Wie kann ein Testament widerrufen werden?

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Zusammenfassung

Ein Testament kann jederzeit widerrufen werden, entweder durch die Errichtung eines neuen Testaments, die bewusste Vernichtung oder Veränderung des alten Dokuments oder durch die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung. Wichtig ist, dass der Widerruf eindeutig und mit Absicht erfolgt. Bei gemeinschaftlichen Testamenten gelten besondere Regeln, und bei Unsicherheiten empfiehlt sich rechtlicher Rat.

Ein Testament kann grundsätzlich jederzeit widerrufen werden. Diese Gewissheit ist für viele Menschen beruhigend, denn Lebens­umstände ändern sich - und damit oft auch der eigene letzte Wille. Doch wie genau funktioniert ein wirksamer Widerruf? Welche rechtlichen Vorgaben müssen Sie beachten, damit Ihr Widerruf auch tatsächlich gültig ist?

Gesetzliche Grundlagen: Ihr Recht auf Widerruf

Die Grundlage für den Widerruf eines Testaments bildet § 2253 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Darin heißt es:

“Der Erblasser kann ein Testament sowie eine einzelne in einem Testament enthaltene Verfügung jederzeit widerrufen.”[6]

Dieses Recht steht Ihnen als Verfasser:in eines Testaments immer zu. Wie bei der Erstellung eines Testaments müssen Sie auch beim Widerruf testier­fähig sein und den Widerruf höchst­persönlich vornehmen[8]. Eine Vertretung durch andere Personen ist nicht möglich[3].

Widerrufsmöglichkeiten im Detail

Das Gesetz sieht verschiedene Wege vor, wie Sie Ihr Testament wirksam widerrufen können:

1. Widerruf durch ein neues Testament

Der wohl häufigste Weg ist die Errichtung eines neuen Testaments, das dem bisherigen widerspricht (§ 2254 BGB)[2][6]. Dieses neue Testament - auch Widerrufs­testament genannt - erklärt, dass frühere Verfügungen ungültig sind[8].

So sollten Sie vorgehen:

  • Erstellen Sie ein vollständig neues Testament
  • Fügen Sie einen ausdrücklichen Widerrufs­hinweis ein, z.B.: “Hiermit widerrufe ich alle meine bisher errichteten Testamente”
  • Das neue Testament muss den Form­vorschriften entsprechen (handschriftlich geschrieben oder notariell beurkundet)

Wichtig: Sie müssen nicht ausdrücklich den Begriff “Widerruf” verwenden. Es genügt, wenn aus dem neuen Testament erkennbar ist, dass frühere Anordnungen keine Gültigkeit mehr haben sollen[5].

2. Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung

Eine zweite Möglichkeit bietet § 2255 BGB: Sie können Ihr Testament widerrufen, indem Sie die Testaments­urkunde bewusst vernichten oder verändern[3][6].

Mögliche Formen der Vernichtung:

  • Zerreißen des Testaments
  • Verbrennen des Dokuments
  • Andere Arten der Zerstörung, bei denen die Urkunde in ihrem Bestand nicht mehr vorhanden ist[2]

Veränderungen, die als Widerruf gelten:

  • Das Wort “ungültig” auf der Urkunde vermerken[6]
  • Durchstreichen des gesamten Inhalts

Zu beachten: Die Vernichtung muss von Ihnen selbst mit Widerrufs­absicht vorgenommen werden. Wenn jemand anders Ihr Testament ohne Ihr Wissen zerstört, gilt dies nicht als Widerruf[8]. Bei der Vernichtung wird die Widerrufs­absicht gesetzlich vermutet, kann aber widerlegt werden[2].

Eine besondere Situation: Wenn mehrere Original­testamente existieren und Sie nur eines davon vernichten, kann die Widerrufs­absicht fraglich sein. In einem Fall entschied das Oberlandesgericht Köln, dass genau geprüft werden muss, ob tatsächlich ein Widerrufswille vorlag[2][7].

3. Widerruf durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung

Wenn Ihr Testament amtlich verwahrt wird, können Sie es gemäß § 2256 BGB durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung widerrufen[1][6]. Dies gilt insbesondere für notarielle Testamente, die automatisch in die amtliche Verwahrung beim Amtsgericht gegeben werden[6].

So gehen Sie vor:

  • Beantragen Sie beim zuständigen Amtsgericht die Herausgabe Ihres Testaments
  • Dies ist jederzeit möglich
  • Mit der Rücknahme gilt das Testament als widerrufen

Besonderheiten bei verschiedenen Testaments­arten

Handschriftliches Testament

Bei einem privat aufbewahrten, handschriftlichen Testament haben Sie alle oben genannten Widerrufs­möglichkeiten[4]:

  • Errichtung eines neuen Testaments
  • Vernichtung oder Veränderung des Dokuments
  • Falls in amtlicher Verwahrung: Rücknahme aus der Verwahrung

Notarielles Testament

Ein notarielles Testament wird immer amtlich verwahrt. Hier bieten sich folgende Wege an[6]:

  • Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung
  • Errichtung eines späteren Testaments (dieses muss nicht notariell sein, ein handschriftliches Testament reicht aus)

Gemeinschaftliches Testament (Berliner Testament)

Bei einem gemeinschaftlichen Testament gelten besondere Regeln[6]:

  • Der Widerruf ist nur zu Lebzeiten beider Ehe­partner:innen möglich
  • Es wird grundsätzlich das Einverständnis beider Partner:innen benötigt
  • Nach dem Tod eines Ehe­partners ist ein Widerruf nicht mehr möglich

Dies liegt daran, dass es sich bei einem Berliner Testament um eine wechsel­bezügliche Verfügung mit Bindungs­wirkung handelt, bei der sich die Ehe­partner:innen gegenseitig als Allein­erben einsetzen[6].

Praktische Hinweise für einen wirksamen Widerruf

Vor dem Widerruf beachten:

  • Überlegen Sie genau: Ist ein vollständiger Widerruf nötig oder reicht eine Änderung einzelner Bestimmungen?
  • Dokumentieren Sie den Widerruf: Statt ein Testament einfach zu vernichten, ist es oft sinnvoller, ein neues Testament zu errichten, in dem der Widerruf ausdrücklich erklärt wird[8].
  • Versehen Sie Testamente immer mit Orts- und Zeit­angaben, damit klar ist, welches Testament das aktuellste ist[8].

Nach dem Widerruf:

  • Wenn ein späteres Testament widerrufen wird, gilt im Zweifel das vorherige Testament wieder als wirksam (§ 2258 II BGB)[2][7].
  • Sind mehrere Testamente vorhanden und widersprechen sie sich inhaltlich, gilt das jüngste Testament[8].

Gründe für einen Testament­widerruf

Menschen widerrufen ihre Testamente aus verschiedenen Gründen, die sich grob in zwei Kategorien einteilen lassen[1]:

  1. Änderung der familiären Verhältnisse:

    • Heirat oder Scheidung
    • Geburt von Kindern
    • Verschlechterung persönlicher Beziehungen
  2. Änderung der Vermögens­verhältnisse:

    • Neue finanzielle Situation
    • Erwerb oder Verkauf wichtiger Vermögens­werte

Fazit: Ihre Entscheidungs­freiheit bleibt gewahrt

Die Möglichkeit, ein Testament jederzeit zu widerrufen, ist ein wichtiger Bestandteil der Testier­freiheit. Sie haben verschiedene Wege, Ihren letzten Willen zu ändern oder vollständig zu widerrufen. Durch die Formvorschriften wird sichergestellt, dass nur Sie selbst über Ihren Nachlass bestimmen können.

Bei komplexen familiären oder vermögens­rechtlichen Situationen kann es sinnvoll sein, fachkundigen Rat einzuholen. Fach­anwält:innen für Erbrecht können Sie bei der rechtssicheren Gestaltung Ihres Testaments und möglicher Widerrufe unterstützen.