Können digitale Testamente leichter angefochten werden als handschriftliche?

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Zusammenfassung

Digitale Testamente sind in Deutschland nach aktueller Rechtslage formunwirksam und daher besonders leicht anfechtbar. Hand­schrift­liche oder notarielle Testamente bieten deutlich mehr Rechts­sicher­heit, da sie strengen Form­vor­schriften unterliegen. Für den digitalen Nachlass empfiehlt es sich, ergänzende Anweisungen außerhalb des Testaments zu hinterlegen, um Erb:innen die Verwaltung zu erleichtern.

Das Testament ist ein wichtiges Dokument, mit dem Sie Ihren letzten Willen fest­hal­ten können. Doch in Zeiten der Digi­ta­li­sie­rung stellt sich die Frage: Sind digital erstellte Testamente genauso rechts­sicher wie hand­schrift­liche? Die Antwort ist für den deutschen Rechts­raum eindeutig: Hand­schrift­liche Testamente haben einen recht­lichen Vorteil, da digitale Testamente nach aktueller Rechts­lage in Deutschland grund­sätz­lich formunwirksam sind und daher leichter an­ge­foch­ten werden können.

Gesetzliche Grund­lagen für Testamente in Deutschland

Das deutsche Erbrecht kennt laut § 2247 BGB drei mögliche Wege, ein Testament zu erstellen:

  1. Das eigen­händige (hand­schrift­liche) Testament
  2. Das öffent­liche Testament vor einem Notar
  3. Das Not­testament (in außer­gewöhn­lichen Situa­tionen)

Die wichtigste Voraus­setzung für das eigen­händige Testament: Es muss voll­ständig hand­schrift­lich verfasst, unter­schrieben und idealer­weise mit einem Datum versehen sein[7]. Diese strengen Form­vor­schriften haben einen guten Grund: Sie sollen die Echtheit des Doku­ments gewähr­leisten und spätere Streitig­keiten vermeiden.

Warum hand­schrift­liche Testamente mehr Rechts­sicher­heit bieten

Der Gesetz­geber verlangt die Hand­schrift­lich­keit aus gutem Grund:

  • Die indi­vi­duelle Hand­schrift lässt sich einer bestimmten Person zuordnen
  • Sie bietet Schutz vor Fäl­schun­gen
  • Sie stellt sicher, dass der Erb­lasser seinen Willen bewusst zum Aus­druck bringt

Das Ober­landes­gericht München hat in einem aktuellen Beschluss vom 25.08.2023 noch einmal die strengen Anfor­de­rungen an die Unter­schrift be­stätigt[3]. Die Form­wirksamkeit ist ein zen­trales Thema in der erb­recht­lichen Beratung und Praxis[8].

Digitale Testamente: Recht­liche Be­wertung und Risiken

Nach aktueller Rechts­lage haben digitale Testamente in Deutschland einen ent­schei­denden Nachteil: Sie sind form­unwirksam. Das gilt selbst dann, wenn sie mit digitalen Hilfs­mitteln “hand­schrift­lich” erstellt wurden:

  • Ein am Computer oder mit der Schreib­maschine ge­schrie­benes Testament ist unwirksam[13][14]
  • Auch ein mit einem Touch­pen oder Smart­pen auf einem Tablet ge­schrie­benes Testament gilt nicht als form­wirksam[10][11]
  • Selbst wenn Sie den Text mit einem Smart­pen auf Papier schreiben und gleich­zeitig digital spei­chern, hat nur die Papier­version Testaments­qualität[12]

Eine Studie der Post­bank ergab, dass bereits 53% aller Testamente wegen Form­fehlern an­fecht­bar sind[9]. Bei digitalen Testamenten ist die An­fecht­barkeit sogar noch höher, da sie von vorn­herein form­unwirksam sein können.

Welche An­fechtungs­gründe gibt es für Testamente?

Ein Testament kann aus ver­schie­denen Gründen an­ge­foch­ten werden:

Bei hand­schrift­lichen Testamenten:

  • Form­fehler (z.B. fehlende oder falsch platzierte Unter­schrift)
  • Fehlende Testier­fähig­keit (z.B. wegen Demenz)
  • Nach­weis­bare Fäl­schung
  • Irrtum, Täu­schung oder Drohung bei der Er­stellung[1][5]

Bei digital er­stellten Dokumenten:

  • Grund­sätz­liche Form­unwirk­sam­keit wegen Ver­stoßes gegen § 2247 BGB
  • Fehlende Ein­deu­tig­keit der Her­kunft
  • Schwieriger Nach­weis der Ur­heber­schaft
  • Leichtere Manipu­lier­bar­keit digitaler Daten

Die Anfechtung eines Testaments erfolgt gegen­über dem Nach­lass­gericht. Nach der Testaments­eröffnung haben Sie laut § 2082 BGB ein Jahr Zeit, um die An­fechtung zu erklären[5].

Sind digitale Testamente aus dem Aus­land in Deutschland gültig?

Während in Deutschland digitale Testamente nicht an­erkannt werden, sieht die Lage im Aus­land teils anders aus:

  • In einigen US-Bundes­staaten und Kanada ist digitales Testieren bereits möglich[12]
  • Gemäß der Euro­päischen Erb­rechts­ver­ord­nung (EuErbVO) können aus­län­dische Testamente in Deutschland an­erkannt werden, wenn sie den Anfor­de­rungen des jewei­ligen Rechts­staates ent­sprechen[12]

Dies könnte für Deutsche im Aus­land oder Aus­länder:innen mit Vermögen in Deutschland relevant sein.

Der digitale Nach­lass - eine Heraus­forde­rung für Erb:innen

Obwohl digitale Testamente in Deutschland form­unwirksam sind, bleibt die Frage des digitalen Nach­lasses wichtig:

Beim Tod eines Inter­net­nutzers hinter­lässt dieser ein digitales Erbe: Daten auf dem eigenen Rechner, in der Cloud, in E-Mail-Accounts und bei sozialen Netz­werken[2]. Die Erb:innen über­nehmen im Rahmen der Gesamt­rechts­nach­folge auch den digitalen Nach­lass mit sämt­lichen Ver­trägen und Ver­pflich­tungen[2].

Praktischer Tipp: Erstellen Sie zusätzlich zu Ihrem form­gültigen Testament eine Liste mit Zu­gangs­daten und An­weisungen zum Umgang mit Ihren digitalen Konten. Diese Liste ist zwar nicht Teil des Testaments, kann aber den Erb:innen helfen, Ihren digitalen Nach­lass zu verwalten.

Zukunfts­perspektiven: Kommt das digitale Testament?

Der Bundes­justiz­minister Marco Buschmann (FDP) hat auf die Frage nach Plänen für digitale Testamente geantwortet, dass die Gesetz­lage fort­während auf Aktu­alität geprüft wird[15]. Ob der Gesetz­geber Sonder­vor­schriften für digitale Testamente in das BGB auf­nehmen wird, bleibt jedoch offen[14].

Angesichts der Digi­tali­sierung im Gesell­schafts­recht, etwa durch das Gesetz zur Um­setzung der Digitali­sierungs­richt­linie (DiRUG), wäre eine An­passung im Erb­recht denk­bar - aber derzeit ist sie noch nicht ab­seh­bar[14].

Praktische Empfeh­lungen für Ihre Nachlass­planung

Um Risiken bei der An­fecht­barkeit Ihres Testaments zu minimieren, be­achten Sie folgende Punkte:

  1. Erstellen Sie Ihr Testament hand­schrift­lich oder lassen Sie es notariell be­ur­kunden
  2. Hinter­legen Sie das Original an einem sicheren Ort (ideal: beim Amts­gericht)
  3. Ergänzen Sie ein Verzeichnis Ihrer digitalen Konten mit Zu­gangs­daten
  4. Prüfen Sie Ihr Testament regel­mäßig auf Aktu­alität
  5. Ziehen Sie bei komplexen Fällen eine:n Rechts­anwalt:in oder Notar:in hinzu

Checkliste für ein form­sicheres hand­schrift­liches Testament:

  • ☑ Voll­ständig von Hand ge­schrieben
  • ☑ Klar er­kenn­bare Unter­schrift mit Vor- und Nach­namen
  • ☑ Datum und Ort der Er­stellung
  • ☑ Ein­deutige For­mu­lie­rungen
  • ☑ Keine durch­ge­stri­chenen Passagen ohne Kenn­zeichnung
  • ☑ Keine An­hänge oder Bei­blätter, die nicht eben­falls hand­schrift­lich sind

Fazit

Digitale Testamente können in Deutschland sehr leicht an­ge­foch­ten werden - sie sind nach aktueller Rechts­lage sogar grund­sätz­lich form­unwirksam. Die Form­vor­schriften für Testamente, die auf den ersten Blick um­ständ­lich wirken mögen, dienen letzt­lich Ihrem Schutz und der Rechts­sicher­heit Ihres letzten Willens.

Auch wenn sich das Recht in Zeiten der Digi­tali­sierung weiter­ent­wickeln wird, gilt aktuell: Ver­lassen Sie sich auf die be­währten Methoden der hand­schrift­lichen oder notariellen Testaments­erstellung, um sicher­zu­stellen, dass Ihr letzter Wille auch wirk­lich umgesetzt wird. Für den digitalen Nach­lass können Sie ergänzende Anwei­sungen hinterlegen, ohne dass diese Teil des Testaments sein müssen.