
  • Bei undatierten Testamenten und nachgewiesener zeitweiliger Testierunfähigkeit kehrt sich die Beweislast um

In jedem Fall ist eine frühzeitige rechtliche Beratung ratsam, um Ihre Chancen realistisch einschätzen zu können und die richtigen Beweismittel zu sichern.

Die Frage der Beweislast mag auf den ersten Blick wie ein formales Detail erscheinen. In der Praxis ist sie jedoch häufig der Schlüssel zur erfolgreichen Durchsetzung Ihrer erbrechtlichen Ansprüche.