Können digitale Testamente leichter angefochten werden als handschriftliche?
Digitale Testamente sind in Deutschland nach aktueller Rechtslage formunwirksam und daher besonders leicht anfechtbar. Handschriftliche oder notarielle Testamente bieten deutlich mehr Rechtssicherheit, da sie strengen Formvorschriften unterliegen. Für den digitalen Nachlass empfiehlt es sich, ergänzende Anweisungen außerhalb des Testaments zu hinterlegen, um Erb:innen die Verwaltung zu erleichtern.
- Gesetzliche Grundlagen für Testamente in Deutschland
- Warum handschriftliche Testamente mehr Rechtssicherheit bieten
- Digitale Testamente: Rechtliche Bewertung und Risiken
- Welche Anfechtungsgründe gibt es für Testamente?
- Sind digitale Testamente aus dem Ausland in Deutschland gültig?
- Der digitale Nachlass - eine Herausforderung für Erb:innen
- Zukunftsperspektiven: Kommt das digitale Testament?
- Praktische Empfehlungen für Ihre Nachlassplanung
- Fazit
Das Testament ist ein wichtiges Dokument, mit dem Sie Ihren letzten Willen festhalten können. Doch in Zeiten der Digitalisierung stellt sich die Frage: Sind digital erstellte Testamente genauso rechtssicher wie handschriftliche? Die Antwort ist für den deutschen Rechtsraum eindeutig: Handschriftliche Testamente haben einen rechtlichen Vorteil, da digitale Testamente nach aktueller Rechtslage in Deutschland grundsätzlich formunwirksam sind und daher leichter angefochten werden können.
Gesetzliche Grundlagen für Testamente in Deutschland
Das deutsche Erbrecht kennt laut § 2247 BGB drei mögliche Wege, ein Testament zu erstellen:
- Das eigenhändige (handschriftliche) Testament
- Das öffentliche Testament vor einem Notar
- Das Nottestament (in außergewöhnlichen Situationen)
Die wichtigste Voraussetzung für das eigenhändige Testament: Es muss vollständig handschriftlich verfasst, unterschrieben und idealerweise mit einem Datum versehen sein[7]. Diese strengen Formvorschriften haben einen guten Grund: Sie sollen die Echtheit des Dokuments gewährleisten und spätere Streitigkeiten vermeiden.
Warum handschriftliche Testamente mehr Rechtssicherheit bieten
Der Gesetzgeber verlangt die Handschriftlichkeit aus gutem Grund:
- Die individuelle Handschrift lässt sich einer bestimmten Person zuordnen
- Sie bietet Schutz vor Fälschungen
- Sie stellt sicher, dass der Erblasser seinen Willen bewusst zum Ausdruck bringt
Das Oberlandesgericht München hat in einem aktuellen Beschluss vom 25.08.2023 noch einmal die strengen Anforderungen an die Unterschrift bestätigt[3]. Die Formwirksamkeit ist ein zentrales Thema in der erbrechtlichen Beratung und Praxis[8].
Digitale Testamente: Rechtliche Bewertung und Risiken
Nach aktueller Rechtslage haben digitale Testamente in Deutschland einen entscheidenden Nachteil: Sie sind formunwirksam. Das gilt selbst dann, wenn sie mit digitalen Hilfsmitteln “handschriftlich” erstellt wurden:
- Ein am Computer oder mit der Schreibmaschine geschriebenes Testament ist unwirksam[13][14]
- Auch ein mit einem Touchpen oder Smartpen auf einem Tablet geschriebenes Testament gilt nicht als formwirksam[10][11]
- Selbst wenn Sie den Text mit einem Smartpen auf Papier schreiben und gleichzeitig digital speichern, hat nur die Papierversion Testamentsqualität[12]
Eine Studie der Postbank ergab, dass bereits 53% aller Testamente wegen Formfehlern anfechtbar sind[9]. Bei digitalen Testamenten ist die Anfechtbarkeit sogar noch höher, da sie von vornherein formunwirksam sein können.
Welche Anfechtungsgründe gibt es für Testamente?
Ein Testament kann aus verschiedenen Gründen angefochten werden:
Bei handschriftlichen Testamenten:
- Formfehler (z.B. fehlende oder falsch platzierte Unterschrift)
- Fehlende Testierfähigkeit (z.B. wegen Demenz)
- Nachweisbare Fälschung
- Irrtum, Täuschung oder Drohung bei der Erstellung[1][5]
Bei digital erstellten Dokumenten:
- Grundsätzliche Formunwirksamkeit wegen Verstoßes gegen § 2247 BGB
- Fehlende Eindeutigkeit der Herkunft
- Schwieriger Nachweis der Urheberschaft
- Leichtere Manipulierbarkeit digitaler Daten
Die Anfechtung eines Testaments erfolgt gegenüber dem Nachlassgericht. Nach der Testamentseröffnung haben Sie laut § 2082 BGB ein Jahr Zeit, um die Anfechtung zu erklären[5].
Sind digitale Testamente aus dem Ausland in Deutschland gültig?
Während in Deutschland digitale Testamente nicht anerkannt werden, sieht die Lage im Ausland teils anders aus:
- In einigen US-Bundesstaaten und Kanada ist digitales Testieren bereits möglich[12]
- Gemäß der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) können ausländische Testamente in Deutschland anerkannt werden, wenn sie den Anforderungen des jeweiligen Rechtsstaates entsprechen[12]
Dies könnte für Deutsche im Ausland oder Ausländer:innen mit Vermögen in Deutschland relevant sein.
Der digitale Nachlass - eine Herausforderung für Erb:innen
Obwohl digitale Testamente in Deutschland formunwirksam sind, bleibt die Frage des digitalen Nachlasses wichtig:
Beim Tod eines Internetnutzers hinterlässt dieser ein digitales Erbe: Daten auf dem eigenen Rechner, in der Cloud, in E-Mail-Accounts und bei sozialen Netzwerken[2]. Die Erb:innen übernehmen im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auch den digitalen Nachlass mit sämtlichen Verträgen und Verpflichtungen[2].
Praktischer Tipp: Erstellen Sie zusätzlich zu Ihrem formgültigen Testament eine Liste mit Zugangsdaten und Anweisungen zum Umgang mit Ihren digitalen Konten. Diese Liste ist zwar nicht Teil des Testaments, kann aber den Erb:innen helfen, Ihren digitalen Nachlass zu verwalten.
Zukunftsperspektiven: Kommt das digitale Testament?
Der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat auf die Frage nach Plänen für digitale Testamente geantwortet, dass die Gesetzlage fortwährend auf Aktualität geprüft wird[15]. Ob der Gesetzgeber Sondervorschriften für digitale Testamente in das BGB aufnehmen wird, bleibt jedoch offen[14].
Angesichts der Digitalisierung im Gesellschaftsrecht, etwa durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG), wäre eine Anpassung im Erbrecht denkbar - aber derzeit ist sie noch nicht absehbar[14].
Praktische Empfehlungen für Ihre Nachlassplanung
Um Risiken bei der Anfechtbarkeit Ihres Testaments zu minimieren, beachten Sie folgende Punkte:
- Erstellen Sie Ihr Testament handschriftlich oder lassen Sie es notariell beurkunden
- Hinterlegen Sie das Original an einem sicheren Ort (ideal: beim Amtsgericht)
- Ergänzen Sie ein Verzeichnis Ihrer digitalen Konten mit Zugangsdaten
- Prüfen Sie Ihr Testament regelmäßig auf Aktualität
- Ziehen Sie bei komplexen Fällen eine:n Rechtsanwalt:in oder Notar:in hinzu
Checkliste für ein formsicheres handschriftliches Testament:
- ☑ Vollständig von Hand geschrieben
- ☑ Klar erkennbare Unterschrift mit Vor- und Nachnamen
- ☑ Datum und Ort der Erstellung
- ☑ Eindeutige Formulierungen
- ☑ Keine durchgestrichenen Passagen ohne Kennzeichnung
- ☑ Keine Anhänge oder Beiblätter, die nicht ebenfalls handschriftlich sind
Fazit
Digitale Testamente können in Deutschland sehr leicht angefochten werden - sie sind nach aktueller Rechtslage sogar grundsätzlich formunwirksam. Die Formvorschriften für Testamente, die auf den ersten Blick umständlich wirken mögen, dienen letztlich Ihrem Schutz und der Rechtssicherheit Ihres letzten Willens.
Auch wenn sich das Recht in Zeiten der Digitalisierung weiterentwickeln wird, gilt aktuell: Verlassen Sie sich auf die bewährten Methoden der handschriftlichen oder notariellen Testamentserstellung, um sicherzustellen, dass Ihr letzter Wille auch wirklich umgesetzt wird. Für den digitalen Nachlass können Sie ergänzende Anweisungen hinterlegen, ohne dass diese Teil des Testaments sein müssen.