Wie wirken sich Änderungen in einem gemeinschaftlichen Testament auf die Bindungswirkung aus?
Ein gemeinschaftliches Testament, insbesondere das Berliner Testament, bindet Ehepartner:innen durch wechselbezügliche Verfügungen, die nach dem Tod eines Partners meist nicht mehr geändert werden können. Änderungen sind zu Lebzeiten beider Partner durch gemeinsame Entscheidungen oder einen notariellen Widerruf möglich, während nach dem ersten Todesfall nur begrenzte Optionen wie Ausschlagung oder ein vorher vereinbarter Änderungsvorbehalt bestehen. Eine fachkundige Beratung hilft, die Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität zu finden und spätere Konflikte zu vermeiden.
- Was ist die Bindungswirkung bei gemeinschaftlichen Testamenten?
- Änderungsmöglichkeiten zu Lebzeiten beider Partner
- Die Bindungswirkung nach dem ersten Todesfall
- Möglichkeiten zur Aufhebung der Bindungswirkung
- Beispiel aus der Rechtsprechung
- Praktische Empfehlungen
- Wie Sie die richtige Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität finden
- Alternativen zum gemeinschaftlichen Testament
- Fazit
Ein gemeinschaftliches Testament stellt für viele Ehepaare und eingetragene Lebenspartner:innen die bevorzugte Form der Nachlassplanung dar. Besonders das sogenannte Berliner Testament, bei dem sich die Partner zunächst gegenseitig als Alleinerben und anschließend gemeinsame Schlusserben einsetzen, erfreut sich großer Beliebtheit. Was viele jedoch nicht wissen: Diese gemeinsame Testamentsgestaltung bringt eine Bindungswirkung mit sich, die die Handlungsfreiheit der Beteiligten erheblich einschränken kann. Dieser Artikel erklärt, was die Bindungswirkung bedeutet und welche Möglichkeiten zur Änderung bestehen.
Was ist die Bindungswirkung bei gemeinschaftlichen Testamenten?
Bei einem gemeinschaftlichen Testament entsteht eine gesetzlich geregelte Bindungswirkung für sogenannte wechselbezügliche Verfügungen (§ 2271 BGB). Wechselbezügliche Verfügungen sind solche, die voneinander abhängig sind - sie stehen und fallen gewissermaßen miteinander.[4]
Ein klassisches Beispiel: Ehepartner A setzt Ehepartner B als Erben ein, weil umgekehrt auch B den A als Erben eingesetzt hat. Beide Verfügungen sind dann wechselbezüglich und erzeugen eine gegenseitige Bindung.
In der Praxis erstreckt sich die Bindungswirkung vor allem auf:
Änderungsmöglichkeiten zu Lebzeiten beider Partner
Solange beide Partner leben, gibt es verschiedene Wege, ein gemeinschaftliches Testament zu ändern:
Gemeinschaftliche Änderung
Am einfachsten ist die gemeinschaftliche Änderung, bei der beide Partner gemeinsam:
- Ein neues gemeinschaftliches Testament errichten
- Das bestehende Testament ändern
- Das Testament vernichten
- Ein notarielles Testament aus der amtlichen Verwahrung zurücknehmen[1]
Diese Variante ist unkompliziert, setzt aber natürlich Einigkeit voraus.
Einseitige Änderung
Will nur ein Partner Änderungen vornehmen, wird es schwieriger. Für einen wirksamen einseitigen Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Der Widerruf muss durch eine notariell beurkundete Erklärung erfolgen
- Diese Erklärung muss dem anderen Partner offiziell zugestellt werden[2][4]
Diese strenge Formvorschrift soll sicherstellen, dass der andere Partner vom Widerruf erfährt und entsprechend reagieren kann.
Die Bindungswirkung nach dem ersten Todesfall
Nach dem Tod des ersten Partners tritt die eigentliche Härte der Bindungswirkung zutage: Der überlebende Partner kann sich von wechselbezüglichen Verfügungen grundsätzlich nicht mehr lösen.[2][3]
Das bedeutet konkret:
- Die Erbenstellung des überlebenden Partners kann nicht mehr geändert werden
- Die festgelegten Schlusserben (meist die gemeinsamen Kinder) sind endgültig bestimmt
- Vermächtnisse und Auflagen bleiben unverändert bestehen[5]
Diese strenge Bindung hat durchaus ihre Vor- und Nachteile:
Vorteile:
- Sicherheit für den erstversterbenden Partner, dass seine Wünsche respektiert werden
- Schutz des Familienvermögens
- Klare und verbindliche Regelungen für alle Beteiligten[5]
Nachteile:
Möglichkeiten zur Aufhebung der Bindungswirkung
Trotz der grundsätzlichen Bindung gibt es einige wenige Möglichkeiten, sich auch nach dem ersten Todesfall von der Bindungswirkung zu lösen:
1. Ausschlagung der Erbschaft
Der überlebende Partner kann die Erbschaft komplett ausschlagen. Dies ist jedoch eine radikale Lösung, da er dann vollständig leer ausgeht und stattdessen die gesetzliche Erbfolge eintritt.[3][6]
2. Anfechtung des Testaments
Unter bestimmten Umständen kann das Testament angefochten werden, beispielsweise wenn ein Pflichtteilsberechtigter übergangen wurde (§ 2079 BGB).[6]
3. Vorab vereinbarter Änderungsvorbehalt
Die praktikabelste Lösung ist, bereits bei der Testamentserrichtung einen Änderungsvorbehalt einzubauen. Dieser gibt dem überlebenden Partner das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen vom gemeinschaftlichen Testament abzuweichen.[3][8]
Ein gut formulierter Änderungsvorbehalt sollte:
- Klar definieren, inwieweit Änderungen möglich sind
- Die Umstände beschreiben, unter denen Änderungen erlaubt sind
- Verständlich und eindeutig formuliert sein
Achtung: Formulierungen wie “Der Überlebende kann frei verfügen” können zu Rechtsstreitigkeiten führen, wenn sie nicht genau spezifizieren, welche Art von Verfügungen gemeint sind.[7][8]
Beispiel aus der Rechtsprechung
Ein lehrreiches Beispiel liefert eine Entscheidung des OLG Bamberg: Ein Ehepaar hatte in seinem Testament folgende Klausel aufgenommen:
“Auch im Fall, dass es mit unserem Sohn zu familiären Zuwiderhandlungen kommen sollte, sind wir berechtigt das Testament zu annullieren.”[8]
Nach dem Tod seiner Frau errichtete der Witwer ein neues Testament, in dem er seinen Sohn nur noch zu 50% als Erben einsetzte und seine neue Lebensgefährtin zu 50% als Miterbin bestimmte. Seine Begründung: Der Sohn habe sich nicht ausreichend um ihn gekümmert, was eine “familiäre Zuwiderhandlung” darstelle.
Das Gericht musste entscheiden, ob der Änderungsvorbehalt wirksam war und ob die behaupteten “familiären Zuwiderhandlungen” ausreichten, um vom gemeinschaftlichen Testament abzuweichen.
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig eine präzise Formulierung des Änderungsvorbehalts ist, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Praktische Empfehlungen
Für Paare, die ein gemeinschaftliches Testament planen:
- Informieren Sie sich vorab gründlich über die Bindungswirkung und deren Konsequenzen
- Überlegen Sie, ob ein Erbvertrag statt eines gemeinschaftlichen Testaments für Ihre Situation besser geeignet sein könnte
- Bauen Sie einen durchdachten Änderungsvorbehalt ein, der dem überlebenden Partner ausreichend Flexibilität gibt
- Holen Sie fachkundige Beratung ein, idealerweise durch eine:n Notar:in oder eine:n Fachanwält:in für Erbrecht
- Überprüfen Sie Ihr Testament regelmäßig, insbesondere nach bedeutenden Lebensereignissen
Für überlebende Partner mit gemeinschaftlichem Testament:
- Prüfen Sie genau, ob und welche Teile des Testaments wechselbezüglich sind
- Untersuchen Sie das Testament auf mögliche Änderungsvorbehalte
- Suchen Sie bei Änderungswünschen frühzeitig rechtliche Beratung, um Ihre Handlungsoptionen zu klären
Wie Sie die richtige Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität finden
Ein gemeinschaftliches Testament bietet Sicherheit, kann aber durch seine Bindungswirkung auch zur Belastung werden. Folgende Überlegungen helfen bei der Entscheidung:
- Welche Ereignisse könnten eintreten, die eine Änderung des Testaments nach dem ersten Todesfall notwendig machen?
- Wie groß ist das gegenseitige Vertrauen zwischen den Partnern?
- Welche Absicherungen wünschen Sie für den Fall von familiären Konflikten?
- Wie komplex ist Ihre Vermögenssituation, und wie wahrscheinlich sind zukünftige Veränderungen?
Die ideale Lösung liegt meist in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen verbindlicher Regelung und notwendiger Anpassungsfähigkeit.
Alternativen zum gemeinschaftlichen Testament
Wer die starke Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments vermeiden möchte, kann über folgende Alternativen nachdenken:
- Einzeltestamente der Partner, die inhaltlich abgestimmt sind, aber keine rechtliche Bindungswirkung entfalten
- Erbvertrag mit modifizierten Bindungswirkungen, der gezielt festlegt, welche Regelungen bindend sein sollen und welche nicht
- Vorsorgevollmacht und Testament in Kombination, um dem überlebenden Partner mehr Handlungsspielraum zu geben
Fazit
Die Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente bietet Sicherheit, schränkt aber gleichzeitig die Handlungsfreiheit ein - besonders nach dem ersten Todesfall. Mit einem gut durchdachten Änderungsvorbehalt können Sie einen sinnvollen Mittelweg finden, der sowohl die gemeinsamen Wünsche respektiert als auch notwendige Anpassungen ermöglicht.
Für eine rechtssichere Gestaltung Ihres Testaments ist fachkundige Beratung unerlässlich. Ein:e Notar:in oder Fachanwält:in für Erbrecht kann Sie dabei unterstützen, ein Testament zu erstellen, das Ihren individuellen Bedürfnissen entspricht und späteren Streit vermeidet.